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Das Darmmikrobiom ist die Summe aller mikroskopisch kleinen Bewohner, die den Verdauungstrakt vom Mund bis zum After besiedeln. Im Artikel geht es um die “Stuhltransplantation”: Sie wird bei nur einer einzigen Erkrankung durchgeführt, ist da aber absolut erfolgreich.
Das Darmmikrobiom ist deutlich mehr als eine Hilfstruppe von Einzellern beim Zerlegen der Nahrung in verwertbare Komponenten: Es ist ein Schlüssel zum Verständnis für das Auftreten von Autoimmunerkrankungen, steuert mit, ob und wann wir übergewichtig werden und womöglich an Diabetes oder Fettstoffwechselstörungen erkranken, und bestimmt, ob wir einzelne Medikamente nicht vertragen.
Gerät das fein austarierte Gleichgewicht zwischen den mehreren tausend Spezies aus der Balance, drohen chronische Entzündungen des Darms und anderer innerer Organe – und auch das psychische Wohlbefinden kann erheblich beeinflusst werden.
Die Mechanismen sind nur zum Teil entschlüsselt. Allen gemeinsam ist der Einfluss eines gestörten Darmmikrobioms auf die Barrierefunktion der Schleimhaut: Ist diese verändert, gelangen unkontrolliert Substanzen in die Blutbahn, die an hochspezialisierten Zellen einzelner Organe Funktionsstörungen wie eine Entzündungsreaktion hervorrufen können.
Bereits eine einwöchige Einnahme eines Antibiotikums ändert die Zusammensetzung und Aktivität der Darmflora dramatisch:
Dutzende Spezies verschwinden, andere nehmen ihren Platz ein. 88 Prozent der rund 2 000 üblicherweise im Stuhl nachweisbaren Metaboliten (das ist sozusagen ein Fingerabdruck der gesamten Bioaktivität aller Bakterienpopulationen) erscheinen in veränderten Konzentrationen. In diesem Umfeld kann es vorkommen, dass ungünstige Bakterien die Oberhand gewinnen.
Etwa einer von 20 Menschenträgt den Darmkeim Clostridium difficile in sich, der meist ein Schattendasein führt und weder Symptome verursacht noch sich ausbreitet. Die anderen Darmbakterien halten ihn in Schach. Wird die natürliche Darmflora aber aus ihrer Balance gebracht – etwa durch eine Antibiotikatherapie –, nutzt der Keim gern die Chance und breitet sich aus.
Die Clostridien können sehr hartnäckig sein: Bei rund jedem 10. Betroffenen behält die körpereigene Darmflora nicht mehr die Oberhand, und fast alle gängigen Antibiotika sind gegen den Keim wirkungslos.
Bei der antibiotikaassoziierten Dickdarmentzündung (Kolitis) kann sich Clostridium difficile ungehemmt vermehren. Die Bakterien produzieren Gifte (Toxine), die zu einer Entzündung der Darmschleimhaut und zu schweren, blutigen Durchfällen führen. Die übliche Therapie ist wiederum die Gabe spezieller Antibiotika, die gezielt das Clostridium-Bakterium bekämpfen. Bei etwa einem Fünftel der Patienten kommt es zu einem Rückfall, entweder durch Neubesiedelung oder durch inkomplette Eliminierung des Bakteriums.
In diesen Fällen hat sich die Stuhltransplantation als äußerst erfolgreicher Eingriff und schnell wirksame Therapie gezeigt – man nennt sie auch fäkale Bakteriotherapie oder schöner ausgedrückt eine Mikrobiota-Transplantation. Darunter versteht man die Übertragung des kompletten Mikrobioms von einer gesunden Person auf einen Patienten. Dabei wird der Stuhl eines gesunden Spenders in den Darm einer erkrankten Person übertragen. Dieser Vorgang hat zum Ziel, wieder eine normale Darmflora aufzubauen.
Am Tag der Transplantation bringt der Spender eine frische Stuhlprobe (50 bis 200 g) in die Klinik. Diese wird aufbereitet und in Lösung gebracht. Der Empfänger erhält eine Darmspülung. Danach wird ihm der fremde Stuhl mit einem Instrument zur Dickdarmspiegelung, einem Koloskop, oder alternativ über eine Sonde, die durch die Nase bis zum Dünndarm reicht (nasoduodenale Sonde) infundiert.
Das Therapieansprechen nach einmaliger Stuhltransplantation bei Patienten mit Clostridium-difficile-Infektion ist sehr schnell und dauerhaft. Dies scheint insbesondere auf die schnelle Erneuerung der Darmflora mit einer Stuhlgabe, die ein ausgewogenes Verhältnis krankmachender Bakterien zu gesunden, verdauungsfördernden und das Immunsystem stimulierenden Mikroben enthält, zurückzuführen zu sein. Es kommt zu einer Wiederbesiedlung mit balancierter Darmflora. 95 Prozent der Patienten können damit geheilt werden.
Basierend auf der aktuellen Datenlage, bei der Patienten mit wiederauftretenden bzw. sich anschließenden Clostridium-difficile-Infektionen behandelt wurden, sollte das genannte Verfahren vorwiegend bei diesen Patienten als Therapieoption angewendet werden. Sowohl Spender als auch Empfänger müssen vor der Übertragung umfangreich untersucht werden. In unserer Klinik bevorzugen wir Verwandte oder im selben Haushalt lebende gesunde Personen ohne chronische Erkrankungen. Durchfallepisoden oder antibiotische Behandlungen in den letzten sechs Monaten sind Ausschlusskriterien.
Die Stuhltransplantation wird bei einer Reihe weiterer Erkrankungen getestet, nicht nur bei Reizdarm, sondern auch bei chronischer Verstopfung, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn und sogar beim Metabolischen Syndrom. Möglicherweise stellt die Stuhlübertragung in Zukunft sogar eine Therapie bei Adipositas (krankhaftem Übergewicht) und Typ-1- sowie Typ-2-Diabetes dar.
Man geht davon aus, dass bestimmte Bakterien in der Bauchspeicheldrüse eine lokale Entzündung verursachen können, die dann den Autoimmunprozess in Gang setzt und letztlich zur Zerstörung der Betazellen führt. Der Einsatz bei diesen Erkrankungen sollte allerdings nur in Studien erfolgen.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (3) Seite 26-27
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