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Extrem hohe Blutzuckerwerte kommen bei Typ-2-Diabetes leider immer wieder vor. Dies im Hinterkopf zu behalten, ist sehr wichtig, denn jedes daraus entstehende „hyperosmolare Koma“ ist lebensbedrohlich. Dr. Schmeisl erklärt Ursachen und Therapie.
Bei vermeintlich leichten Entzündungen wie dieser bevorzugt Petra H. Blasentee – seit einigen Tagen trinkt sie davon bis zu 4 Liter täglich und muss deshalb auch 6- bis 8-mal am Tag Wasser lassen. Als sie aber kaum mehr von der Toilette kommt, immer mehr Durst hat und sich immer häufiger „komisch“ fühlt, ruft sie den Hausarzt an. Der misst neben ihrem Blutdruck auch den Blutzucker – und ist erschrocken: „Nicht messbar“ steht auf dem Gerät!
Eine Laborkontrolle bestätigt den Befund. Der Hausarzt, dem die Patientin etwas verwirrt vorkommt, schickt sie mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus. Dort sagt man ihr nach einigen Tagen, dass sie Glück gehabt habe. Mit einem diabetischen Koma sei nicht zu spaßen – ihr Blutzucker habe bei der Einweisung 650 mg/dl (36,1 mmol/l) betragen. Jetzt, nach 4 Wochen zu Hause, geht es ihr wieder gut. Sie ist zur Diabetesschulung angemeldet und auch bereit, das Blutzuckermessen zu lernen.
Ein hyperosmolares Koma, also ein Koma durch extrem hohe Blutzuckerwerte mit Austrocknung des Körpers, tritt bei Menschen mit Typ-2-Diabetes im Gegensatz zum Koma bei Menschen mit Typ-1-Diabetes (ketoazidotisches Koma) erst bei sehr hohen Blutzuckerwerten von über 600 bis 1 000 mg/dl (33,3 bis 55,6 mmol/l) auf. Ursache ist vor allem der massive Flüssigkeitsverlust von meist mehreren Litern pro Tag.
Warum ist das so? Bei Typ-1-Diabetes kann ein ketoazidotisches Koma schon bei relativ gering überhöhten Blutzuckerwerten von z. B. 250 mg/dl (13,9 mmol/l) auftreten und beruht dann auf einem absoluten Insulinmangel. Sehr hohe Blutzuckerwerte bei Menschen mit Typ-2-Diabetes entstehen hingegen dann, wenn der Blutzuckeranstieg meist langsam über Tage oder Wochen erfolgt und gar nicht bemerkt wird, weil die Betroffenen ihren Blutzucker nicht selbst testen.
Weil Typ-2-Diabetiker, je nach Krankheitsdauer, in geringem Maß noch Insulin produzieren, entsteht ein hyperosmolares Koma. Die Entwicklung einer Ketoazidose (Übersäuerung des Blutes) wird durch das Insulin verhindert. Grund ist, dass Insulin den Fettabbau bremst, sodass üblicherweise keine Ketonkörper entstehen, die ein Zeichen für eine Übersäuerung des Blutes sind – selbst bei Blutzuckerwerten von 800 mg/dl (44,4 mmol/l) oder 1000 mg/dl (55,6 mmol/l)!
Je höher die Blutzuckerwerte steigen, desto stärker wird die Insulinresistenz. So wird der Zucker aus dem Blut immer schlechter verwertet, gleichzeitig wird oft ungezügelt Zucker aus den Vorräten der Leber abgegeben. Beim Gesunden wird die Zuckerabgabe aus der Leber durch Insulin kontrolliert; bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist jedoch zu wenig Insulin vorhanden bzw. die Insulinwirkung ist nicht mehr ausreichend. Zudem überwiegt der „Gegenspieler“ des Insulins, das Hormon Glukagon, und veranlasst die Leber zu einer vermehrten Zuckerabgabe.
Auslöser sind oft vermeintlich harmlose Infektionen:
Aber auch Medikamente, die wegen anderer Erkrankungen vorübergehend eingesetzt werden müssen, können Auslöser sein, z. B.:
Am Anfang stehen mit dem Anstieg des Blutzuckers und der damit verbundenen vermehrten Ausscheidung von Zucker im Urin das vermehrte Wasserlassen und der Durst. Der Zucker wird mit dem Urin ausgeschieden, weil diese Menge für den Körper einen Überschuss darstellt.
Die Grenze, ab der die Niere den Zuckerüberschuss in den Urin abgibt, wird als Nierenschwelle bezeichnet und liegt bei Erwachsenen bei etwa 180 mg/dl (10,0 mmol/l). Mit dem Zucker wird gleichzeitig vermehrt Wasser ausgeschieden. Manche Menschen trinken in dieser Situation bis zu 8 Liter Flüssigkeit pro Tag oder noch mehr, um den Flüssigkeitsverlust über den Urin auszugleichen.
Zu einer Übersäuerung des Blutes kommt es in der Regel nicht – meist sind keine Ketonkörper als Anzeichen dafür nachweisbar. Durch den zunehmenden Flüssigkeitsverlust und durch die Verschiebung wichtiger Blutsalze (v. a. des Kaliums) treten andere Symptome bzw. Gefahren auf, u. a.:
Das hyperosmolare Koma ist ein absoluter medizinischer Notfall – Betroffene müssen sofort ins Krankenhaus eingewiesen werden, vor allem wegen des extremen Flüssigkeitsverlustes und der Blutsalzverschiebungen. In der Klinik werden Flüssigkeit und Insulin über einen Katheter gegeben, um den Verlust an Flüssigkeit auszugleichen und die Konzentrationen der Blutsalze zu normalisieren.
Die Blutsalz- und Wasserverschiebungen in Gehirn und Rückenmark benötigen in der Regel mehrere Tage, bis sie sich wieder völlig normalisiert haben. Senkt man den Blutzucker zu schnell, kann ein Hirnödem (Wasseransammlung im Gehirn) entstehen. Die Folgen: der Hirndruck steigt und die Atmung wird beeinträchtigt – dies kann zum Tod führen.
Insbesondere das Kalium spielt eine entscheidende Rolle: Unter der Behandlung mit Insulin geht der Zucker aus dem Blut wieder in die Körperzellen. Dabei wird auch viel Kalium aus dem Blut in die Zellen mitgenommen – der Kaliumspiegel im Blut sinkt. Das muss kontinuierlich ausgeglichen werden, da sonst Herzrhythmusstörungen und sogar ein Herzstillstand drohen.
Regelmäßige Blut- bzw. Gewebezuckermessungen, insbesondere während fieberhafter Erkrankungen, sind für Typ-2-Diabetiker der sicherste Weg, ein hyperosmolares Koma zu verhindern – gerade weil es sich langsam entwickelt. Es ist also sinnvoll, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes – auch im Alter, wenn sie dazu noch in der Lage sind – lernen, Blut- bzw. Gewebezucker selbst zu messen.
Nach der Behandlung eines hyperosmolaren Komas in der Klinik kann es manchmal sinnvoll sein, zusätzlich zu den blutzuckersenkenden Tabletten weiterhin Insulin zu spritzen. Dies ist auch für ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes nach einer Schulung meist kein Problem. Bedenken Sie: Sie kommen so sicherer und selbstständiger durchs Leben! Und noch einmal zur Erinnerung: Wenden Sie sich bei Beschwerden bzw. Symptomen, die auf ein herannahendes hyperosmolares Koma hindeuten, rechtzeitig an Ihren behandelnden Arzt.
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (6) Seite 32-34
5 Minuten
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