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Seit der Corona-Pandemie hat sich die Online-Schulung im Arbeitsalltag der Diabetesberatung etabliert. Diabetesberaterin DDG Petra Pflug hat uns hierzu einen Leserbrief geschrieben.
Seit dem „Lockdown“ im März dieses Jahres hat sich für mich als Diabetesberaterin mein Bild in Bezug auf meine unterstützende Tätigkeit als Fachkraft im Diabetesmanagement verändert:
Patienten am Bildschirm über Ihre (zum Teil) neue Therapieform zu instruieren, ist nicht nur eine von „vielen Hürden“, die die Kommunikation verändern und oft auch erschweren. Ich erlebe die telemedizinische Betreuung sowohl als Segen als auch als Fluch.
Dankbar bin ich über die Möglichkeit, dass Betroffene ihre diabetesbezogenen Daten mit der Praxis teilen können. Das ermöglicht mir und dem Menschen mit Diabetes auch zu Zeiten des Lock Down im virtuellen Kontakt die Insulinanpassung zu besprechen. Das ist wirklich großartig, weil zeitsparend und bietet deshalb für beide Seiten einen Vorteil.
Positiv zu bewerten ist auch der Wegfall von Wartezeiten im Wartezimmer, die Kontaktvermeidung zu Zeiten von COVID19 und die Zeitersparnis durch Entfallen des Anfahrtweges in die Praxis, was gerade in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein für viele Betroffene durchaus eine Strecke von mehr als 100 km bedeuten kann.
Dank der inzwischen viel genutzten FGM- und CGM-Systeme mit der dazugehörigen Software haben technikaffine Menschen den Nutzen längst für sich erobert und freuen sich darüber, von Zuhause aus über Telefonkontakt die Datenflut auf ihrem Bildschirm mit ihrem Diabetes-Team besprechen zu können. Ein großer Haken besteht hier hinsichtlich des Datenschutzes.
Ich erlebe jedoch bei allen erlebten Vorteilen in der Begleitung Erwachsener überwiegend, dass Betroffene es gerne vermeiden, diese Technologien in Anspruch zu nehmen und den realen Kontakt bevorzugen.
Selbst in der pädiatrischen Diabetologie zeigt eine aktuelle Studie zur Videosprechstunde entsprechende Ergebnisse (vgl. Frielitz F et al. Exp. Clin Endocrinol Diabetes 2020 May 7. Doi: 1055/a-1149-8814).
Zu einer erfolgreichen Videosprechstunde gehört eine umfassende technische Vorbereitung und Einführung aller Beteiligten als Voraussetzung. Die Auswertung der Erfahrungen der Diabetes-Experten zeigt durchaus viele Vorteile, die jedoch ohne persönliche Konsultationen nicht umzusetzen wären.
Tatsächlich ist mir sehr bewusst geworden, wie schon allein mit der ersten realen Begegnung, wenn ich Betroffene aus dem Wartezimmer abhole, der Handschlag durch ein „Lächeln hinter dem Mundschutz“ ersatzweise die Begrüßung verändert hat. Wir wissen doch, dass gerade der Einstieg in ein Gespräch maßgeblich ist und sich ebnend auswirken kann.
Die Frage stellt sich, ob nun das Ganze ohne Mundschutz am Bildschirm eine Verbesserung darstellt oder nicht, denn schließlich erfahre ich in der analogen Welt durch nonverbale Botschaften wie Körperhaltung, Mimik oder Gestik meines Gegenüber schon im ersten Augenblick einige wertvolle Informationen für den weiteren Verlauf der Beratung.
Ich habe in meiner Weiterbildung zur Diabetesberaterin ebenfalls gelernt, dass Menschen nur begrenzte Zeit aufmerksam bleiben können und ein Methodenwechsel empfehlenswert ist, um diese zu erhalten. Im Miteinander ist während einer Gruppenschulung der Lerneffekt am größten, wenn eine entspannte Situation herrscht, in der auch einmal gelacht wird. Die Faustregel zum Lernen: 20 Prozent von dem, was wir hören, wird gelernt, 30 Prozent von dem was wir sehen, 50 Prozent von dem, was wir sehen und hören, 70 Prozent von dem, was wir erzählen, und 90 Prozent von dem, was wir selbst tun.
Somit stellt sich die Frage, was also nach einer Onlineschulung wirklich für den Betroffenen im Bewusstsein bleibt? Die Grenzen von Onlineschulung und Videosprechstunde sind schnell erreicht und ersetzen auf keinen Fall einen persönlichen Kontakt. Abgesehen von der fehlenden Unterstützung der KVen, sind gerade wir Diabetesberater/Innen in der Zwickmühle von individueller Betreuung, Zeitmanagement und zum Teil nicht vorhandener Abrechnungsziffern.
von Petra Pflug
Diabetesberaterin DDG
Kontakt über: nuber@kirchheim-verlag.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (12) Seite 12-13
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