Insulinpflichtige Piloten können sicher fliegen

3 Minuten

© ambrozinio - Fotolia
Insulinpflichtige Piloten können sicher fliegen

Nach Kanada ist Großbritannien weltweit erst das zweite Land, in dem Menschen, die mit Insulin behandelt werden, trotzdem eine Berufspilotenlizenz erhalten können. Ein striktes Protokoll und medizinisches Prüfverfahren sollen die Sicherheit gewährleisten. Eine nun durchgeführte Analyse zeigt, dass dieses Programm sehr gut funktioniert.

Anhand einer Studie konnten britische Forscher belegen, dass Piloten auch mit einem insulinpflichtigen Diabetes Flugzeuge sicher führen können. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden auf dem diesjährigen Kongress der Europäischen Gesellschaft zur Erforschung des Diabetes (European Association for the Study of Diabetes – EASD) vorgestellt, der derzeit (12. bis 16. September 2016) in München stattfindet.

Umfangreiches Prüfprotokoll mit strikten Kriterien soll Sicherheit gewährleisten

Im Jahr 2012 war Großbritannien nach Kanada das weltweit erst zweite Land, in dem Menschen, die mit Insulin behandelt werden, ein medizinisches Attest erster Klasse erhalten konnten, das Voraussetzung ist für den Erwerb einer Berufspilotenlizenz (Commercial Pilot Licence – CPL). Ein Gremium von Medizinern und Luftfahrtexperten hat dazu ein umfangreiches Prüfprotokoll entwickelt. Zertifizierte Piloten müssen anschließend strikte Bedingungen erfüllen, die von der nationalen Luftfahrtbehörde streng überprüft werden – inklusive engmaschiger Blutzuckerkontrollen vor dem Flug und während des Fluges.

Dadurch hat das Vereinigte Königreich mittlerweile die größte Gruppe an insulinpflichtigen Piloten. Die nun präsentierte Studie untersuchte die ersten Erfahrungen und vor allem die Sicherheit dieses Programms. Dazu wurden Daten von allen insulinbehandelten zertifizierten Piloten erhoben. Dies umfasste:

  • Alter,
  • Datum des Erhalts des Klasse-1-Attests,
  • Typ und Dauer des Diabetes,
  • Art der Diabetestherapie,
  • Begleiterkrankungen,
  • Kontrolluntersuchungen für Folgeerkrankungen,
  • alle verfügbaren HbA1c-Werte vor und nach Erhalt der Lizenz
  • sowie alle durchgeführten Flüge mit den dazugehörigen Blutzuckerwerten.
Die Forscher des Royal Surrey County Hospitals in Guildford und der zivilen Luffahrtbehörde Großbritanniens (Civil Aviation Authority – CAA) verglichen die durchschnittlichen HbA1c-Werte vor und nach Erwerb der Berufspilotenlizenz. Außerdem wurden die vor den Flügen und während der durchgeführten Flüge gemessenen Blutzuckerwerte den diesbezüglichen Bereichsvorgaben der Luftfahrtbehörde zugeordnet:
  • Bereich “grün”: 90 bis 270 mg/dl (5,0 bis 15,0 mmol/l),
  • Bereich “orange”: 72 bis 90 und 270 bis 360 mg/dl (4,0 bis 5,0 und 15,0 bis 20,0 mmol/l),
  • Bereich “rot”: unter 72 oder über 360 mg/dl (unter 4,0 oder über 20,0 mmol/l).

Nur 19 von fast 9.000 gemessenen Blutzuckerwerten lagen im roten Bereich

Die Ergebnisse der Datenanalyse: 26 insulinpflichtige Piloten haben das medizinische Attest erster Klasse erhalten. Diese sind alle männlich mit einem durchschnittlichen Alter von 41 Jahren. 85 Prozent von ihnen haben einen Typ-1-Diabetes, die durchschnittliche Diabetesdauer beträgt 8 Jahre und zwischen Lizenzerhalt und Datenerhebung lagen im Schnitt 19,5 Monate. Vor dem Lizenzerhalt lag der HbA1c-Wert im Schnitt bei 7,01 Prozent bzw. 53,1 mmol/mol, bei der Datenerhebung betrug er 7,16 Prozent bzw. 54,8 mmol/mol.

Insgesamt flossen 8.897 Blutzuckerwerte, die während 4.900 Flugstunden gemessen wurden, in die Analyse mit ein. Bei den Kurz- und Mittelstreckenflügen (unter 6 Stunden) waren 96 Prozent (7.829) der Werte im grünen Bereich der Luftfahrtbehörde; bei den Langstreckenflügen (über 6 Stunden) waren es 97 Prozent (1.068). Im roten Bereich waren auf allen Strecken insgesamt nur 0,2 Prozent (19) der Werte. Eine medizinisch bedingte Fluguntauglichkeit eines Piloten aufgrund zu hoher oder zu niedriger Blutzuckerwerte kam nicht vor.

Piloten müssen exzellente Blutzuckereinstellung sowie Diabetes-Kenntnisse nachweisen

Studienleiterin Dr. Christine Hine (Royal Surrey County Hospital) kommentierte die Ergebnisse wie folgt: „Insulinbehandelte Piloten müssen eine exzellente Blutzuckereinstellung sowie Kenntnisse über ihren Diabetes nachweisen können, um ein medizinisches Attest erster Klasse zu erhalten. Eine wachsende Zahl insulinbehandelter Piloten hat sich seitdem in Großbritannien erfolgreich um eine Berufspilotenlizenz beworben. Bislang hat sich das Protokoll der britischen Luftfahrtbehörde als gut funktionierend erwiesen, ohne Berichte über Sicherheitsprobleme sowie ohne Verschlechterung der jeweiligen Diabeteseinstellung.“

„Engmaschiges Blutzuckermessen im Cockpit stellt sicher, das jegliche Schwankung erkannt und frühzeitig korrigiert werden kann“, so Hine weiter. „Ist ein Pilot aufgrund von Anforderungen bezüglich der Flugzeugführung zeitweilig nicht in der Lage, seinen Blutzucker zu messen, muss er laut Protokoll als Vorsichtsmaßnahme 10 bis 15 g leicht absorbierbare Kohlenhydrate zu sich nehmen und dann die Messung innerhalb von 30 Minuten nachholen.“

Die Analyse der Daten insulinpflichtiger Piloten wird zukünftig kontinuierlich fortgesetzt. Sollten bereits lizensierte Piloten eine Diabeteserkrankung entwickeln, können sie von nun an das Prüfprotokoll der Luftfahrtbehörde durchlaufen, um bei Erfüllung der Kriterien ihre Fluglizenz zu behalten.

Irland hat sich dem Programm bereits angeschlossen, andere Staaten zeigen Interesse

Im April 2015 hat sich Irland dem britischen Programm angeschlossen. Laut Hine haben bereits zahlreiche weitere europäische Staaten ihr Interesse daran bekundet. In Deutschland werden Bewerber um ein Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1 mit insulinpflichtigem Diabetes bislang noch generell als untauglich beurteilt – können also keine Berufspilotenlizenz erwerben.


von Gregor Hess
Redaktion diabetes-online.de, Kirchheim-Verlag,
Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-online.de

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Diabetes-Anker-Podcast: Von der Insulin-Entdeckung zu modernen Diabetes-Therapien – mit Prof. Thomas Forst

Von tierischen Extrakten zu Insulin‑Analoga: In dieser Podcast-Folge beschreibt Prof. Dr. Thomas Forst den Weg von der lebensrettenden Insulin-Entdeckung vor einem Jahrhundert hin zu den modernen Insulin-Therapien sowie zu neuen medikamentösen Optionen bei Typ‑2‑Diabetes.
Diabetes-Anker-Podcast: Von der Insulin-Entdeckung zu modernen Diabetes-Therapien – mit Prof. Thomas Forst | Foto: zVg

2 Minuten

Jeder Dritte erkrankt an Gürtelrose: Vorsorge für Ältere und chronisch Kranke besonders wichtig

Gürtelrose wird vom Windpocken-Virus ausgelöst. Sie kann von einem Ausschlag, aber auch langwierigen Nervenschmerzen begleitet sein und die Lebensqualität stark mindern. Die STIKO empfiehlt daher besonders Älteren und chronisch Kranken zur Vorsorge eine Impfung.
Jeder Dritte erkrankt an Gürtelrose: Vorsorge für Ältere und chronisch Kranke besonders wichtig | Foto: Publicis China / Publicis UK – ASSET-242627

3 Minuten

Anzeige

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 3 Wochen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

Verbände