5 Minuten
Aktuell sterben in Deutschland jährlich etwa 350 000 Menschen an den Folgen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Hauptursachen sind Herzinfarkte (46 000 Todesfälle) und Schlaganfälle (55 000 Todesfälle), zunehmend auch die Herzinsuffizienz. Aber auch eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) tritt häufig auf und verursacht rund 48 400 Krankenhaus-Aufenthalte pro Jahr. Auslöser dieser Erkrankungen ist meist eine Arteriosklerose, also eine Gefäß-Verkalkung.
Es steht zweifelsfrei fest, dass durch ein Senken des LDL-Cholesterins, also des "bösen" Cholesterins, schwerwiegende Herz-Kreislauf-Ereignisse verhindert werden können, wie auch in internationalen Leitlinien bestätigt wird. Um das Risiko von Menschen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken, steht ein gesunder Lebensstil mit einer ausgewogenen Ernährung und regelmäßiger Bewegung im Vordergrund. Dazu gehört auch, nicht zu rauchen. Leider lässt sich damit allein oft nicht eine gewünschte bzw. notwendige Senkung des LDL-Cholesterins erreichen. Das Senken der Werte ist aber wichtig, weil es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Höhe des LDL-Cholesterin-Werts und dem Risiko für eine Arteriosklerose gibt. Durch ein Senken des LDL-Cholesterins um 1 mmol/l (40 mg/dl) kann das relative Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Ereignisse um etwa 22 Prozent gesenkt werden. Das gilt für Menschen mit einem niedrigen Risiko genauso wie für Menschen mit einem an sich schon hohen Risiko. Experten betonen, dass in der Inneren Medizin nur wenige Behandlungs-Empfehlungen so gut durch Studien abgesichert sind wie das Vorbeugen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch fettsenkende Medikamente.
Anders verhält es sich mit den häufig bei Menschen mit Diabetes auch vorhandenen hohen Triglyzerid- oder Neutralfett-Werten (Hypertriglyzeridämie). Auch erhöhte Triglyzerid-Werte erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse – eine Senkung hat jedoch in großen Studien nicht eindeutig auch eine Reduktion des Risikos gezeigt. Positive Ergebnisse brachte nur eine Therapie mit einer hoch gereinigten Eicosapentaensäure in der Studie REDUCE-IT.
Störungen des Fettstoffwechsels spielen nicht nur beim Entstehen der Arteriosklerose eine entscheidende Rolle. Immer mehr rücken auch entzündliche Wirkungen durch Produkte des Fettstoffwechsels wie Mediatoren und freie Fettsäuren des "gefährlichen" Bauchfetts bei Adipositas in den Vordergrund. Diese Faktoren scheinen auch beim Entstehen von Krebs-Erkrankungen eine Rolle zu spielen. Eventuell gibt es auch einen Zusammenhang mit Demenz-Erkrankungen. Menschen mit Diabetes haben oft ein typisches Muster von Fettstoffwechsel-Störungen – umgekehrt scheinen Fettstoffwechsel-Störungen auch bei der Entwicklung eines Diabetes eine Rolle zu spielen.
Nach einer Mahlzeit werden die von der Darmschleimhaut aufgenommenen Fette in Form von Chylomikronen zur Muskulatur und anderen Geweben und schließlich auch zur Leber transportiert. Chylomikronen sind kleinste Fettteilchen, die reich sind an Triglyzeriden und relativ arm an Cholesterin. Um Fette zu den Organen transportieren zu können, produziert die Leber selbst VLDL. Diese Very-low-Density-Lipoproteine sind reich an Triglyzeriden. Im Blut werden sie durch Abgabe eines Teils ihrer Triglyzeride immer kleiner und dichter. So verlieren sie an Masse und werden schließlich zu LDL-Partikeln (LDL: Low-Densitiy-Lipoprotein), die nur noch Cholesterin-Reste enthalten. HDL-Partikel sind am kleinsten und dichtesten und "sammeln" quasi Cholesterin aus den peripheren Geweben auf und bringen es zur Leber zurück, weshalb es auch als "gutes" Cholesterin bezeichnet wird. HDL steht für High-Densitiy-Lipoprotein. Diese Transport-Partikel sind erforderlich, weil Fette nicht wasserlöslich sind. Deshalb muss auch Cholesterin an wasserlösliche Proteine (Eiweiße) wie LDL und HDL gekoppelt transportiert werden.
Der Cholesterin-Spiegel eines Menschen liegt normalerweise unter 200 mg/dl (5,2 mmol/l). Die Werte des HDL-Cholesterins sollten über 40 mg/dl (1,0 mmol/l) liegen. Die Werte des LDL-Cholesterins sollten bei Menschen mit Typ-1-Diabetes unter 100 mg/dl (2,6 mmol/l), bei Menschen mit Typ-2-Diabetes idealerweise heute sogar unter 70 mg/dl (1,8 mmol/l) liegen. Die Triglyzerid-Werte sollten 150 mg/dl (1,7 mmol/l) nicht überschreiten. Das LDL-Cholesterin, speziell die Untergruppe der Small-Dense-LDL-Partikel, ist im Zusammenhang mit der Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen der wesentliche Faktor, zusammen mit erniedrigtem HDL-Cholesterin und erhöhten Triglyzerid-Werten.
Primäre Störungen des Fettstoffwechsels
Störungen des Fettstoffwechsels können vererbt sein. Trotz genetischer Vorbelastung tritt diese jedoch nicht bei jedem Betroffenen auf – Lebensstil und Ernährung spielen eine wichtige Rolle dabei.
Eine vererbte Störung des Fettstoffwechsels ist die familiäre Hypercholesterinämie, bei der sich stark erhöhte Cholesterinwerte von Generation zu Generation vererben. Sind Menschen mit Typ-2-Diabetes zusätzlich an einer familiären Hypercholesterinämie erkrankt, sind sie Hochrisiko-Patienten: Sie haben ein sehr hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hier muss das LDL-Cholesterin so früh wie möglich medikamentös gesenkt und so niedrig wie möglich eingestellt werden.
Sekundäre Störungen des Fettstoffwechsels
Sekundäre Störungen des Fettstoffwechsels sind bei anderen Grunderkrankungen oft zu finden. Zu diesen gehören u. a.:
Bei der primären Fettstoffwechsel-Störung kommt es meist zu erhöhten Cholesterin-Werten, bei sekundären meist zu erhöhten Triglyzerid-Werten. Bei Diabetes sind gelegentlich Triglyzeride und Cholesterin betroffen. Für die Diagnose ist zu berücksichtigen:
Menschen mit Typ-2-Diabetes haben in der Regel eine "gemischte Störung des Fettstoffwechsels" mit einer leichten Erhöhung der Triglyzeride sowie einer Verminderung des HDL-Cholesterins. Durch ein Optimieren der Glukosewerte lassen sich die veränderten Fettwerte positiv beeinflussen.
Mit zunehmendem Übergewicht besonders mit Fettansammlung im Bauchbereich, wie sie typischerweise bei Männern auftritt, verstärkt sich eine vorliegende Insulinresistenz (Unempfindlichkeit gegenüber Insulin) von Muskulatur und Fettgewebe. Damit verbundene hohe Insulin-Spiegel verursachen eine vermehrte Produktion von Triglyzeriden. Auch LDL-Cholesterin und Gesamt-Cholesterin sind dann im Blut erhöht.
Auch bei Menschen mit Typ-1-Diabetes können Störungen des Fettstoffwechsels auftreten. Auch sie sollten, angepasst an das Risiko für das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, entsprechend behandelt werden.
Insbesondere bei Menschen mit Diabetes, die keine normnahen Glukosewerte erreichen, treten sehr kleine dichte LDL-Partikel (Small-Dense-LDL) auf. Diese werden in besonderem Maß rasch verstoffwechselt und fördern bei Anhäufung eine Arteriosklerose. Außerdem können bei dauerhaft sehr hohen Glukosewerten insbesondere stark erhöhte Mengen an Triglyzeriden im Blut eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse (akute Pankreatitis) auslösen.
Lipoprotein(a), abgekürzt Lp(a), gehört zu den LDL-Partikeln. Seine Konzentration ist genetisch bestimmt. Lp(a) ist, wenn es erhöht ist, ein Indikator für ein besonders hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Bestimmt werden sollte der Lp(a)-Wert insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit früh auftretenden und rasch fortschreitenden Gefäßschäden. Wegen der überwiegend genetisch beeinflussten Höhe des Lp(a)-Werts sind wiederholte Messungen nicht erforderlich, ein bis zwei Messungen genügen meist.
Ist die Lp(a)-Konzentration stark erhöht, kann dem Körper durch eine Lipid-Apherese u. a. Lp(a) entzogen werden. Eine Lipid-Apherese funtioniert im Prinzip wie eine Dialyse, nur dass eben Fette aus dem Blut herausgefiltert werden. Ob damit auch eine Verminderung des Risikos erreicht wird, ist noch nicht abschließend beurteilt.
Zu den Basismaßnahmen zum Senken von erhöhten Gesamt-Cholesterin- und LDL-Cholesterin-Werten gehören:
Bei den "Herztagen" der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) im Jahr 2023 sagte Tagungspräsident Prof. Dr .Ulrich Laufs, dass etwa 80 Prozent aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch geeignete vorbeugende Maßnahmen verhindert werden könnten.
Aktuelle Vorgehensweisen bezüglich einer Therapie eines gestörten Fettstoffwechsels sind die Folgenden:
CSE-Hemmer (Cholesterin-Synthese-Enzym-Hemmer) gehören zur Standardtherapie bei erhöhten LDL-Cholesterin-Werten und erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Bei Unverträglichkeit von Statinen gibt es verschiedene Alternativen: Austauscherharze, die Gallensäuren binden und die Aufnahme von Cholesterin hemmen; Fibrate bei isoliert erhöhten Triglyzerid-Werten; Fischöle mit mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren; Alpha-Linolensäure z. B. aus Soja, Walnuss, Raps- oder Leinöl; Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure z. B. in fettreichen Fischsorten wie Hering, Makrele und Lachs.
Diese Therapie ist geeignet bei Patienten mit sehr hohen Werten und großem Abstand zum Zielwert. Durch die medikamentöse Hemmung der Cholesterin-Produktion in der Leber wird häufig gleichzeitig die Aufnahme von Cholesterin aus dem Darm gesteigert, bei verminderter Aufnahme aus dem Darm nimmt umgekehrt die Produktion in der Leber häufig zu. Durch eine duale Hemmung kann man dies verhindern: Die Produktion von Cholesterin in der Leber wird gehemmt – gleichzeitig aber auch die Aufnahme aus dem Darm.
Statine allein senken das LDL-Cholesterin im Blut um bis zu 60 Prozent, die Triglyzeride um maximal 25 Prozent. Ein Senken der Triglyzerid-Werte führt oft zu einer Erhöhung des HDL-Cholesterins.
Es kommen zusätzlich Bempedoinsäure und gegebenenfalls PCSK-9-Hemmer (Wirkstoffe/Handelsnamen: Alirocumab/Praluent, Evolocumab/Repatha) zum Einsatz – besonders bei Patientinnen und Patienten mit sehr hohem Risiko. Die Bempedoinsäure hemmt ein bei der Cholesterin-Produktion wichtiges Enzym: die ATP-Citrat-Lyase. Es kann als Ergänzung zu einer Therapie mit einem Statin und Ezetimib hinzugegeben werden und als Alternative, wenn die anderen Substanzen nicht vertragen werden.
Eine weitere neuere Substanz ist Inclisiran (Handelsname: Leqvio). Dieses greift direkt an der Proprotein Convertase Subtilisin Kexin Typ 9 (PCSK-9) an und hemmt deren Produktion in der Leber. Inclisiran wird wie PCSK-9-Hemmer als Fertigspritze ins Unterhaut-Fettgewebe injiziert.
Bekannt ist bei erhöhten Werten, wie beschrieben, ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Jede zweite Frau stirbt wegen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung – im Durchschnitt zehn Jahre später als Männer. Bis zur Menopause, also der letzten Periodenblutung, sind Frauen durch Östrogene geschützt. Deshalb sollte man gerade bei Frauen auch schon in jungen Jahren den bekannten Risikofaktoren mehr Aufmerksamkeit schenken, um auch nach der Menopause das Risiko zu senken. Zu beachten sind dabei z. B.:
Autor:
|
5 Minuten
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Beliebte Themen
Ernährung
Aus der Community
Push-Benachrichtigungen