Diagnose Schwangerschaftsdiabetes – Fragen an eine Diabetesberaterin

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Diagnose Schwangerschaftsdiabetes – Fragen an eine Diabetesberaterin

Seitdem ich schwanger bin, dreht sich bei mir vieles um dieses Thema, klar. Als „Digital Native“ treibe ich mich zusätzlich viel in sozialen Netzen umher und schnappe viel auf. Dabei ist mir auch aufgefallen, wie häufig das Thema Schwangerschaftsdiabetes auftritt. Oft wollte ich den Menschen gerne mit meinem Diabeteswissen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Doch ich merkte schnell, dass ein Schwangerschaftsdiabetes nochmal eine ganz andere Liga ist und ich trotz meiner 20-jährigen Diabetesdauer keine oder nur wenig Ahnung hatte. Das ließ mir keine Ruhe. Also habe ich mich mit meinen Fragen an meine Diabetesberaterin gewandt und sie mit Fragen bombardiert. Martina Breßler ist Diabetesberaterin DDG und Diätassistentin in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis in Kassel und kennt sich dementsprechend mit Schwangerschaftsdiabetes aus.

Quelle: https://www.diabetespraxis-kassel.de

Die Ursache von Schwangerschaftsdiabetes

Hallo Frau Breßler. Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen. Ich fange einfach mal direkt an: Wie genau kommt es denn zu einem Schwangerschaftsdiabetes?

Hallo Lisa! Ein Schwangerschaftsdiabetes ist eine erstmals in der Schwangerschaft diagnostizierte Glukosetoleranzstörung. Es kann sich aber auch um einen bisher nicht erkannten Typ-2-Diabetes handeln. Die Diagnose schließt sogar eine erstmalige Typ-1-Manifestation nicht aus.

Hmm. Das habe ich nun auch schon ein paar Mal mitbekommen. Aber kann man Schwangerschaftsdiabetes dann vorbeugen?

Natürlich nicht in jedem Fall, aber ansonsten ja. Bei positiver Familienanamnese kann ein Vermeiden von Übergewicht, eine gesunde, normalkalorische Ernährung und ausreichend Bewegung helfen.

Das bedeutet dann auch, dass es „Risikopatienten“ bzw. „Risikofaktoren“ gibt? Also Frauen, die mehr gefährdet sind, einen Schwangerschaftsdiabetes zu entwickeln?

Ja, zum Beispiel Frauen, die älter als 25 Jahre sind, ein BMI von über 27 oder, wenn es Verwandte 1. Grades mit Diabetes mellitus gibt.

Wie wird ein Schwangerschaftsdiabetes in der Regel entdeckt?

Bei allen Schwangeren wird in der 24.–28. SSW ein Screening gemacht. Ohne Screening wird er meist nicht entdeckt. Der Test ist seit Mai 2012 auch Kassenleistung. Bei Risiko-Gruppen wird der Test auch schon im ersten Trimester gemacht. Wenn der Befund negativ ist, wird er in der 24. sowie evtl. ab der 32. Schwangerschaftswoche wiederholt.

Was ist Schwangerschaftsdiabetes?

Und ab wann spricht man von einem Schwangerschaftsdiabetes? Wie sollten die Zielwerte sein?

Zuerst noch: Die Blutentnahme muss venös erfolgen, also nicht mit einem herkömmlichen Hand-Blutzuckermessgerät. Dabei sollten die Werte dann so ausfallen:

nüchtern: <92 mg/dl bzw. 5,1 mmol/l
nach 1h: <180 mg/dl bzw. 10,0 mmol/l
nach 2h: <153 mg/dl bzw. 8,5 mmol/l

Ist mindestens ein erhöhter Wert im venösen Plasma, wird die Diagnose gestellt.

Welche Zielwerte müssen dann während der Schwangerschaft erreicht werden?

Das ist tatsächlich wie bei dir mit deinem Typ-1-Diabetes:

Blutzucker-Zielwerte (Plasma-kalibriertes Messgerät):
nüchtern/präprandial: 65-95 mg/dl bzw. 3,6–5,3 mmol/l
1h postprandial (nach Beginn der Mahlzeit): <140 mg/dl bzw. 7,8 mmol/l
2h postprandial (nach Beginn der Mahlzeit): <120 mg/dl bzw. 6,7 mmol/l

 Auch der HbA1c-Wert sollte im Normbereich, also am besten unter 6,5% liegen. Die Verlaufskontrolle erfolgt monatlich.

Warum ist das Einhalten der Zielwerte so wichtig? Welche Risiken entstehen für Mutter und Kind?

Akute Folgen könnten z.B. sein: Harnwegsinfekt; zu großes Kind, aber noch nicht reif; Bluthochdruck bei der Mutter; wegen fehlender Lungenreife kann es zu Atemproblemen beim Kind kommen; außerdem kann es zu niedrigen Blutzuckerwerten nach der Geburt beim Baby kommen.

Auf lange Sicht gibt es ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und eine spätere Diabetes-Erkrankung beim Kind.

Quelle: Lisa Schütte

Ab wann muss bei einem Schwangerschaftsdiabetes denn mit Insulin begonnen werden?

Wenn nach 1 bis 2 Wochen beim 4-Punkt-Profil 50% der Werte erhöht sind und/oder beim 6-Punkt-Profil der mittlere Blutzucker über 110 mg/dl liegt. Es gibt aber auch noch andere Indikationen. Zum Beispiel bei Ketonurie, einem BMI über 30 sowie bei grenzwertig erhöhter Blutglukose. Dann wird nochmal besonders der Abdomen- und Kopfumfang des Kindes beachtet, wenn diese zu groß sind, könnte das auch ausschlaggebend sein.

Der Verlauf von Gestationsdiabetes

Kann der Schwangerschaftsdiabetes im Verlauf der Schwangerschaft „besser/schlechter“ werden?

Ja, je nachdem, wie konsequent die Therapie durchgeführt wird, können sich die Werte auch stabilisieren. Im Verlauf kann es auch sein, dass mit Insulin begonnen werden muss, je nach Blutzuckerwerten und Kindsentwicklung.

Wie sieht es nach der Schwangerschaft aus: Bleibt der Diabetes? Gibt es ein erhöhtes Risiko, später an Diabetes zu erkranken?

Mit dem Tag der Entbindung ist der Schwangerschaftsdiabetes vorbei, es besteht jedoch ein erhöhtes Risiko, in den Folgejahren einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln.

Das heißt auch, dass es ein erhöhtes Risiko bei nachfolgenden Schwangerschaften gibt?

Ja.

Therapieansätze bei Schwangerschaftsdiabetes

Okay. Wie wird denn nun ein Schwangerschaftsdiabetes therapiert?  Worauf muss geachtet werden? Ernährung, Sport etc.?

Nach der Diagnosestellung sollte sofort eine Überweisung in eine diabetologische Schwerpunktpraxis erfolgen. Bei uns bekommt die Schwangere dann eine regelmäßige Betreuung. Beginnend natürlich mit einem Informationsgespräch. Was ist Schwangerschaftsdiabetes? Welche Risiken und Komplikationen bestehen? Usw. Anschließend gibt es Schulungen, die möglichst flexibel und individuell sind. Eine Ernährungsschulung und Bewegungstherapie spielen dabei eine große Rolle.

Anschließend sollte die Betroffene sofort mit der Blutzucker-Selbstkontrolle beginnen können. Das bedeutet meistens 4-6 Blutzuckertests am Tag. Danach gibt es dann eine Blutzuckerbesprechung, ca. im 2-Wochen-Rhythmus, und der HbA1c-Wert wird alle vier Wochen kontrolliert.

Das ist ja das volle Programm. Dann muss es ja auch Anspruch auf bestimmte Hilfsmittel wie Blutzuckermessgeräte geben?

Ja, Blutzuckermessgeräte sowie die nötigen Teststreifen und Lanzetten werden von den Krankenkassen übernommen.

Wie ist das, wenn die Frau insulinpflichtig ist? Werden nur Pens zur Verfügung gestellt oder können Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes auch CGM- und Pumpensysteme bekommen?

In der Regel werden nur die Insulinpens und Kanülen notwendig.  Eine Insulinpumpe kommt bei uns nie zum Einsatz.

Auch die Indikation für ein CGM-Gerät ist nicht gegeben, da ja meist gar kein Insulin nötig wird und wenn, nur ganz gezielt eingesetzt werden muss.

Liebe Frau Breßler, vielen Dank für das Gespräch. Ich habe eine Menge gelernt. Vor allem, dass sich Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes in manchen Fällen doch gar nicht so sehr von mir selbst unterscheiden. Ich finde es großartig, dass sie so eine gute Betreuung bekommen.


Mehr zu Lisas Schwangerschafts-Story mit Typ-1-Diabetes erfahrt ihr hier: Schwanger mit Typ-1-Diabetes: 10 Dinge, die ich im 1. Trimester gelernt habe. Teil 1

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • darktear antwortete vor 2 Wochen

      Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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