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Durch eine frühzeitige, interdisziplinäre Therapie lässt sich das Diabetische Fußsyndrom erfolgreich behandeln und die Amputationsrate deutlich reduzieren. Erfahren Sie, worauf es ankommt.
“Du bist doch Diabetiker”, sagte ein Bekannter, da müsse man doch eine Amputation vermeiden – erst jetzt bemühte sich Herr Müller zum Hausarzt … der ihn sofort in die Klinik einwies. Nach 3 Wochen stationärer Behandlung konnte er schließlich auf eigenen Füßen, versehen mit einem Therapieschuh und Gehstützen, nach Hause entlassen werden. Nach weiteren 4 Wochen schließlich war das Geschwür abgeheilt.
Die gute Botschaft vorneweg: Durch eine interdisziplinäre Betreuung von Patienten mit Diabetes kann die Häufigkeit von Amputationen drastisch reduziert werden – laut Studien um bis zu 70 Prozent! Interdisziplinär bedeutet, dass alle Berufsgruppen/Fachleute, die mit der Diabeteserkrankung zu tun haben bzw. sich fachlich gut auskennen, zusammenarbeiten.
Denn das Diabetische Fußsyndrom (DFS) wird nur in etwa 50 Prozent der Fälle richtig diagnostiziert und nur in etwa 30 Prozent korrekt behandelt. In den USA ist der diabetische Fuß für 70 Prozent aller Amputationen verantwortlich! In Deutschland sind es etwa 40 000 pro Jahr! Männer haben offenbar ein höheres Risikoals Frauen und werden auch häufiger amputiert.
Insgesamt haben in den letzten Jahren glücklicherweise die Majoramputationen (Unterschenkel, Knie, Oberschenkel) abgenommen. In Deutschland zeigt sich, dass in Regionen, in denen Spezialisten bezüglich des diabetischen Fußes zusammenarbeiten (diabetologisches Fußnetz), die Amputationsrate zurückgeht.
Zur Vorbeugung sind vor allem auch die Partner und Familien der Betroffenen gefragt: Wenn sie rechtzeitig Hornhautschwielen oder Geschwüre erkennen, so lässt sich die Rate an Amputationen nochmals senken. Wichtig sind:
In 60 bis 70 Prozent der Fälle ist die Ursache für ein DFS eine Erkrankung der Nerven an den Füßen bzw. der Unterschenkel, die man als periphere sensomotorische Polyneuropathie bezeichnet (Heft 3/2015).
Betroffen sind vor allem die Nerven, die Schmerzen, Temperaturempfinden (warm/kalt), Vibrations- und Lageempfinden leiten. Daraus resultieren die meisten Gefahren für den Fuß. Später können sich auch Lähmungen einzelner Muskeln (z. B. Fußheber) hinzugesellen, die das Laufen beeinträchtigen können.
Durch die Schädigung der Nerven geht ein wichtiger Schutzmechanismus für den Betroffenen verloren – er merkt nicht mehr, dass er sich z. B. verbrannt hat oder dass er in einen Nagel getreten ist. Eine sich daraus entwickelnde Wunde womöglich mit Bakterienbesiedelung (Infektion!) kann der Ausgangspunkt für eine Amputation sein.
Durch einfache Tests kann der Arzt meist schnell eine periphere Polyneuropathie bestätigen oder ausschließen. Dazu überprüft er:
In Zweifelsfällen können zusätzlich der Diabetologe bzw. auch ein Nervenarzt (Neurologe) Klarheit schaffen. Ein so rechtzeitig entdecktes Geschwür am Fuß infolge einer Neuropathie kann in der Regel bei konsequenter Behandlung fast immer zur Abheilung gebracht werden.
Durchblutungsstörungen (Makroangiopathie) vor allem der Unterschenkelarterien sind die Hauptursache für das Nichtabheilen von Unterschenkel- bzw. Fußgeschwüren bei Diabetikern mit einer Nervenschädigung.
Die arteriellen Durchblutungsstörungen der Beinarterien sind nicht speziell durch den Diabetes bedingt, aber sie betreffen bei Diabetikern besonders häufig die Unterschenkelarterien – die Fußarterien sind sogar meist noch mäßig offen. In der Regel lassen sich die Knöchel-und Fußpulse aber nicht mehr tasten.
Das Problem bei gleichzeitiger Neuropathie und Durchblutungsstörungen der Unterschenkel/Füße ist, dass die Betroffenen wegen der Nervenschäden keine Schmerzen spüren – es fehlen also die Warnsymptome, und dies bei 20 bis 30 Prozent der Patienten. So werden Geschwüre am Fuß oft trotz Infektion nicht so ernst genommen und können bei mangelnder Durchblutung deshalb auch nicht abheilen – das führt nicht selten zur Amputation.
Durch einfache Tests lässt sich dieses Risiko aber drastisch senken; durch eine einfache und schnell durchführbare Messung des Pulsdruckes an den Füßen und den Armen lässt sich die Durchblutung in etwa abschätzen: die ABI-Messung (Ankle-Brachial-Index, siehe Abbildung). Die Drücke in den Arterien der Füße sind bei gesunden Menschen höher als am Arm – dies kann man einfach mittels eines Ultraschall-Dopplers und einer Blutdruckmanschette messen.
Diese einfache Untersuchung kann verfälscht werden durch eine spezifische Verkalkung der Muskelschicht in der Gefäßwand, die man bei Diabetikern manchmal findet (Mediasklerose); dann ist die Wand der Arterien durch das Aufblasen der Blutdruckmanschette nicht mehr zusammenzudrücken – dies bedeutet aber nicht, dass eine Durchblutungsstörung vorliegt, es ist eher Zeichen der Nervenschädigung!
Man findet allerdings sehr hohe Blutdrücke an den Füßen (z. B. 300 mmHg). Durch eine spezielle Gefäßuntersuchung mittels Farb-Duplex-Sonographie beim Fachspezialisten kann eine genaue Messung der Durchblutung in dem Fall erfolgen.
Bei der Behandlung eines Diabetischen Fußsyndroms müssen im Wesentlichen drei Punkte beachtet werden:
Die Armstrong-Klassifikation berücksichtigt eine Infektion, eine Durchblutungsstörung und die Tiefenausdehnung des Geschwürs (Ulkus). Sie hat sich seit Jahrzehnten zur Planung einer Behandlungs-Strategie des Ulkus bewährt (Diabetes-Journal 2/2015)!
Vermeintlich harmlose Wunden reichen oft tiefer ins Gewebe hinein und betreffen nicht selten auch den Knochen. Je nach Beteiligung der verschiedenen Gewebeschichten muss unterschiedlich aggressiv vorgegangen werden. Wenn eine oberflächliche Wundbehandlung möglich ist, so muss als Erstes abgestorbenes Gewebe regelmäßig entfernt werden (Wunddébridement) – dies ist meist nicht schmerzhaft wegen der Neuropathie.
Anschließend muss die Wunde gespült und z. B. mit Hydrogels feucht gehalten werden. Ein Verband sowie Druckentlastung (Therapieschuh, Rollstuhl) sind ebenfalls Pflicht! Gleichzeitig sind oft eine Antibiotikatherapie (meist reichen Tabletten, z. B. Clindamycin) und eine Thromboseprophylaxe notwendig.
Bei sehr zerklüfteten Wunden kommen auch Alginate sowie Spezialbehandlungen wie Maden zum Zuge; diese sind gezüchtet und werden auf Anforderung von Apothekern besorgt. Eine sehr effektive, aber auch aufwendige Behandlung ist die VAC-Therapie (Vakuum-Therapie), bei der lokal über der Wunde durch eine spezielle Abdeckung mit Schlauch und Saugpumpe ein Vakuum erzeugt wird; dieser Unterdruck wirkt sich sehr positiv auf die Wundheilung aus. Eine bessere und schnellere Abheilung ist oft das Ergebnis.
Sind zusätzlich Durchblutungsstörungen vorhanden, so kann durch eine moderne Bypass-Chirurgie (z. B. vom Oberschenkel zum Fuß) die Durchblutung im Bereich des Geschwürs manchmal so verbessert werden, dass dadurch ein Abheilen möglich wird. Medikamentös steht nur im Einzelfall ein speziell gefäßwirksames Medikament zur Verfügung (Prostaglandine in die Arterie oder Vene), das kurzfristig eine verbesserte Durchblutung ermöglicht; es kann starke Nebenwirkungen haben bis zum Schock.
Ist das Ulkus an einer Verformung des Fußes aufgetreten oder geht es tief bis auf den Knochen, so müssen oft die Chirurgen tätig werden. Diese haben heute neue Vorgehensweisen, die einen weitgehend schonenden Eingriff ermöglichen – nicht selten ist aber auch eine Amputation erforderlich, um ein Bein und damit manchmal auch das Leben des Betroffenen zu retten!
Mehr als 40.000 Amputationen bei Diabetikern jedes Jahr (von ca. 65.000 insgesamt in Deutschland) sprechen eine deutliche Sprache. Die Nervenschäden durch den Diabetes sind die Hauptursache für ein Geschwür (Ulkus), aber eine Durchblutungsstörung erhöht das Risiko für die Amputation dramatisch.
Durch das rechtzeitige Erkennen und durch eine adäquate Behandlung der Polyneuropathie, wenn nötig auch der Durchblutungsstörung, lässt sich die Amputationsrate deutlich reduzieren. Dies erfolgt am besten in einem interdisziplinären Team. Die Vorbeugung erfolgt am besten unter Einbeziehung auch von Angehörigen bzw. Partnern.
Durch unsere zunehmende Lebenserwartung steigt auch das Risiko, einmal zu den Betroffenen zu gehören – Vorbeugen ist heute wichtiger denn je.
von Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologe/Diabetologe, Chefarzt Deegenbergklinik sowie Chefarzt Diabetologie Klinik Saale (DRV-Bund)
Kontakt:
Deegenbergklinik, Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 21-0
sowie Klinik Saale, Pfaffstraße 10, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 5-01
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2015; 64 (4) Seite 32-35
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