Eingeschrieben im DMP – besser behandelt?

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Eingeschrieben im DMP – besser behandelt?

Etwa 4,5 Mio. Diabetiker sind in ein DMP eingeschrieben – in ein Disease-Management-Programm Diabetes. Das sind über die Hälfte der laut Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) genannten 7,6 Mio. Diabetiker. Immerhin sind seit der Einführung der Programme 15 Jahre vergangen. Und stetig, aber nur in kleinen Schritten nimmt die Beiteiligungsquote zu. Aber etwa 3 Mio. Diabetiker wollen kein DMP. Hinter diesen beiden “Lagern” stehen unterschiedliche Versorgungssysteme!

Wer sich nicht in ein Diabetes-Behandlungs-Programm (“DMP”) eingeschrieben hat, der hat trotzdem die Freiheiten des Gesundheitssystems wie freie Arztwahl, keinerlei Verpflichtungen, und er darf auch sozialrechtlich nicht schlechter behandelt werden. Ob sich alle Nichtteilnehmer bewusst gegen die Teilnahme entschieden haben? Sicher nicht, denn es gibt unter den Hausärzten Ärzte, die sich nicht in die Programme eingeschrieben haben; oder die eingeschrieben sind, aber die DMP (wie für Typ-2-Diabetes) bei ihren Patienten möglichst nicht erwähnen.

Wieso manche Ärzte DMP ablehnen

Die Gründe für diese aktive oder passive Nichtteilnahme von Hausärzten:

  • Man lehnt die Bürokratie ab (regelmäßige Datenerhebung, Datenversand).
  • Man hat es schon immer richtig gemacht, auch ohne DMP.
  • Oder man lehnt einfach die “Gängelei” durch die Krankenkassen ab.

Die Krankenkassen sind nämlich die Disease-Manager und sie erhalten für jeden eingeschriebenen Patienten einen bestimmten Betrag aus dem Risikostrukturausgleich. Das waren z. B. für das letzte Jahr 146,16 Euro. Damit bezahlen die Krankenkassen u. a. den “Koordinierenden Ärzten” den Aufwand für die Dokumentationen.

“Koordinierende Ärzte”, das sind für die Typ-2-Diabetiker die Hausärzte und für die Typ-1-Diabetiker die Diabetologen aus diabetologischen Schwerpunktpraxen. Wird ein Typ-2-Diabetiker zur zeitweisen Mitbetreuung an die Schwerpunktpraxis überwiesen, so erhält der Diabetologe dafür eine zusätzliche pauschalierte Vergütung. Das DMP-System steht, hat sich etabliert und wird in kleinen Schritten weiterentwickelt.

Der Nutzen für die Teilnehmer?

Eigentlich wird im DMP regelmäßig das kontrolliert, was längst zum Standard gehört wie

Und den Patienten wird dringend die Teilnahme an einer adäquaten Schulung empfohlen.

Der eigentliche Nutzen der Programme liegt an der Regelmäßigkeit und dem festen Dokumentationsraster. Ärzte wie Patienten sind daran gebunden, z. B. an vierteljährliche/halbjährliche Termine; bei wiederholter Nachlässigkeit (oder Schulungsverweigerung) kann es zum Ausschluss aus den Programmen kommen. Ohne die Einbindung in derartige Raster werden im oft hektischen Praxisbetrieb bestimmte Leistungen bei chronisch Kranken vergessen oder unterlassen – “die sind eh immer da”.

Und läuft dann doch etwas allmählich aus dem Ruder, erkennt man die Verschlechterungen zu spät: Diabetesfolgen sind schon da. Zeigen sich andererseits bei den regelmäßigen DMP-Terminen Verschlechterungen, dann kann man meist rechtzeitig reagieren, Therapiemaßnahmen einleiten – und an die spezialisierten Einrichtungen überweisen.

Letzteres gehört auch zu den großen Nutzenaspekten im DMP: Um die koordinierenden Ärzte (s. o.) ist ein Netz von Einrichtungen gespannt, die wiederum ebenso definierte Qualitätskriterien erfüllen müssen; denn nur bei Erfüllung der Qualitätsanforderungen können sie vertraglich zugelassen werden. Vor allem geht es dabei um “auf die Behandlung des diabetischen Fußes spezialisierte Einrichtungen” (ambulant/stationär) und um “geeignete Krankenhäuser”.

Worauf muss ich achten?

Wie immer im Leben hat alles auch eine andere Seite. Und so gibt es bei den DMPs Kritikpunkte bzw. Punkte, die es zu verbessern gilt – und auch Punkte, auf die man als Patient achten sollte. Seit dem Start der DMPs stellt die medikamentöse Therapie einen Streitpunkt dar. Heißt es doch in den Rechtsverordnungen DMP: “Nutzen und Sicherheit folgender Medikamente sind in prospektiven, randomisierten, kontrollierten Langzeit-Studien nachgewiesen: Metformin, Sulfonylharnstoffe und Human-Insulin” (Typ-2-Diabetes).

Diese Medikamente sollen auch primär verordnet werden. Entsprechend für den Typ-1-Diabetes ist es Human-Insulin.

Natürlich kann der Arzt im DMP alle zugelassenen modernen Insuline oder oralen Antidiabetika verordnen: Aber der Patient ist darüber zu informieren, dass eben noch keine Studien zur Sicherheit im Langzeitgebrauch vorliegen! Das alles heißt noch lange nicht, dass die Patienten ein Anrecht auf die Verschreibung der modernen Antidiabetika haben.

Verordnungsquote für Medikamente

Da die modernen Medikamente, solange sie unter Patentschutz stehen, meist wesentlich teurer sind, hat man dagegen schon seit langem die Bremse getreten: Die Kassenärzte bekommen von ihren Kassenärztlichen Vereinigungen genaue Vorgaben für die mögliche Verordnungsquote dieser Medikamente! Und dies betrifft genauso Versicherte, die nicht im DMP sind.

Haben sich Arzt und Patient gemeinsam davon überzeugt, dass der Umstieg auf ein neues Medikament zur besseren Einstellung oder Verträglichkeit führte, dann hat man ein entscheidendes Argument für die Verordnung! Im Gegenzug müsste man die “Rückumstellung” auf das vorhergehende Medikament akzeptieren, wenn keine Verbesserung feststellbar ist.

Beim Typ-1-Diabetes koordiniert der Diabetologe, beim Typ 2 der Hausarzt

Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung der DMPs für die sozialrechtliche Stellung des diabetologisch qualifizierten Arztes bzw. des diabetologisch qualifizierten Krankenhauses. Wie bereits erwähnt, sind die Diabetologen die koordinierenden Ärzte der Typ-1-Diabetiker. D. h. jeder Betroffene, der sich in das entsprechende DMP einschreibt, hat ein Anrecht auf die regelhafte Diabetesbehandlung beim Diabetologen.

Leider sind die Definitionen für die Anerkennung des diabetologisch qualifizierten Arztes von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich! Damit einhergehende Qualitätsunterschiede sind nicht zu leugnen.

Die Patienten mit Typ-2-Diabetes sind mit ihrem Diabetes regelhaft beim Hausarzt. Die DMPs regeln allerdings ausdrücklich, dass bei bestimmten Verschlechterungen die Überweisung zum Diabetologen erfolgen soll wie bei:

  • Neuauftreten mikrovaskuärer Komplikationen (Auge, Niere) oder Neuropathie,
  • allen diabetischen Fuß-Verletzungen,
  • Nichterreichen des festgelegten HbA1c-Zielwertes.

Es heißt “soll”, und das macht in manchen Fällen doch Probleme: Manch ein Hausarzt zögert vor der Überweisung – dann nämlich, wenn er der Meinung ist, der Diabetologe sei doch auch nur Hausarzt (meist), nur eben mit einer zusätzlichen Diabetes-Fortbildung. So ist die Versuchung manches Mal da, den Patienten doch lieber zum Diabetologen in die Klinik einzuweisen. In diesen Fällen wird es für die Krankenhäuser kritisch, denn ein Umgehen des ambulanten Diabetologen führt schnell zur “Fehlbelegung” – und die Klinik bleibt auf den Kosten sitzen.

Indikationen für Klinikeinweisung sind eng gefasst

Die Krankenkassen versuchen u. a. über den Hebel der Diabetes-Behandlungs-Programme, die Einweisungen zur Diabetesbehandlung möglichst zu vermeiden. So sind die Indikationen zur Einweisung in ein geeignetes Krankenhaus eng gefasst und werden kritisch geprüft:

Gründe fürs Krankenhaus

Beim Typ-1-Diabetes ist es dann vor allem auch die (ketoazidotische) Erstmanifestation, sprich die notfallmäßige Einweisung ins Krankenhaus mit völlig überhöhten Blutzuckerwerten – und einem bis dahin unbekannten Diabetes.

In der Realität erweist sich der Teil Klinikeinweisung als besonderer Schwachpunkt im DMP. In die DMP-Verträge der Krankenkassen sind in allen Bundesländern geeignete Kliniken eingebunden. Abgesehen davon, dass die Kriterien dafür dringend überarbeitet werden müssten, werden Patienten mit Diabetes einfach in das nächste Krankenhaus eingewiesen. Oft fehlt schlicht die Kenntnis darüber, welches Krankenhaus auf der Liste “geeignet” steht!

Fazit: DMP-Teilnahme ist zu empfehlen

Alles in allem kann man jedem Menschen mit Diabetes empfehlen, sich in ein DMP einzuschreiben. Die Patienten profitieren besonders, die gut informiert sind und mit kritischen Augen ihren Weg durch das Versorgungssystem DMP verfolgen.

Schwerpunkt Diabetes-Versorgung

von Dr. Herbert Hillenbrand 

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (6) Seite 18-21

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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