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Wer an CGM-Systeme denkt, stellt sie sich häufig automatisch als Erweiterung einer Insulinpumpentherapie vor. Immerhin tragen viele der technikaffinen Typ-1-Diabetiker, die im Netz über ihre Erfahrungen mit dem neuesten Equipment berichten, beides: Pumpe und Sensor. Dabei ist eine Insulinpumpe kein Muss, wenn man die Vorzüge der kontinuierlichen Glukosemessung nutzen möchte. In letzter Zeit gibt es auch immer mehr wissenschaftliche Studien, in denen der Effekt der kontinuierlichen Glukosemessung im Zusammenhang mit Insulinpens (ICT) untersucht wird. Und schon stellt sich die Frage, welches Instrument mehr zum Therapieerfolg beiträgt: die Pumpe oder das CGM-System? Hierzu hielten Dr. Lalantha Leelarathna, Diabetologe aus Manchester, und sein Kollege Prof. Hans DeVries aus Amsterdam Pro- und Contra-Vorträge im Rahmen des Kongresses Advanced Technologies and Treatments of Diabetes (ATTD), der Mitte Februar in Wien stattgefunden hat.
So eine Entweder-Oder-Frage ist natürlich blöd. Am besten wäre es doch, wir müssten uns nicht entscheiden, sondern könnten bei Bedarf jederzeit gern eine Insulinpumpe PLUS ein CGM-System haben. Doch wir wissen schließlich alle, dass sowohl eine Insulinpumpe als auch ein CGM-System bei der Krankenkasse beantragt werden müssen und durchaus nicht immer bewilligt werden. Wovon profitiert man also mehr? Kann man das überhaupt seriös ermitteln?
Mein Eindruck war, dass da die sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen verglichen werden. Allerdings war das den beiden Experten auch völlig bewusst, von denen sich eigentlich keiner so recht auf die eine oder die andere Seite schlagen mochte. Dennoch übernahm Dr. Lalantha Lelarathna den Part des Pumpen-Fürsprechers: „Wenn man berücksichtigt, dass Typ-1-Diabetes eine Erkrankung ist, die durch einen Insulinmangel gekennzeichnet ist, dann sollte man als Erstes einem Therapieinstrument den Vorzug geben, bei dem das Insulin möglichst physiologisch zugeführt wird. Und das ist die Insulinpumpe.“
Und schon warf er eine Vortragsfolie nach der anderen an die Wand. Studien, wonach sich mit einer Insulinpumpentherapie schwere Hypoglykämien leichter vermeiden lassen als mit einer Pentherapie. Weitere Veröffentlichungen, wonach sich die HbA1c-Werte mit einer Insulinpumpe verbessern und außerdem weniger Todesfälle, Herzinfarkte, Schlaganfälle und andere Folgeerkrankungen auftreten – Stichwort Netzhaut-, Nerven- oder Nierenschäden. Außerdem Belege dafür, dass man mit Hilfe der Insulinpumpentherapie die tägliche Gesamtinsulinmenge deutlich reduzieren kann.
Dr. Lelarathna gab allerdings zu bedenken, dass viele der zitierten Studien nur bedingt aussagekräftig seien: So habe man in keiner der Studien berücksichtigt, ob die Teilnehmer jemals an einer Diabetes-Schulung teilgenommen hatten, wie motiviert sie waren, ob sie in ihrem persönlichen Umfeld mit Unterstützung rechnen durften und ob sie psychisch gesund waren. Wie wir alle wissen, sind diese „weichen“ Faktoren aber mindestens ebenso wichtig wie die harten Fakten zur Diabetestherapie. Und tatsächlich gibt es auch eine Studie, aus der hervorgeht, dass der HbA1c-Wert nach einer (erneuten) Schulung sinkt, egal ob man nun eine Insulinpumpe oder einen Insulinpen nutzt.
An diesen Gedanken knüpfte auch Prof. Hans DeVries an, als er sagte: „Ich habe ein generelles Problem mit Studien, in denen die Insulinpumpentherapie mit der ICT verglichen wird.“ Denn schließlich kehrten Typ-1-Diabetiker dem Insulinpen meist deshalb den Rücken, weil sie damit ihre Therapieziele nicht erreichen oder anderweitig unglücklich damit sind. „Diejenigen, die unter einer ICT häufig schwere Hypoglykämien haben, steigen auf eine Insulinpumpentherapie um – und denen hilft sie auch“, erklärte Prof. DeVries. Diese Unterscheidung habe man in den bis dato veröffentlichten Studien aber nicht getroffen – und deshalb könne man auch nicht damit argumentieren, dass mit einer Insulinpumpe weniger Folgeerkrankungen auftreten.
Bleibt also die Blutzuckereinstellung. In diesem Punkt hält Prof. DeVries die kontinuierliche Glukosemessung der Insulinpumpentherapie gegenüber tatsächlich für überlegen. In Zahlen ausgedrückt: Mit einer Insulinpumpe sinkt der HbA1c-Wert gegenüber der Pentherapie nur um 0,3 Prozent, mit einem CGM-System hingegen um 0,5 bis 0,8 Prozent. „Der zentrale Vorteil eines CGM-Systems ist ganz einfach die lückenlose Information, die es liefert“, meinte Prof. DeVries. Sein Fazit: Wenn er einen Patienten vor sich hat, der Probleme mit häufigen Unterzuckerungen oder starken Blutzuckerschwankungen hat, dann würde er ihm erst einmal ein CGM-System und erst dann ggf. eine Pumpe empfehlen.
„Bei alledem muss man aber auch bedenken, dass die heute vielzitierten Studien in vielerlei Hinsicht überholt sind“, gab Prof. DeVries zu bedenken. Denn diese Veröffentlichungen stammen aus den Jahren 2011 bis 2017 und beziehen sich auf Behandlungsdaten aus den Jahren davor. Die heutigen CGM-Systeme sind aber kaum mit den damaligen zu vergleichen: Sie sind mittlerweile wesentlich komfortabler und genauer geworden. Auch viele Studien zu Insulinpumpen bilden längst nicht mehr den neuesten Stand der Dinge ab, denn sie wurden noch vor der Ära der CGM-Systeme durchgeführt und basieren damit auf Beobachtungen, die mit klassischer Blutzuckermessung angestellt wurden.
Es ist also müßig, sich auf Vergleiche von Äpfeln mit Birnen zu berufen, wenn man für sich herausfinden möchte, ob man zuerst ein CGM-System oder doch lieber zuerst eine Insulinpumpe beantragen sollte. Was mich allerdings freut, ist die Tatsache, dass sich in der Diabetesszene doch immer mehr die Erkenntnis durchsetzt, dass eine Insulinpumpe keine Vorbedingung für die Nutzung eines CGM-Systems ist. Denn damit steht die kontinuierliche Glukosemessung auch Menschen wie mir offen, die bislang einfach keine Lust auf eine Insulinpumpe haben und auch keinen rechten Bedarf für sie sehen.
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