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Die Nieren erfüllen viele wichtige Aufgaben im Körper. Deshalb ist wichtig, dass sie gut funktionieren. Durch Diabetes können sie aber ihre Funktionsfähigkeit verlieren. Wie man vorbeugt, testet und behandelt, lesen Sie hier.
Im Jahr 2017 registrierte man weltweit etwa 697 Millionen Menschen mit einer chronischen Nierenerkrankung, was einer Erkrankungshäufigkeit von 9,7 Prozent entspricht. Dies ist im Vergleich zum Jahr 1990 ein Anstieg um 29,3 Prozent. Gleichzeitig nahm die Sterblichkeit um 41,5 Prozent zu. Unter einer chronischen Nierenerkrankung versteht man eine dauerhafte Schädigung der Nieren mit einer Abnahme der glomerulären Filtrationsrate (GFR) – also der Flüssigkeitsmenge, die die Niere pro Minute filtert – und/oder einer erhöhten Ausscheidung des Eiweißes Albumin im Urin.
Eine Abnahme der Nierenfunktion gibt es mit zunehmendem Alter. Beschleunigt wird sie durch Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Übergewicht (Adipositas) und natürlich auch eine Erkrankung der Nieren selbst. Verbunden damit ist ein deutlich erhöhtes Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit einer erhöhten Sterblichkeit. Die Diagnose einer chronischen Nierenerkrankung beruht auf festen Kriterien und Klassifikationen, die die zuständigen Fachgesellschaften im Lauf der Jahre immer wieder neu festgelegt haben.
Menschen mit Typ-2-Diabetes
Als beste Kriterien für die Diagnose gelten aktuell die Kreatinin-Konzentration im Blut und das Verhältnis der Ausscheidung von Albumin und Kreatinin im Urin, aus dem Englischen bezeichnet als UACR (Urine Albumin Creatinin Ratio). Diese Werte werden im Abstand von drei Monaten gemessen und mit ihnen das jeweilige Stadium der Nierenerkrankung bestimmt. Als sicherer Hinweis für ein Fortschreiten der Erkrankung gilt eine Abnahme der GFR von mehr als 25 Prozent vom Ausgangswert.
Während es schon lange möglich ist, die GFR aufgrund der Kreatinin-Konzentration im Blut, des Alters, des Geschlechts und der Hautfarbe des Patienten sicher im Labor abzuschätzen – sie heißt dann geschätzte GFR oder aus dem Englischen estimated GFR (eGFR) –, ist das Bestimmen des Albumins im Urin mit einem Teststreifen bisher immer mit einem Fehler behaftet, weil die Urin-Konzentration nicht berücksichtigt wird. Eine weitere Methode, die Filterleistung der Nieren zu untersuchen, ist das Bestimmen des körpereigenen Eiweißes Cystatin C – besonders, wenn noch kein Albumin im Urin nachweisbar ist. Cystatin C wird weniger von äußeren Faktoren wie der Muskel-Ausstattung eines Menschen beeinflusst.
Diabetische Nierenschäden sind die häufigste Ursache in den Industrienationen für eine chronische Nierenschwäche. Etwa 20 bis 40 Prozent aller Menschen mit Diabetes entwickeln sie im Lauf ihrer Erkrankung. Das Risiko dafür ist bei Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes etwa gleich.
Von einer beginnenden diabetischen Nephropathie spricht man, wenn kleinste Spuren von Albumin im Urin (mehr als 30 mg/24 Stunden; Mikroalbuminurie) auftreten oder die eGFR unter 60 ml/min/1,73 m² Körperoberfläche liegt. Mikroalbuminurie und reduzierte eGFR sind als Marker auch wichtig, weil sie mit einer deutlichen Steigerung der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden sind. Dem Auftreten einer Eiweiß-Ausscheidung kann statt einer Abnahme der eGFR eine vorübergehende Steigerung der Filtrationsleistung der Nieren (Hyperfiltration) vorausgehen.
Stadium/Beschreibung | Albumin-Ausscheidung im Urin (mg/24 Stunden) | Kreatinin-Clearance * (ml/min) |
Nierenschädigung mit normaler Nierenfunktion | ||
1a: Mikroalbuminurie | 30 – 300 | über 89 |
1b: Makroalbuminurie | über 300 | |
Nierenschädigung mit Niereninsuffizienz (NI) | ||
2: leichtgradige NI | über 300 | 89 – 60 |
3: mäßiggradige NI | abnehmend | 59 – 30 |
4: hochgradige NI | 29 – 15 | |
5: terminale NI | unter 15 | |
* Blutmenge, die pro Minute von Kreatinin befreit wird; berechnet aus Kreatinin-Konzentration im Blut und im 24-Stunden-Sammelurin, Körpergröße und Körpergewicht |
Die Nierenschädigung, die bei Menschen mit Typ-1-Diabetes auftritt, nennt man wegen der klassischen Veränderungen an den Nieren nach ihrem Erstbeschreiber “Kimmelstiel-Wilson-Nephropathie”. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes können häufig neben dem Diabetes noch andere Erkrankungen die Nieren schädigen, typischerweise Bluthochdruck, Störungen des Fettstoffwechsels und eine erhöhte Harnsäure. Das hat auch Konsequenzen für die Therapie: Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes spielen die Glukosewerte die entscheidende Rolle, um das Fortschreiten aufzuhalten. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes müssen konsequent auch der Blutdruck, die Fettwerte sowie die Harnsäure normalisiert werden.
Menschen mit Typ-1-Diabetes sollten ab dem fünften Jahr nach Beginn des Diabetes mindestens einmal jährlich bezüglich eines chronischen Nierenschadens gescreent werden. Für Menschen mit Typ-2-Diabetes beginnt das Screening unmittelbar nach dem Stellen der Diagnose und sollte dann auch mindestens einmal jährlich erfolgen.
Ist ein diabetischer Nierenschaden aufgetreten, liegt also eine beginnende Nephropathie vor, ist entscheidend, das Fortschreiten zu verhindern. Basismaßnahmen bei Menschen mit Diabetes und beginnender Nierensinsuffizienz sind:
Substanzen, die die Nieren schädigen können, wie Röntgenkontrastmittel, bestimmte Schmerzmittel (nicht steroidale Antirheumatika wie Voltaren, Ibuprofen) sollten möglichst gemieden werden.
Medikamente des “Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems” stehen bei der Therapie einer diabetischen Nephropathie im Vordergrund. Dies sind Medikamente, die an der Nebenniere und in den Wasserhaushalt eingreifen. Sie gehören zu den Wirkstoff-Klassen der ACE-Hemmer und AT1-Rezeptorblocker, oft kombiniert mit einer Therapie zur mäßigen Entwässerung. In diesem Zusammenhang haben sich auch neuere Medikamente zur Behandlung des Typ-2-Diabetes, die SGLT-2-Hemmer, als sehr vorteilhaft erwiesen. Sie können ein Voranschreiten eines diabetischen Nierenschadens verlangsamen. Ihr weiterer Vorteil: Sie können hilfreich sein bei Herzschwäche und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems.
Das klassische Diabetes-Medikament Metformin kann bei einer leichten Niereninsuffizienz in reduzierter Dosis eingenommen werden. Ebenso sind die neueren DPP-4-Hemmer in reduzierter Dosis einsetzbar, einzelne Substanzen sogar bei schwerer Niereninsuffizienz. GLP-1-Rezeptor-Agonisten, die vor allem bei massivem Übergewicht eingesetzt werden, können ebenfalls je nach Präparat auch bei mittelgradiger Niereninsuffizienz eingesetzt werden.
Insulin ist bei allen Formen eines chronischen Nierenschadens das Mittel der Wahl, da seine Dosierung optimal steuerbar ist. Die Dosis muss der Niereninsuffizienz entsprechend angepasst, meist reduziert werden. Deshalb sollte trotz allen Fortschritts der letzten Jahre bezüglich der Medikamente zur Behandlung eines Typ-2-Diabetes rechtzeitig bei eingeschränkter Nierenfunktion auf eine Insulin-Behandlung umgestellt werden. Ein Nieren-Spezialist (Nephrologe) sollte wegen der Frage einer möglicherweise anstehenden Nierenersatztherapie (Dialyse) rechtzeitig einbezogen werden.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (1) Seite 30-33
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