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Regelmäßig die Füße anzuschauen und auf Verletzungen und Druckstellen zu checken, hilft Menschen mit Diabetes und den Behandlungsteams, früh mit einer Behandlung zu beginnen. So kann eine Wunde eher abheilen und das Risiko für Amputationen wird minimiert. Weitere Details zum Diabetischen Fußsyndrom gibt es hier.
Große systematische wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Störungen der Wundheilung in über 80 Prozent der Fälle entstehen, weil Gefäße nicht gut durchblutet werden, also arterielle oder venöse Störungen der Durchblutung bestehen, oder ein Diabetes mellitus vorliegt. Es zeigt sich ebenfalls, dass die Ursachen, die die Wundheilung verzögern, oft zu spät oder gar nicht entdeckt werden.
Dabei steht eine verzögerte Diagnose und damit auch die richtige Therapie in direktem Zusammenhang mit einer verzögerten Wundheilung und einem damit einhergehenden höheren Risiko für eine Amputation oder eine höhere Sterblichkeit. Jede fünfte Wunde (Geschwür) führt zu einer Amputation, wenn eine Infektion dazukommt.
Johannes M., 58 Jahre, Typ-2-Diabetes, 96 Kilogramm, geht zum ersten Mal auf Empfehlung zu einem Orthopädieschuhmacher in die Stadt. Den Tipp hat er von einem Bekannten, der nach einem Fußgeschwür entsprechende Schuhe erhalten hatte. Er wusste von diesem Schuhmacher, dass dieser auch „Abdrücke von Füßen“ und eine Druckmessung der Füße (Pedographie) bei Menschen mit Diabetes macht und ihnen dann auch Einlagen anpasst, um so Geschwüre zu verhindern.
Johannes hatte schon mehrmals solche Geschwüre gehabt und diese nur mit Mühe wieder zum Abheilen gebracht. Er ist überzeugt, dass entsprechende Einlagen auch bei ihm nützlich sein könnten.
Ist einmal ein Geschwür aufgetreten und geheilt, ist trotzdem beim Diabetischen Fußsyndrom nicht alles wie vorher – es gibt keine völlige Wiederherstellung (Remission). Das Risiko für ein erneutes Geschwür ist hoch: Nach einem Jahr liegt es bei 40 Prozent, nach fünf Jahren schon bei 60 Prozent.
So kommt dem Vorbeugen von Geschwüren eine zentrale Bedeutung zu und damit der Behandlung der Ursachen:
Ein Fuß-Geschwür findet sich bei etwa 2 bis 10 Prozent aller Menschen mit Diabetes. 70 Prozent aller Amputationen in Deutschland erfolgen bei Menschen mit Diabetes. Gerade bei älteren Menschen, die oft viele weitere Erkrankungen haben, sind eine schlechte Mobilität, Übergewicht und Diabetes entscheidende Risiken für die Entwicklung chronischer Wunden. Insbesondere allein lebende Männer sind davon betroffen.
Dr. med. Gerhard-W. Schmeisl (Bad Kissingen) ist Internist sowie Facharzt für Diabetologie, Angiologie und Sozialmedizin und hat jahrzehntelange praktische Erfahrung in der Behandlung und Schulung von Menschen mit Diabetes in Praxis und Klinik. Er schreibt in der Rubrik Diabetes-Kurs über die Diabetes-Therapie und alles, was sonst noch mit dem Diabetes zusammenhängt.
Das Risiko bei Menschen mit Diabetes für eine Amputation oberhalb des Sprunggelenks (hohe Amputation) aufgrund einer vermeintlich harmlosen Wunde ist um etwa das 20-Fache im Vergleich zu Menschen ohne Diabetes erhöht. Von den etwa 250.000 Menschen mit Diabetes und Fußgeschwür in Deutschland erfolgt jedes Jahr bei etwa 12.000 eine hohe Amputation.
Die Anzahl an hohen Amputationen ist in den letzten 20 Jahren zwar zurückgegangen, die Anzahl der Amputationen an den unteren Extremitäten hat aber zugenommen – um etwa 25 Prozent. Zur Verbesserung der Situation hat die Entwicklung von regionalen Diabetes-Fuß-Zentren geführt, aber auch die rege Arbeit der Arbeitsgemeinschaft (AG) „Diabetischer Fuß“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Die AG arbeitet an nationalen und internationalen Projekten mit, z. B. der International Working Group on the Diabetic Foot (IWGDF), und entwickelt Leitlinien.
Trotzdem sind nach wie vor Menschen mit Diabetes bezüglich einer Wunde am Fuß besonders gefährdet. Die Geschwüre, die durch Druck entstehen, stehen bei älteren Erwachsenen oft im Zusammenhang mit arteriellen oder auch venösen Durchblutungsstörungen. Letztere zeigen sich meist durch Geschwüre am Unterschenkel.
Durchblutungsstörungen der Arterien, die das Blut in den Körper transportieren, spielen neben der Neuropathie eine entscheidende Rolle. Die diabetische Polyneuropathie ist so relevant, weil die Betroffenen oft wenige oder keine Schmerzen spüren und so nicht bemerken, dass eine rasche Therapie notwendig ist.
Weiterführende Informationen auf dem Portal „Amputation – nein danke!“
➤ www.amputation-nein-danke.de
Typisch für eine Polyneuropathie sind ein Kälte- und Taubheitsgefühl, wobei es sich um eine subjektive Empfindung handelt, da sich die Zehen und Fußsohlen beim Anfassen meist warm anfühlen – wenn nicht gleichzeitig die Durchblutung gestört ist.
Neben diesen „sockenförmig“ imponierenden Beschwerden kommt es später meist zu einer Störung des Berührungs- und Vibrationsempfindens, letztlich oft zu einem Abbau (Atrophie) der Muskeln. Der durch die Neuropathie zunehmende Verlust von Schweißdrüsen führt zu Hornhautschrunden und trockener, sehr empfindlicher Haut.
Tab. 1: Zeichen der Durchblutungsstörung und der Neuropathie | |
trockener Fuß, Haut rissig | Schweißdrüsensekretion intakt, feuchte Haut |
warm | beim Betasten kühl bis eiskalt |
gut durchblutet, rötliche Farbe | schlecht oder gar nicht mehr durchblutet, in der Regel blass bis bläulich |
schmerzlos | schmerzhaft |
Fußpulse tastbar | Fußpulse (besser: Pulse in den Kniekehlen) nicht tastbar |
Abbau der kleinen Fußmuskeln | Läsionen an den Zehenspitzen |
Druckgeschwüre weisen durch den Ort ihres Entstehens auf die spezifische Störung der Belastung hin. Daraus lässt sich in vielen Fällen die richtige Art der Entlastung ableiten.
Kommt es erst zu einer Infektion der Wunde, fehlen bei der diabetischen Polyneuropathie oft die üblichen Schutz-Funktionen. Kommt darüber hinaus noch eine Durchblutungsstörung der Beine zum Tragen im Sinne einer peripheren arteriellen Verschluss-Krankheit (pAVK), wird es gefährlich.
Wenn jetzt nicht rechtzeitig sowohl lokal als auch bezüglich der Durchblutungsstörung behandelt wird, z. B. mit Öffnen des verengten bzw. verschlossenen Gefäßes mit einem Katheter, steigt das Risiko einer Amputation deutlich an.
Bagatellverletzungen sind häufig die Ursache, z. B. durch:
Tab. 2: Klassifikation nach Wagner/Armstrong | ||||||
Armstrong | keine Infektion/keine Durchblutungsstörung | |||||
Infektion/keine Durchblutungsstörung | ||||||
keine Infektion, aber Durchblutungsstörung | ||||||
Infektion und Durchblutungsstörung | ||||||
Knochen und Gelenk mit betroffen (Osteoarthropathie) |
(jeweils beurteilt für linken und rechten Fuß)
Mit dem Neuropad kann die Funktion der Schweißdrüsen und damit der autonomen Nervenfasern untersucht werden. Es wird z. B. auf die Fußsohle geklebt. Färbt es sich blau, ist die Funktion der autonomen Nervenfasern normal. Es besteht also kein Hinweis auf eine diabetische autonome Neuropathie. So kann diese Form der Neuropathie mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. In Studien erwies sich das Pflaster als sehr gutes, einfaches Screening-Instrument.
Die Therapie des Diabetischen Fußsyndroms ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Viel wichtiger ist jedoch das Vorbeugen. Die rechtzeitige Diagnose bei entsprechenden Risiken kann einer chronischen Wunde vorbeugen – denn diese stellt ein großes Risiko für eine Amputation dar, insbesondere, wenn zusätzlich Durchblutungsstörungen vorhanden sind. Neuere Methoden können bei der Diagnostik behilflich sein. Und: Regelmäßige Kontrollen der Schuhe und der Füße zu Hause und durch Ärztin oder Arzt lohnen sich.
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (1/2) Seite 38-41
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