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„Es ist nichts zu fürchten als die Angst“ Ludwig Börne
Schwitzige Hände, Zittern am ganzen Körper, eine taube Zunge, blasses Gesicht, unkonzentrierter Blick, Verwirrung, Stimmungsschwankungen und nicht zuletzt extreme Heißhungerattacken. Mindestens eins dieser Symptome kennt mit Sicherheit jeder von uns: die Unterzuckerung. Und die ist alles andere als angenehm. Unkontrolliert alles in sich hineinstopfen, einfach so lange essen, bis man sich nicht mehr so schwach fühlt, dass kennen wohl die meisten.
Aber manchmal kann uns die Unterzuckerung solch eine Angst machen, dass sie ein Eigenleben entwickelt. Die Angst vor Unterzuckerungen ist nicht selten. Vielen Diabetikern graut es schon so sehr vor den Symptomen einer Unterzuckerung, dass sie diese um jeden Preis verhindern wollen. Das Resultat ist dann meist ein schlechtes HbA1c, weil die Werte absichtlich zu hoch gehalten werden. Oder der Blutzucker wird wahnartig kontrolliert, bald jede 20 Minuten. Das Messgerät wird kaum aus der Hand genommen und immer und überall ist mehr als genug Essen dabei.
Es kann sogar so weit gehen, dass man sich nicht mehr ohne Begleitung aus dem Hause traut oder gar nicht mehr hinausgeht. Ja, sogar Panikattacken können vorkommen. Als sei der Diabetes nicht schon genug, können solche Ängste, sei es vor Unterzuckerungen, Folgeerkrankungen oder anderen Dingen, unser Leben noch ein ganzes Stück weiter einschränken. Wichtig ist dann, dass man seine Angst erkennt und handelt. Sich im besten Falle Hilfe holt.
Habt ihr das Gefühl, dass euch etwas enorm überfordert oder eine Dynamik entwickelt, die ihr nicht mehr kontrollieren könnt, muss man eingreifen. Ich selbst habe die letzen Wochen einiges durchlebt. Nachdem ich zwei schwere Unterzuckerungen hatte, hatte ich plötzlich solche Angst, dass es wieder passiert, dass ich mich nicht mehr hinaus traute.
Ich traute mich nicht mehr aus dem Haus und kontrollierte meinen Blutzucker um die 70 Mal am Tag. Schon bei den kleinsten Anzeichen einer Unterzuckerung fühlte es sich so an, als würde mir jemand die Kehle zudrücken. Mir wurde heiß und schwindelig und meine Gedanken überschlugen sich. In solchen Situation ist es wichtig, dass man über seine Ängste redet. Sei es erst mal mit dem Partner oder gleich dem Diabetologen oder sogar einem Therapeuten.
Ich sprach gleich mit allen darüber und setzte mir von Anfang an kleine Ziele. Meine Angst war neu und gerade das machte mir noch mehr Angst. Aber mir war gleich bewusst, dass ich verhindern muss, dass diese Angst überhandnimmt. Nachdem ich mich eine Woche komplett in mein Schneckenhaus zurückgezogen hatte, fing ich an, meine Fühler auszustrecken. Ich nahm mir kleine Wege draußen vor. Erst mit meinem Partner, dann alleine. Jeden Tag ein Stückchen weiter. Ich machte Sport in der Wohnung und akzeptierte mein Messverhalten, denn ich fühlte mich gut, wenn ich meinen Blutzucker im Blick hatte.
Ich redete mit einem Therapeuten und meiner Diabetologin, die sofort mit mir nach besseren Therapiemöglichkeiten suchte. Bei einer Unterzuckerung setzte sich mein Partner neben mich, nahm mich in den Arm und atmete mit mir zusammen. Nach nur ein paar Wochen konnte ich wieder alleine alle Wege in der Stadt erledigen, Auto fahren und eine Unterzuckerung alleine bekämpfen. Zwar ist da immer noch ein mulmiges Gefühl, wenn sich eine Unterzuckerung nähert, aber es ist okay.
Man darf der Angst erst gar keinen Raum geben zu wachsen. In den letzten 17 Jahren Diabetes hatte ich nie Angst vor Unterzuckerungen, aber als ich nun sah, wie schnell sich so etwas entwickeln kann, schockierte es mich sehr und machte mir wiederum mehr Angst. Eine Angstspirale. Erst ist es nur die Angst vor Unterzuckerungen, irgendwann ist es dann die Angst vor der Angst, und die Auswirkungen werden immer schlimmer. Man steigert sich hinein. Deswegen ist mein Rat an euch: Sobald ihr merkt, dass irgendwas zu groß für euch ist, greift ein. Behaltet die Oberhand und gebt der Angst keine Chance.
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