10 Minuten
In allen Diabetes-Stadien benötigen Betroffene verschiedene Experten: sofort nach Diagnose, wenn bestimmte Symptome oder Umstände auftreten. Dr. Gerhard-W. Schmeisl sagt, welcher Arzt wann der richtige ist für Sie.
Die Diagnose eines Diabetes mellitus ist für viele Menschen nach wie vor ein Schock; dies liegt zum einen offensichtlich daran, dass teils immer noch sehr viel Halbwissen besteht in Sachen Diabetes – andererseits den Betroffenen auch klar wird, dass nun ein Wendepunkt in ihrem Leben eingetreten ist, der von ihnen verlangt, sich von nun an um sich und ihren Diabetes zu kümmern. Das trifft für Typ-1- wie für Typ-2-Diabetiker zu.
Wenn die Diagnose gestellt ist, geht es darum, möglichst rasch die im Zusammenhang mit dem Diabetes möglicherweise auftretenden Probleme in den Griff zu bekommen. Das Vorgehen ist bezüglich Typ-2- und Typ-1-Diabetes aber völlig unterschiedlich:
Bei Typ-1-Diabetikern stehen eindeutig im Vordergrund die Akzeptanz der Erkrankung und die sofortige, möglichst dem Alltagsleben des Patienten angepasste Insulintherapie.
Bei Typ-2-Diabetikern gilt es zunächst, das Wesen der Erkrankung nahezubringen und die Möglichkeiten der Therapie aufzuzeigen. Begleiterkrankungen – meist bestehen neben dem Diabetes weitere Erkrankungen (Multimorbidität) – spielen eine besondere Rolle bei der Entwicklung eines Typ-2-Diabetes, insbesondere im Hinblick auf mögliche Folgeerkrankungen.
Also müssen diese gleichzeitig angegangen und bei der Therapie des Diabetes berücksichtigt werden. Eine besondere Herausforderung sind dabei die Gewichtsentwicklung der Patienten, deren Ernährungs- und Bewegungsverhalten – sowie soziale, berufliche und ökonomische Probleme, die den Erfolg einer Therapie beeinflussen können.
Ein multiprofessionelles Team muss her sofort nach der Diagnose eines Typ-1-Diabetes bei einem Kind – die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten müssen vor allem geschult werden in medizinischer und psychosozialer Hinsicht. Das ist unverzichtbar, auch wegen der Langzeitprognose! Nach verschiedenen Studien sind dazu etwa 30 Unterrichtseinheiten erforderlich – dies kann in der Regel nur von einem Diabeteszentrum für Kinder und Jugendliche geleistet werden (stationär oder ambulant).
Eine Rolle spielen hier medizinische Aspekte: optimale Insulineinstellung, Auswahl des Insulins, Spritztechnik, Selbstinjektion etc. Und vor allem spielt eine Rolle auch die psychologische Unterstützung der Eltern in dieser Phase. Kinderarzt, Diabetologe, Psychologe, Pädagoge etc. müssen sich gemeinsam dieser Aufgabe stellen. Viel Spezialwissen von den Beteiligten und besonders Geduld erfordern die individuelle Schulung der Kinder entsprechend ihrer Altersstufe sowie die Abstimmung der intensivierten Insulintherapie (bzw. Insulinpumpentherapie) auf das Leben des Kindes.
Das Risiko während einer Schwangerschaft für Mutter und Kind ist auch heute noch bei Diabetes erhöht. Bei nur ca. 1 Prozent aller betroffenen Frauen ist vor der Schwangerschaft die Diagnose Typ-1- oder Typ-2-Diabetes bekannt. Ein Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) ist mit etwa 22.000 Frauen pro Jahr sehr viel häufiger.
Die Kindessterblichkeit und auch das Missbildungsrisiko sind bei Schwangeren mit Diabetes um das 3- bis 5-Fache erhöht; ebenso ist langfristig auch das Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes nach der Schwangerschaft deutlich erhöht. Also müssen Gynäkologe und Diabetologe gemeinsam und unbedingt rechtzeitig behandeln. Auch die langfristige Betreuung ist gemeinsame Aufgabe eines Gynäkologen und eines Diabetologen.
Aufgrund der HAPO-Studie 2009 wurden neue Grenzwerte für den oralen Glukosetoleranztest in der Schwangerschaft festgelegt: Wenn nur einer der Werte überschritten ist, besteht ein Diabetes (s. Abb. 4)! Die Therapie besteht nach den Leitlinien aktuell in der Gabe von Insulin. Und direkt sollte man an einer intensiven Schulung teilnehmen: Dort sind die Themen dann regelmäßige, engmaschige Blutzuckerselbstkontrollen, die Selbstinjektion, regelmäßige Mahlzeiten.
Auch wenn die Diagnose eines Typ-1-Diabetes im Erwachsenenalter in der Regel keinen Schock mehr auslöst, herrscht oft Betroffenheit ob der Notwendigkeit, sich ab sofort lebenslänglich Insulin spritzen zu müssen. Manchen Menschen macht auch regelrecht Angst, dass nun notwendig ist, vor jeder Mahlzeit abschätzen zu müssen: Wie viele Kohlenhydrate enthält das, was ich essen will? Und: Wie viel Insulin muss ich dafür spritzen?
Die Angst kann meist genommen werden durch eine sofortige Schulung mit Unterweisung in der Spritztechnik und der Blutzuckerselbstmessung sowie dem Umgang mit Insulin, Nahrungsmitteln und Bewegung. Leisten kann dies in der Regel nur die diabetologische Schwerpunktpraxis mit ihren unterschiedlich ausgebildeten Mitarbeitern, in Kooperation mit den entsprechenden Fachkollegen.
Im Rahmen einer Erstmanifestation mit ketoazidotischer Entgleisung (sehr hohen Blutzuckerwerten und einer Übersäuerung des Körpers) erfolgt die primäre Behandlung meist im Krankenhaus – hoffentlich mit einer diabetologischen Station und entsprechendem Personal.
Auch im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme ist die Behandlung eines Typ-1-Diabetikers im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll – am besten als Anschlussrehabilitation (AHB): Denn hier hat man in der Regel genügend Zeit für eine umfassende Schulung (meist 3 Wochen), und Üben ist quasi unter Beobachtung möglich – und damit zum Beispiel ohne Angst vor Unterzuckerungen.
Die langfristige Betreuung erfolgt sinnvollerweise ebenfalls beim oder in Kooperation mit einem Diabetologen.
Nächste Seite: Wie der Ablauf nach der Typ-2-Diabetes-Diagnose ist und wann ein Neurologe konsultiert werden sollte.
Patienten mit neuentdecktem Typ-2-Diabetes (Erwachsene ca. 300.000 pro Jahr, Kinder/Jugendliche 200 bis 300 pro Jahr) werden entsprechend den Leitlinien mit Ernährung, Bewegung und Metformin behandelt, wobei nicht selten frühzeitig weitere Medikamente gegeben werden müssen – trotz einer vernünftigen Ernährungsberatung und konkreter Bewegungsempfehlungen. Die Behandlung vor allem von übergewichtigen Typ-2-Diabetikern ist eine Herausforderung, die meist primär vom Hausarzt angenommen wird. Dieser hat in der Regel auch die Diagnose gestellt.
Wir wissen, dass durch eine gute Blutzuckereinstellung von Anfang an und rechtzeitiger Behandlung (s. Abb. 5) von Begleiterkrankungen Komplikationen reduziert werden können – an den großen wie an den kleinen Blutgefäßen. Jedoch wird die Unterzuckerungsgefahr für die Betroffenen erhöht durch eine Behandlung mit Insulin, Sulfonylharnstoffen (wie Glibenclamid, Glimepirid) und Gliniden (Repaglinid, Nateglinid) – außerdem führen sie häufiger zu einer Gewichtszunahme.
Genau diese beiden Nebenwirkungen (Unterzuckerungen und Gewichtzunahme) wollen wir möglichst vermeiden! Deshalb sollten zum Erreichen der individuellen Therapieziele eines Patienten eher die neuen inkretinbasierten Medikamente (DPP-4-Hemmer) eingesetzt werden (zumindest am Anfang). Die Ergebnisse der STENO-2-Studie zeigten, dass durch eine intensivierte Therapie Diabetes-Folgeerkrankungen bei Typ-2-Diabetikern reduziert werden konnten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Erblindungen und Amputationen sowie auch die Sterblichkeitsrate.
Diese Aufgabe, vor allem aber die fachgerechte Schulung, überfordert meist die Mitarbeiter des Hausarztes – es sei denn, er hat eine Diabetesassistentin oder -beraterin in der Praxis beschäftigt. Hat der frisch entdeckte Typ-2-Diabetiker keine Folgeerkrankungen, kann die anfängliche Therapie sicher beim Hausarzt stattfinden.
Die Inanspruchnahme eines Diabetologen und seines Teams wird aber meist erforderlich, wenn es um Schulung geht oder um Unterrichtung in der Spritztechnik (GLP-1-Analoga, Insulin), der Blutzuckermessung sowie der Ernährung, um komplexe Therapieentscheidungen und womöglich auch um die Erstellung eines Trainingsplans – es sei denn, der Hausarzt ist selbst auch Diabetologe mit einem entsprechenden Schulungsteam.
Auch bei Typ-2-Diabetikern ist nicht zu unterschätzen die anfängliche Weichenstellung bezüglich der richtigen Therapie – vor allem durch die Motivation durch das Schulungs- und Behandlungsteam!
Wenn der Blutzucker entgleist (Langzeitwert (HbA1c) > 7,5 Prozent), ist jede Form der Insulintherapie möglich wie intensivierte oder konventionelle Therapie; orale Antidiabetika allein senken hier den stark erhöhten Blutzucker nur ungenügend – zumindest vorübergehend ist also eine Kombination von oralen Antidiabetika mit Insulin notwendig. Ist der HbA1c-Wert < 7,5 Prozent, kommen nach den Leitlinien viele Kombinationen oraler Antidiabetika in Frage.
Bei starkem Übergewicht ist eventuell eine sofortige Kombination mit einem GLP-1-Analogon sinnvoll oder sogar notwendig – noch bevor Insulin eingesetzt wird (wegen des Gewichts!). Das Behandlungsschema der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) sehen Sie links!
Der Typ-2-Diabetes wird oft zu spät und eher zufällig entdeckt – viele Betroffene haben dann schon Folgeerkrankungen im Rahmen eines Metabolischen Syndroms entwickelt: Fettstoffwechselstörungen (Dyslipidämien) und Bluthochdruck (Hypertonie) müssen sofort, zielgerichtet und individuell behandelt werden – unter Berücksichtigung des Diabetes als Grunderkrankung und aktueller Studienergebnisse. Ein erfahrener Hausarzt (Facharzt für Allgemeinmedizin bzw. Internist) kann dies sicher auch leisten.
Sind schon Augenveränderungen (Retinopathie), Nierenveränderungen (Nephropathie) und Nervenschäden (Neuropathie) vorhanden, sollten möglichst bald fachärztliche Untersuchungen erfolgen. Die Untersuchung gerade der Netzhaut etc. sollte unmittelbar nach Diagnosestellung beim Augenarzt erfolgen.
Eine Untersuchung beim Neurologen oder Orthopäden ist erforderlich bei Symptomen, die nicht diabetestypisch sind (Kribbeln, Ameisenlaufen, Schmerzen bzw. Einseitigkeit der Symptome etc.) und vor allem zur Differentialdiagnostik (z. B. zum Ausschluss eines Bandscheibenschadens).
Eine nephrologische Vorstellung ist erforderlich, wenn bei der Diagnose Diabetes bereits eine Makroalbuminurie (Eiweißausscheidung > 300 mg/24 Std. im Urin) besteht und die Nierenwerte in der Blutuntersuchung erhöht sind (z. B. Kreatinin) – bzw. die Filtrationsleistung der Niere (GFR) eingeschränkt ist.
Die Nierenveränderungen sind bei Typ-2-, anders als bei Typ-1-Diabetikern, meist nicht primär durch die Blutzuckererhöhungen bedingt, sondern durch die Begleiterkrankungen (Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen). Wie findet man Folgen solcher Begleiterkrankungen bei Typ-2-Diabetikern?
Unbedingt erforderlich sind klinische Untersuchungen, um andere Krankheiten ausschließen zu können wie die Schaufensterkrankheit (periphere arterielle Verschlusskrankheit, pAVK). Auch die Messung des Blutdrucks an Armen und Beinen und das Berechnen des Verhältnisses dieser Werte zueinander (ABI-Messung) ist sinnvoll bzw. erforderlich – dies insbesondere dann, wenn Sie rauchen und/oder Erektionsstörungen haben; die Untersuchungen führt in der Regel der Hausarzt durch.
Weitergehende Untersuchungen sind in der Regel dem Spezialisten vorbehalten: Duplex-Untersuchung der Beine (Angiologe/Kardiologe), der Halsschlagadern (Angiologe/Neurologe) und der Herzkranzgefäße mittels Koronarangiographie/Echokardiographie (Kardiologe). Der Spezialist ist auch wegen eines evtl. schon stattgehabten stummen Herzinfarktes gefragt oder bzgl. der Diagnose einer pAVK und/oder Neuropathie.
Das Problem ist, dass die pAVK selten oder gar nicht (1 von 10 Patienten) die klassischen Symptome der Schaufensterkrankheit verursacht – eine Neuropathie kann die Symptome kaschieren. Außerdem verursacht die pAVK selbst oft polyneuropathische Beschwerden.
Nächste Seite: Das Vorgehen bei Diabetischem Fußsyndrom, Sexualstörungen, Haut- und Augenerkrankungen.
Neben der allgemeinen internistischen Basisuntersuchung ist die Untersuchung des Gefäßstatus und des neurologischen Status unabdingbar – beim Allgemeinarzt oder Diabetologen. In mehr als 50 Prozent ist ein Nervenschaden ursächlich, in 10 bis 15 Prozent eine arterielle Verschlusskrankheit und in 30 Prozent eine Kombination aus beidem. Auch die Behandlung sollte wenn möglich interdisziplinär erfolgen: Hausarzt, Neurologe, Diabetologe, Angiologe, Chirurg, Podologe.
Die rechtzeitige und stadiengerechte Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms z. B.im Rahmen eines Fußnetzes führt zu einer Reduktion der Häufigkeit von Amputationen, da hier interdisziplinär kooperiert wird.
Sind diese zu Beginn der Diabeteserkrankung schon vorhanden oder sogar schon länger bekannt, haben diese beim Typ-1-Diabetiker in der Regel nichts mit dem Diabetes selbst zu tun. Sexualstörungen bei Typ-1-Diabetikern treten in der Regel erst auf in den Folgejahren nach der Diagnose – meist in Form einer autonomen Neuropathie (durch erhöhte Blutzuckerwerte).
Bei Typ-2-Diabetikern hingegen können diese bereits Ausdruck einer Durchblutungsstörung sein – zum Beispiel der Beckenarterien und damit auch der Geschlechtsorgane, die sich über Jahre hinweg langsam im Rahmen des Metabolischen Syndroms entwickelt hat. Eine korrekte Diagnose ist daher bei Typ-1- wie bei Typ-2-Diabetikern nur durch eine fachübergreifende Untersuchung möglich: Urologe/Angiologe bzw. auch Gynäkologe und Diabetologe.
Sichtbare Schleimhäute und auch die Haut sind bei erhöhten Blutzuckerwerten deutlich anfälliger gegenüber Infektionen (Viren, Bakterien, Pilzen) als bei normalen Blutzuckerwerten. Auch Wundrosen (Erysipele/Streptokokken) treten häufiger auf – meist am Unterschenkel. Diese Hautveränderungen sollten unmittelbar nach der Diagnose Diabetes von einem Hautarzt (Dermatologen) angesehen und behandelt werden.
Tipp für Ihre Angehörigen: Bei unklaren Hautveränderungen ohne Diabetes sollte man auch mal nach dem Blutzucker sehen! Spezielle Hauterkrankungen (zum Beispiel Necrobiosis lipoidica) treten in der Regel erst später im Verlauf eines Diabetes auf.
Damit nach der Diagnose eines Diabetes mellitus die betroffenen Patienten auch optimal und fachgerecht behandelt werden, müssen Ärzte in der Regel fachübergreifend zusammenarbeiten – sowohl in der Akutphase als auch besonders in der nachfolgenden Langzeit-Betreuung. Dabei dürfen psychische und auch soziale Belange nicht außer Acht gelassen werden.
Die anfangs oft auftretenden Unsicherheiten im Umgang mit dem Diabetes lassen sich meist mindern oder sogar beheben – durch regelmäßige Schulungen mit Auffrischung und Aktualisierung des Erlernten sowie praktische Übungen mit und an der Seite eines erfahrenen Diabetes-Teams.
Mikrovaskuläre Schäden (Schäden der kleinsten Gefäße) am Augenhintergrund (Netzhaut) eines Diabetikers sind immer eine spezielle Bedrohung – die drohende Gefahr der Erblindung erfordert neben einer guten Blutzuckereinstellung auch die rechtzeitige Diagnose insbesondere der symptomlosen frühen Stadien der Retinopathie. Die Netzhautschädigung ist kein Spätsyndrom (wie eine Studie namens DCCT bei Typ-1-Diabetikern zeigte): Eine hohe Erkrankungshäufigkeit findet sich bereits während der ersten fünf Behandlungsjahre!
Bei Typ-2-Diabetikern ist noch häufiger bereits zu Beginn bzw. Feststellung ihres Diabetes (der genaue Beginn ist oft nicht so genau bekannt!) schon eine Retinopathie vorhanden. In der Studie UKPDS hatten bereits 35 Prozent der Patienten bei Diagnosestellung eine Retinopathie. Diabetiker mit Retinopathien haben ein stark erhöhtes Sterblichkeitsrisiko – Typ-2-Diabetiker aufgrund des Alters und der Begleiterkrankungen stärker als Typ-1-Diabetiker.
Fazit: Typ-1-Diabetiker sollten spätestens nach 5 Jahren (Leitlinie), Typ-2-Diabetiker unmittelbar nach Diagnosestellung zur augenärztlichen Untersuchung gehen!
Nächste Seite: Auf Herz und Nieren – Untersuchungen beim Nephrologen und Kardiologen.
Die diabetische Mikroangiopathie gehört zu den wichtigsten Komplikationen des Typ-1- und Typ-2-Diabetes (in 25 bis 40 Prozent). Außerdem ist sie aktuell die häufigste Ursache für die terminale Niereninsuffizienz, also dem endgültigen Versagen der Nierenfunktion, bei dem nur noch die Dialyse helfen kann. Für deren Entstehung sind Faktoren des Stoffwechsels und des Blutkreislaufs verantwortlich. Die Diagnose wird anhand des Albumins, eines bestimmten Eiweißes, im Urin als oft erstem Hinweis auf eine Nierenschädigung gestellt.
Bei Typ-1-Diabetikern findet sich typischerweise oft gleichzeitig auch eine Retinopathie; bei Typ-2-Diabetikern ist dieser Zusammenhang nicht so klar. Deshalb erfolgt in der Regel die zusätzliche Bestimmung sowohl des Serum-Kreatinins im Blut als auch der glomerulären Filtrationsrate (GFR) . Darüber hinaus zeigen Studien, dass die frühzeitige Einbindung eines Nephrologen zu einer Prognoseverbesserung führt.
Eine anhaltende Mikroalbuminurie von 30 bis 300 mg/24 Stunden im Urin stellt ein hohes Risiko für die Entstehung eines chronischen, nicht mehr rückgängig zu machenden Nierenschadens dar. Der zweimalige Nachwies einer Mikroalbuminurie im Morgen-Urin unter standardisierten Bedingungen zeigt einen beginnenden Nierenschaden an.
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) kommt sehr häufig auch im Zusammenhang mit Typ-2-Diabetes vor – die Patienten sterben meist an Herz-Kreislauf-Komplikationen. Da die meisten Patienten beim Gehen keine typischen Beschwerden haben, bleibt die pAVK oft lange unentdeckt.
Die ABI-Messung (Ancle-Brachial-Index, Knöchel-Arm-Index) mittels Doppler-Druck-Messung sollte bei Typ-2-Diabetikern neben der klinischen Untersuchung zum Standard gehören, egal ob beim Hausarzt, Angiologen, Diabetologen, Kardiologen; dies insbesondere bei übergewichtigen Typ-2-Diabetikern mit ausgeprägten Begleiterkrankungen (Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck etc.) – denn diese sind ursächlich für die Entstehung der Gefäßschäden verantwortlich.
Untersucht werden sollten speziell auch bei übergewichtigen Typ-2-Diabetikern mit Bluthochdruck und einer Fettstoffwechselstörung zusätzlich noch die Durchblutung der hirnversorgenden Arterien, um durch eine entsprechende Therapie einem Schlaganfall zuvorzukommen – sprechen Sie mit Ihren Ärzten hierüber! Diese Untersuchungen führt in der Regel ein Neurologe (Nervenfacharzt) durch – sie können auch durchgeführt werden (im Rahmen eines Screenings) von einem in der Ultraschall-Technik erfahrenen Arzt (Internisten/Allgemeinarzt) oder Gefäßspezialisten (Angiologen, Kardiologen).
Bestehen auch nur die geringsten Hinweise auf eine koronare Herzerkrankung (Erkrankung der Herzkranzgefäße), sollte die Mitbehandlung durch einen kardiologisch versierten Arzt (z. B. Kardiologen) erfolgen. Ein “normales” EKG und fehlende typische Angina-pectoris-Beschwerden reichen nicht aus, eine Erkrankung auszuschließen (stummer Infarkt). Unklare Luftnot bei Belastung, aber auch atypische Symptome wie Kieferschmerzen, Sodbrennen, Rücken- oder Bauchschmerzen sollten beachtet werden.
Die typischen Symptome des Diabetes sind symmetrisch an den Füßen (sockenförmig) oder Händen (handschuhförmig) und treten meist auf in Form von Ameisenlaufen, Kribbeln, Missempfindungen. Eine Besserung ist anfangs noch durch eine Optimierung der Blutzuckereinstellung erreichbar auch ohne spezielle Therapie. Bestehen die Beschwerden jedoch schon länger oder auch einseitig (!), muss immer differentialdiagnostisch auch gedacht werden z. B. an eine Enge des Rückenmarkkanals (Orthopäde), einen Bandscheibenvorfall (Orthopäde) oder auch eine periphere AVK (Angiologe).
Eine Dauertherapie mit Schmerzmitteln, Antidepressiva oder Antikonvulsiva (z. B. Lyrica), Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (z. B. Cymbulta) sollte unbedingt mit dem Diabetologen wegen der möglichen Nebenwirkungen abgesprochen werden.
Kontakt:
Internist/Angiologe/Diabetologe, Chefarzt Deegenbergklinik, Burgstraße 21, Tel.: 09 71 / 8 21-0 sowie Chefarzt Diabetologie Klinik Saale (DRV-Bund), Pfaffstraße 10, Tel.: 09 71 /8 5-01, 97688 Bad Kissingen
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2012; 61 (1) Seite 20-29
5 Minuten
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Beliebte Themen
Ernährung
Aus der Community
Push-Benachrichtigungen