- Behandlung
Heilt tiefste Wunden: Fischhaut
5 Minuten
Trotz überzeugenden Erfolgen bei der Behandlung des Diabetischen Fußes setzt sich eine innovative Methode nicht in der Breite durch. Warum das so ist? Das fragt sich unser Kolumnist Hans Lauber, der das Verfahren ausführlich vorstellt.
Starke Nerven braucht, wer diese Fotos betrachtet: Sie zeigen sehr tiefe und komplexe Wunden, wie sie vor allem bei Diabetes entstehen können. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen alten Mann, der am 21. Juni 2021 in die Kölner Uniklinik kam. Bei dem Patienten musste bereits bis auf die Ferse der Fuß amputiert werden – und es drohte fast unweigerlich der Verlust des kompletten Unterschenkels ab dem Knie. Dieses Schicksal wollte der Oberarzt der Poliklinik für Gefäßchirurgie Dr. med. Tran Tong Trinh dem Patienten ersparen – und er nahm den Kampf mit der schwärenden Wunde auf.
Fast hoffnungsloser Fall: Bis auf den Knochen reichende Wunde
Knapp drei Monate später konnten sich Arzt und Patient über erste Erfolge freuen: Ein Großteil der offenen Wunde war im Prozess des Abheilens – und das ist einem seit längerem bekannten Verfahren zu verdanken, das aber nur selten angewandt wird, nämlich einer Wundauflage mit präparierter Haut vom isländischen Kabeljau. Einmal pro Woche legte der erfahrene Arzt die von lebenden Zellen gereinigte, von Krankheitskeimen befreite Fischhaut in die Wunde – zu sehen an den kleinen gelben Stellen, die auch deutlich nach Fisch riechen.
Hoffnung keimt auf: Die Wunde ist deutlich im Abheilen
Tiefes Aufatmen nach 24 Wochen am 22. November 2021: Der „Last Endpoint“ ist erreicht. Die Wunde ist vollständig geschlossen, der Unterschenkel ist gerettet – und auch jetzt nach bald drei Monaten ist der Patient ohne Beschwerden und sagt dankbar und erleichtert: „Plötzlich hatte ich nicht mehr das Gefühl, krank zu sein“. Ein kleines Wunder, denn jedes Jahr gibt es in Deutschland vor allem als Folge von nicht oder schlecht heilenden Wunden bei Diabetes um die 20 000 Amputationen, trotz meistens gut eingestellten Blutzuckerwerten.
Ein kleines Wunder: Die Wunde ist vollständig abgeheilt
Zu verdanken ist das Wunder einem Produkt der isländischen Firma Kerecis, welche diese dezellularisierte Matrix aus Fischhaut herstellt. Warum sich die Kabeljauhaut so ideal zur Wundheilung eignet, zeigt mir Dr. Trinh an einer Grafik: So ähneln sich vom Kollagen (also den Strukturproteinen des Bindegewebes) über das Fibronektin (ein Gewebe regenerierendes Protein) bis hin zu den Proteoglykanen (dienen der Stabilisierung der Zellen) die Matrix-Moleküle von Fisch- und Menschenhaut auf verblüffende Weise. Aber nicht nur das: Die Fischhaut ist reich an Omega-3-Fetten, die im Körper in Stoffe umgewandelt werden, welche Entzündungen dämpfen, Bakterien abtöten und die Wundheilung befördern – und das sehr viel nachhaltiger als andere Hautersatzstoffe, zu denen auch präparierte Schweinedärme gehören.
Teurer als Gold: Präparierte Fischhaut der Firma Kerecis
Klingt alles sehr überzeugend. Klingt nach einer Erfolgsgeschichte. Ist es aber leider nicht, denn die Methode hat einen entscheidenden Nachteil: „Sie ist rund 50 Prozent teurer als die herkömmlichen Verfahren“, sagt Prof. Bernhard Dorweiler, Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie an der Uniklinik Köln. Der Arzt muss es wissen, denn er hat zusammen mit Dr. Trinh bereits 2016 in der Mainzer Uniklinik als Erster in Deutschland damit Wunden geheilt. Und die beiden haben zusammen mit gefäßchirurgischen Zentren in Hamburg und Karlsruhe die erste umfassende Studie zu diesem Heilverfahren verfasst, die 2018 veröffentlicht worden ist. Dabei wurden 25 Problemwunden behandelt, von denen viele teilweise über Wochen mit konventionellen Methoden erfolglos therapiert wurden. Nicht nur heilten die Wunden sehr gut, sondern die Patienten konnten sich auch über deutlich geringere Wundschmerzen freuen. Ermutigende Ergebnisse, die auch Chefarzt Prof. Diethelm Tschöpe vom Diabeteszentrum Bad Oeynhausen bestätigen kann.
Weniger Schmerzen bedeuten weniger menschliches Leid. Nur, in solchen Kategorien wird in unserem Gesundheitssystem selten gedacht. Da dominieren ganz stark wirtschaftliche Überlegungen. Da spielt eine Rolle, dass ein Quadratzentimeter der rettenden Matrix über 20 Euro kostet, „weshalb das Material teurer als Gold ist“, so Prof. Dorweiler.
Pioniere innovativer Wundheilung: Prof. Dorweiler, Dr. Trinh
Den gesetzlichen Kassen ist das zu teuer, weshalb sie nicht zahlen – und das, obwohl die Behandlung oft sehr viel schneller und unkomplizierter funktioniert als mit herkömmlichen Wundauflagen, die oft alle zwei Tage gewechselt werden müssen. Auch ist es bei sehr tiefen Wunden, wo Sehnen, wo Knochen freiliegen, vielfach die einzig erfolgversprechende Methode – als Alternative zu einer Amputation. Auch die breit von der EU geförderte sogenannte ODIN-Studie, an der die beiden seit einem Jahr in Köln wirkenden Ärzte teilnehmen, kann diese Einschätzung wohl nicht mehr grundlegend ändern. Obwohl es genau das Ziel dieser länderübergreifenden Studie war, Daten und Fakten zu generieren, um den Kassen Argumente dafür zu liefern, die Wundheilung mit Fischhaut zu einer Standardtherapie zu machen.
Völlig anders die Situation in den USA: „Dort ist die Behandlung mit der Fischhaut der Standard“, und Prof. Dorweiler weiß auch warum: „Das Verfahren wurde massiv von der US-Army gefördert“, was wohl geholfen hat, die Heilung mit der Fischhaut in der Breite durchzusetzen. Was auch geholfen hat: Die Amerikaner haben bei ihrem Zulassungsverfahren ganz stark von den Ergebnissen der Dorweiler-Studie profitiert, die praktischerweise auf englisch publiziert wurde.
Und bei uns? „Die Methode wird bleiben“, ist Prof. Dorweiler überzeugt. Aber sie wird wahrscheinlich auf einen überschaubaren Kreis beschränkt bleiben, vor allem wohl von Privatpatienten. Wobei meine Erfahrung mit den Kassen ist, dass sich in speziellen Fällen (etwa, wenn eine Amputation droht) oft ein vertrauliches Gespräch mit dem Versicherungsträger lohnt.
Vernünftige Ansätze. Sie können allerdings nicht verhindern, dass diese schonende Form der Wundheilung bei uns nicht den Stellenwert erhält, der diesem innovativen Verfahren gebührt.
Tut gut, schmeckt gut: Konfierter Kabeljau
Omega-3-Fette aus der Fischhaut müssen mühsam und kostspielig aufbereitet werden, bevor sie ihre Wunden und Entzündungen heilende Wirkungen entfalten können. Deutlich günstiger funktioniert das mit frischem Kabeljau, der im Winter als besonders wohlschmeckender Skrei verkauft wird – und der ebenfalls Entzündungen dämpft sowie das Immunsystem stärkt, was gerade jetzt besonders wichtig ist.
So gelingt der Fisch: Den Skrei in ein Pfännchen legen, das nicht viel größer als der Fisch ist. Dann eine Mischung aus Olivenöl, Mineralwasser und Zitronensaft bis zur halben Fischhöhe angießen. Den Fisch bei 80 Grad rund 20 Minuten im Ofen ziehen und danach zehn Minuten ruhen lassen, salzen, pfeffern. Konfieren heißt diese vom berühmten Bodensee-Fischkoch Klaus Neidhart propagierte sanfte Methode, welche die Vitalstoffe schont und den Skrei glasig-saftig lässt. Bestens dazu schmecken gedünstete Champignons, die mit Omega-3-fittem Walnussöl aromatisiert werden.
Mein Kombinations-Vorschlag: Wer eine äußerliche Wundentherapie mit Kabeljauhaut bekommt, erweitert das um eine innere Genusstherapie mit konfiertem Fisch. So entfaltet sich die gesamte therapeutische Bandbreite der gesunden Fette.
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
Internet: www.lauber-methode.de
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bloodychaos postete ein Update vor 2 Tagen, 8 Stunden
Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.
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loredana postete ein Update vor 4 Tagen, 4 Stunden
Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.
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Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.
So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.
Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.
Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷♂️
Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
(Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)
@ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.
@bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).