Typ-1-, Typ-2-, Typ-3-Diabetes oder auch Gestationsdiabetes: 10 bis 20 Prozent der Diabetiker in Deutschland werden dauerhaft oder vorübergehend in einer “Diabetologischen Schwerpunktpraxis” (DSP) betreut. Was aber macht eine gute diabetologische Schwerpunktpraxis aus? Und vor allem: Woran erkenne ich als Patient, dass ich die für mich “richtige” Praxis gefunden habe?
Die formalen Voraussetzungen für diabetologische Schwerpunktpraxen sind zunächst einmal in Sonderverträgen zwischen den Krankenkassen und den jeweiligen kassenärztlichen Vereinigungen geregelt. Die vertraglichen Vorgaben unterscheiden sich regional im Detail gering. Nachzuweisen sind:
- fachliche ärztliche Qualifikationen(u. a. Facharzt für Allgemeinmedizin, Innere Medizin oder Kinderheilkunde; Diabetologe DDG),
- Qualifikationen des nichtärztlichen Personals (u. a. Diabetesberaterin),
- apparative Ausstattungen wie qualitätskontrollierte Laborgeräte, EKG, Belastungs-EKG, Sonographie, Doppler- oder Duplexsonographie, 24-Stunden-Blutdruckmessung und Instrumente zur neurologischen Basisdiagnostik,
- Schulungsqualifikationen des ärztlichen und nichtärztlichen Personals für die verschiedenen Schulungskonzepte und -programme,
- räumliche Voraussetzungen für Einzel- und Gruppenschulungen sowie zur Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms,
- regelmäßige Fortbildungen des ärztlichen und nichtärztlichen Personals sowie
- eine Mindestzahl an betreuten Patienten mit unterschiedlichen Diabetesformen.
Kriterien: BVND geht noch weiter …
Der Bundesverband Niedergelassener Diabetologen (BVND) geht bei der Definition der Struktur- und Leistungsmerkmale einer diabetologischen Schwerpunktpraxis noch weiter: So sollten wenigstens 50 Prozent der Patienten einer diabetologischen Schwerpunktpraxis Diabetiker sein. Als Mindestqualifikation sollte die Anerkennung als “Zertifiziertes Diabeteszentrum DDG” (früher: “Basisanerkennung DDG”, siehe unten) angestrebt werden, wünschenswert ist die Anerkennung als “Zertifiziertes Diabeteszentrum Diabetologikum DDG”.
Als wesentliches Qualitätsmerkmal angesehen wird neben dem Durchführen von Basisschulungen für unterschiedliche Diabetestypen und -therapien vor allem auch das Angebot von Schulungen für spezielle Behandlungssituationenwie Insulinpumpenschulung oder ein Hypoglykämiewahrnehmungstraining.
Diabetologische Schwerpunktpraxen können sich auf freiwilliger Basis von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) als “Zertifiziertes Diabeteszentrum DDG” oder “Zertifiziertes Diabeteszentrum Diabetologikum DDG” zertifizieren lassen; um als Letzteres anerkannt zu werden, muss ein diabetesspezifisches Qualitätsmanagementsystem, das von der DDG akkreditiert ist, umgesetzt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, sich als “Fußbehandlungseinrichtung DDG” anerkennen zu lassen.
Entscheidend für Sie: Wie wird die Theorie im Praxisalltag umgesetzt?
Natürlich können all die formalen Qualitätskriterien helfen, die richtige Praxis zu finden. So werden Typ-1-Diabetiker mit Insulinpumpe sich Praxen suchen, die entsprechende Behandlungsstrukturen vorhalten. Patienten mit einem diabetischen Fuß sind sicherlich gut beraten, sich an eine Fußbehandlungseinrichtung DDG zu wenden. Und trotzdem: “Grau ist alle Theorie – entscheidend is auf’m Platz”, wie die Dortmunder Fußballlegende Adi Preißler gern zitiert wird.
Entscheidend für das Wohl der Patienten ist letztlich, wie es gelingt, die formulierten Qualitätsmerkmale im Praxisalltag umzusetzen, und vor allem, ob das Arzt-Patienten-Verhältnis oder die Diabetesteam-Patienten-Beziehung passen. Nur wenn die Chemie stimmt, ist überhaupt eine Basis für eine erfolgreiche kontinuierliche Diabetesbetreuung in ganz unterschiedlichen Lebensphasen gegeben.
Das Gespräch ist das Wesentliche
Und oft sind es gerade die eigentlichen Selbstverständlichkeiten der ärztlichen Betreuung, die nicht selten in einem bürokratisierten und reglementierten Praxisalltag an Bedeutung verlieren: zuhören und miteinander sprechen. Obwohl es faszinierende pharmakologische und medizintechnologische Entwicklungen in und außerhalb der Diabetologie gegeben hat, hat auch fast 50 Jahre nach seinem Tod ein Satz des international angesehenen Psychiaters und Philosophen Karl Jaspers nicht an Bedeutung verloren: “Dabei bleibt das Gespräch zwischen Arzt und Patient das Wesentliche.”
“Also Mund auf, Vorschläge machen und gemeinsam zu einer Lösung kommen”: So formuliert Olivia Peters in ihrem Blog “Diabetes und Ärzte – Was ich mir bei einer guten Diabetes Behandlung von meinem Arzt wünsche!”, wie wichtig ihr das Miteinander im Gespräch mit dem Diabetologen ist. Mehr zu Olivia Peters Wünschen gibt es unter www.blood-sugar-lounge.de
Struktur- und Prozessqualität in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis müssen stimmen, eine verantwortungsvolle Diabetesbehandlung braucht aber viel mehr: ein intaktes Arzt-Patientenverhältnis – getragen von Empathie und gegenseitigem Respekt. Damit eine optimale Behandlung erfolgen kann, ist es natürlich auch wichtig, sich als Patient auf den Praxisbesuch vorzubereiten: Unabdingbar für eine gute Therapie sind ein aktueller Medikamentenplan, ärztliche Vorbefunde und auch Ergebnisse der Blutzuckerselbstmessung (digital oder in Papierform).
Weitere Tipps für die Vorbereitung auf den ersten Besuch in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis sind hier zusammengestellt:
- persönlicher Fragebogen („Warum bin ich hier?“)
- Medikamentenplan
- augenärztlicher Befund/Facharztberichte
- Laborbefunde
- Gesundheitspass der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)
- sonstige Gesundheitspässe (z. B. Marcumarpass, Allergiepass, Impfpass)
- Liste anderer behandelnder Ärzte (Name und Fachrichtung)
- Blutzuckertagebuch (digital oder in Papierform)
- Blutzuckermessgerät/System zur kontinuierlichen Glukosemessung
- Insuline und Injektionshilfen (Pens/Spritzen)/Insulinpumpe
- orthopädische Schuhe, Orthesen oder Prothesen
- Überweisungsschein vom Hausarzt/Versichertenkarte
Nehmen Sie bei Bedarf eine Person Ihres Vertrauens als Unterstützung mit.
Bin ich hier richtig?
Die Antwort auf die Frage findet man sicherlich nicht allein im Internet. Erfahrungen von Verwandten, Bekannten oder Freunden können hilfreich sein. Das Beste aber ist: Man macht sich selbst ein Bild und entscheidet dann. Dabei hilft die Checkliste “Die richtige DSP finden” auf der rechten Seite.
Die richtige diabetologische Schwerpunktpraxis zu wählen, ist eine wichtige und wegweisende Entscheidung. Man sollte sich daher Zeit nehmen, die richtige Wahl zu treffen. Und wenn es wirklich nicht passt, dann darf man natürlich auch wechseln.
Hier finden Sie die Checkliste: “Die richtige DSP finden”.
- Eingeschrieben im DMP: Besser behandeln?
- So checken Sie Ihre Schwerpunktpraxis
- Hausarzt? Oder doch zum Diabetologen?
von Dr. med. Meinolf Behrens
Arzt für Innere Medizin, Diabetologe, DDG, Sport- und Ernährungsmedizin
Diabeteszentrum Minden
E-Mail: mb@diabetes-minden.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (6) Seite 22-24