Diabetische Nephropathie: Die Nieren bei Diabetes im Auge behalten

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Diabetische Nephropathie: Die Nieren bei Diabetes im Auge behalten | Foto: SewcreamStudio - stock.adobe.com
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Diabetische Nephropathie: Die Nieren bei Diabetes im Auge behalten

Über die Nieren gibt der Körper mit dem Urin zum einen Flüssigkeit ab, aber auch Gift- und Abbaustoffe des Körpers. Ihre Funktion ist deshalb extrem wichtig. Doch ein Diabetes (diabetische Nephropathie), aber auch andere Erkrankungen, können ihre Funktion beeinträchtigen.

Erkrankungen der Nieren bei Menschen mit Diabetes können durch den Diabetes selbst entstehen. Es gibt aber auch Nieren-Erkrankungen, die unabhängig vom Diabetes auftreten. Ein erhöhter Blutdruck kann die Nieren schädigen. Sie kann aber auch entzündet sein (Glomerulonephritis). Arzneimittel, wie Schmerztabletten, können sich ebenfalls negativ auf die Funktion der Nieren auswirken.

Etwa 30 bis 45 Prozent aller Menschen mit Typ-1- und etwa 30 Prozent aller Menschen mit Typ-2-Diabetes entwickeln nach einer Diabetesdauer von etwa zehn bis 30 Jahren einen diabetischen Nierenschaden (diabetische Nephropathie). Das gleichzeitige Vorhandensein einer Netzhaut-Schädigung durch den Diabetes (diabetische Retinopathie) untermauert in der Regel bei Menschen mit Typ-1-Diabetes den ursächlichen Zusammenhang mit dem Diabetes. Liegt eine diabetische Nephropathie vor, haben Menschen mit Diabetes ein deutlich erhöhtes Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Das Fallbeispiel: Schwellungen der Beine und Eiweiß im Urin

Constantin H., 64 Jahre alt, 112 kg bei 1,72 m, hat seit etwa drei Jahren einen Typ-2-Diabetes, den er mit Tabletten (Metformin) behandelt. Durch ein Umstellen der Ernährung und mehr Bewegung hat er mittlerweile 10 kg abgenommen und ein HbA1c von 6,4 % erreicht. Bei Diagnose lag es bei 8,6 %.

Ein seit etwa 20 Jahren bekannter Bluthochdruck mit zu hohen systolischen (oberen) Werten zwischen 160 und 180 mmHg und diastolischen (unteren) Werten zwischen 98 und 105 mmHg über viele Jahre, trotz Therapie, hat sich ebenfalls etwas gebessert. Die erhöhten Blutfette haben sich auch leicht reduziert.

Wegen neu aufgetretener Schwellungen im Bereich der Augenlider, aber auch der Unterschenkel- und Knöchelregion und einer sich ihm nicht erklärbaren Müdigkeit stellt er sich bei seinem Hausarzt vor. Dieser stellt einen erhöhten Kreatinin-Wert im Blut fest und bei einer Urin-Untersuchung größere Mengen von Eiweiß.

Constantin H. wird von seinem Hausarzt sofort zu einem Nierenfacharzt (Nephrologen) zur weiteren Diagnostik und Behandlung überwiesen.

Die Diagnose diabetische Nephropathie gilt bei Menschen mit Typ-1-Diabetes als gesichert, wenn wie erwähnt nach einer längeren Diabetesdauer folgende Befunde erhoben werden:

  • Spuren von Eiweiß im Urin (Mikroalbuminurie) oder Eiweiß-Ausscheidung im Urin (Proteinurie),
  • Bluthochdruck (arterielle Hypertonie),
  • abnehmende Nierenfunktion, gemessen als glomeruläre Filtrationsrate (GFR) oder geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (estimated GFR, eGFR).

Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes findet man dagegen nur in etwa 30 Prozent der Fälle typische diabetische Veränderungen an den Nieren. Meist steckt ein Bluthochdruck oder eine Verkalkung der Gefäße (Atherosklerose) durch Fettstoffwechsel-Veränderungen dahinter. Dies hat natürlich Konsequenzen für eine passende Behandlung.

Ursachen und Verlauf

Die Entwicklung eines Nierenschadens verläuft beim Typ-1-Diabetes in fünf typischen Stadien, beim Typ-2-Diabetes oft abweichend davon. Deshalb klassifiziert man den Schaden bei beiden aufgrund der Eiweiß-Ausscheidung sowie der geschätzten glomerulären Filtrationsrate, unabhängig von der Grunderkrankung. Die ersten Stadien werden dabei manchmal unterschätzt, da anfangs die Niere sogar besonders gut arbeitet. Dann ist die GFR eher hoch, scheinbar also „gut“. Eine rasche Zunahme der Eiweiß-Ausscheidung im Urin lässt ein rasches Fortschreiten eines Nierenschadens erkennen.

Bei der „klassischen diabetischen Nierenschädigung“ liegt ein Schaden der feinen Blutgefäße in den Nierenkörperchen (Glomerula) vor, ausgelöst durch lange erhöhte Blutzuckerwerte. Durch Ablagerungen von z. B. Zucker und Eiweiß-Verbindungen in den Gefäßen werden die Gefäßwände durchlässig, sodass Eiweiß in den Urin übertreten kann. Langfristig wird so die Durchblutung der Nieren gestört, was indirekt die wichtige Filter-Leistung der Niere reduziert. Nach ihren Erstbeschreibern wird die charakteristische Form der Nierenschädigung beim Typ-1-Diabetes als Kimmelstiel-Wilson-Nephropathie bezeichnet.

Risikofaktoren für einen Nierenschaden

Bei der diabetischen Nephropathie unterscheidet man zwischen beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Risikofaktoren.

Beeinflussbare Risikofaktoren sind:

  • erhöhter Blutdruck,
  • Rauchen,
  • erhöhtes LDL-Cholesterin und erhöhte Triglyzeride (Neutralfette) im Blut,
  • Übergewicht.
  • Nicht beeinflussbare Risikofaktoren sind:
  • Beginn des Diabetes in der Jugend,
  • Dauer der Diabetes-Erkrankung,
  • steigendes Lebensalter,
  • vorhandene Retinopathie,
  • Vererbung (z. B. Nieren- und/oder Herz-Erkrankungen in der Familie).

Eine diabetische Nephropathie kommt schleichend

Eine diabetische Nephropathie verläuft zu Beginn meist ohne Beschwerden, die Schädigung kommt schleichend. Eiweiß im Urin und ein Anstieg des Kreatinin-Werts im Blut, der die Funktion der Nieren anzeigt, werden oft zufällig entdeckt. Bei fortgeschrittenem Schaden sind körperliche Symptome möglich wie rasche Ermüdbarkeit und Erschöpfung, Juckreiz am ganzen Körper, Muskelkrämpfe, Wasser-Einlagerungen (Ödeme) an Beinen, Füßen und Augen sowie Übelkeit.

Eine diabetische Nephropathie feststellen

Nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) sollten regelmäßig Untersuchungen auch in Bezug auf eine Nieren-Schädigung stattfinden: bei Menschen mit Typ-1-Diabetes erstmals fünf Jahre nach Diabetes-Diagnose und dann einmal jährlich, bei Menschen mit Typ-2-Diabetes einmal jährlich beginnend direkt nach Diabetes-Diagnose. Wie hoch das individuelle Risiko ist, lässt sich anhand der KDIGO-Kriterien ermitteln (zu finden online in der Praxisempfehlung Nephropathie unter t1p.de/da2511mva). KDIGO steht für „Kidney Disease: Improving Global Outcomes“, also „Nieren-Erkrankung: Globale Ergebnisse verbessern“.

Wie beschrieben, wird für die Diagnose die Ausscheidung von Albumin bzw. Eiweiß im Urin gemessen. Außerdem wird die eGFR bestimmt. Sinnvoll sind auch das Bestimmen des Albumin- bzw. Protein/Kreatinin-Quotienten, also des Verhältnisses der Konzentrationen von Albumin bzw. Eiweiß und Kreatinin im Urin. Zu beachten ist, dass die Eiweiß-Ausscheidung im Urin fälschlich zu hoch sein kann durch eine hohe Zufuhr von Eiweiß, intensive körperliche Betätigung, Harnwegsinfekte und Fieber. Zusätzlich kann das körpereigene Protein Cystatin C im Blut zum Messen der Nierenfunktion bestimmt werden, das weitgehend unabhängig von der Muskelmasse eines Menschen ist.

Tab. 1: Stadien der Albumin-Ausscheidung im Urin

Stadium der Albumin-Ausscheidung im Urin (Albuminurie) Albumin-Ausscheidung im Urin (mg/dl) Bewertung
A1
unter 30
normaler bis leichter Anstieg
A2
30 – 300
moderater Anstieg, Mikroalbuminurie
A3
über 300
starker Anstieg, Makroalbuminurie

Dem Entstehen und Fortschreiten vorbeugen

Während bei Menschen mit Typ-1-Diabetes für das Fortschreiten des Nierenschadens die Situation des Glukosestoffwechsels die entscheidende Rolle spielt, müssen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes der Blutdruck und die Blutfette gut eingestellt sein und, wenn Übergewicht vorliegt, eine Gewichtsreduktion angestrebt werden. Um einem Nierenschaden vorzubeugen, sollte ein HbA1c-Wert zwischen 6,4 und maximal 8,0 % bzw. 48 und 58 mmol/mol angestrebt werden. Liegt bereits eine Schädigung der Nieren vor, wird ein HbA1c-Wert um 7 % bzw. 53 mmol/mol empfohlen, um ein Fortschreiten zu verhindern.

Um diese Ziele zu erreichen, sind auch Basismaßnahmen wichtig. Zu diesen gehören eine Gewichtsreduktion, das Normalisieren des Blutdrucks und der Fettwerte im Blut, regelmäßige körperliche Aktivität, eine gesunde (mediterrane) Mischkost, ein Rauch-Verzicht und das Vermeiden von regelmäßiger Einnahme von Schmerzmitteln (auch frei verkäuflichen).

Medikamente können Nieren schützen

Medikamente können den Verlauf der Nierenschädigung günstig beeinflussen. Neben den seit Langem bekannten Medikamenten-Gruppen der Renin-Angiotensin-Aldosteron-Hemmer (RAAS-Hemmer) wie ACE-Hemmer und AT1-Rezeptor-Blocker spielen SGLT-2-Hemmer (Sodium-Glukose-Co-Transporter-2-Hemmer) wie Empagliflozin und Dapagliflozin und auch begrenzt die GLP-1-Rezeptor-Agonisten (Glucagon-like-Peptide-1-Rezeptor-Agonisten) wie Liraglutid und Semaglutid eine zunehmend wichtige Rolle (siehe Tabelle 2).

Tab. 2: Medikamente zum Vorbeugen bzw. Behandeln einer diabetischen Nephropathie

Anwendung Medikamentengruppe (Wirkstoffe)
Behandlung einer Fettstoffwechsel-Störung
  • Statine (z.B. Atorvastatin, Rosuvastatin)
Behandlung eines Bluthochdrucks
  • ACE-Hemmer (z.B. Lisinopril, Ramipril)
  • AT1-Rezeptor-Blocker (Sartane; z. B. Candesartan, Telmisartan)
Hemmung des Fortschreitens einer Nierenschädigung
  • Renin-Angiotensin-Aldosteron-Hemmer (z.B. Captopril, Finerenon)
  • AT1-Rezeptor-Blocker (z.B. Candesartan)
  • SGLT-2-Hemmer (z. B. Empagliflozin, Dapagliflozin) bei Typ-2-Diabetes
  • GLP-1-Rezeptor-Agonisten (z.B. Semaglutid) bei Typ-2-Diabetes mit Übergewicht

Zusammenfassung

Die Kombination von Diabetes und einer Nierenschädigung hat oft extreme Folgen für den weiteren Lebensweg eines Menschen, wenn sie nicht rechtzeitig entdeckt und behandelt wird. Es gibt aktuell mehr denn je Möglichkeiten, ein Fortschreiten der Nephropathie zu reduzieren, um ein Nierenversagen mit der Notwendigkeit der Blutwäsche (Dialyse) oder Nieren-Transplantation zu verhindern. Die Therapie kann jedoch nur greifen, wenn die Diagnose rechtzeitig gestellt wird. Unabhängig davon sollte jede und jeder Betroffene ein möglicherweise die Gesundheit schädigendes Verhalten täglich neu überdenken und gegebenenfalls ändern.


von Dr. Gerhard-W. Schmeisl

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Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 74 (11) Seite 34-37

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