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Amputation … und danach? Niemand beschäftigt sich gern mit Themen, die Schrecken verbreiten, die man in seinem Leben am besten nie erleben möchte. Mit dem Wissen, was im Fall der Fälle unbedingt zu beachten ist, kann man aber verhindern, dass Einbußen schlimmer als nötig werden.
Probleme am Fuß können in drei Hauptkategorien unterteilt werden: Infektion, Durchblutungsstörung und Verformung. Diese kommen natürlich auch kombiniert vor. Das Fußulkus, eine schlecht heilende Wunde am Fuß, kommt bei allen dreien vor, sei es als Auslöser oder als Folge.
Bei einer Infektion des Fußes ist die Operation immer nur ein Teil der Behandlung, neben Entlastung des betroffenen Fußes und Gabe von Antibiotika. Wenn der Entzündungsprozess Gewebe unwiederbringlich zerstört hat, muss dieses so radikal wie nötig, gleichzeitig so sparsam wie möglich entfernt werden.
In der Tiefe liegende Infektionen müssen durch einen ausreichend großen Schnitt (oder mehrere) wirksam eröffnet werden – ansonsten erhöht sich der Druck stark in den engen Räumen des Fußes. Dieser Druck führt dann zu einem weiteren Gewebeuntergang. In die abgestorbenen und damit nicht mehr ausreichend durchbluteten Teile können Antibiotika nicht mehr in ausreichender Wirkstärke gelangen.
Das Prinzip von Operationen bei Infektionen besteht also darin, infiziertes und zugrunde gegangenes Gewebe zu entfernen. Dabei wird unterschieden zwischen Infektionen der Weichteile und Infektionen des Knochens.
Schwere Weichteilinfektionen ziehen oft eine offene Wundbehandlung nach sich. Die Wunde wird am Ende der Operation nicht zugenäht, sondern mit desinfizierendem Verbandmaterial aufgefüllt. Tägliche Verbandwechsel führen im weiteren Verlauf zu einer allmählichen Heilung aus der Tiefe heraus, manchmal unterstützt durch eine Vakuumversiegelung. In einigen Fällen ist ein kompletter Wundverschluss möglich, ansonsten muss eine plastische Deckung des Defektes durchgeführt werden.
Bei Infektionen des Knochens muss die Abrollfunktion und Tragfähigkeit des Fußes nach einer Operation beachtet werden. Knochen kann nicht beliebig entfernt werden, insbesondere wenn die Funktion des Fußes dadurch über Gebühr beeinträchtigt wird. Wenn nur eine sehr aufwändige Versorgung mit orthopädie-technischen Hilfsmitteln die Belastungsfähigkeit des operierten Fußes gewährleisten kann, ist die Mobilität und Selbständigkeit des Patienten möglicherweise dadurch stärker beeinträchtigt als bei einer Amputation.
Eine vorhandene diabetische Nervenerkrankung (Polyneuropathie), die ja zunächst zum Entstehen des Problems beiträgt, kann im Gegenzug dazu genutzt werden, von den herkömmlichen Operationsmethoden abweichende Techniken anzuwenden. Wenn hauptsächlich eine tiefe Knocheninfektion im mittleren Abschnitt des Fußes bei noch weitgehend intakter Haut vorliegt, kann eine Amputation des Fußes vermieden werden, indem nur der infizierte Knochen entfernt wird.
Dabei haben dann Ferse und Vorfuß keine knöcherne Verbindung mehr. Durch einen lang anhaltenden Schrumpfungsprozess nähern sich die knöchernen Anteile wieder an. Im Laufe der Zeit stabilisiert sich der Fuß so weit, dass wieder eine Schuhversorgung möglich ist.
Gelegentlich ist es auch notwendig, die Stabilisierung des Fußskelettes durch operative Maßnahmen zu unterstützen. Diese inneren Amputationen erlauben beim Diabetischen Fußsyndrom (DFS) eine ausreichend radikale Infektsanierung bei gleichzeitig größtmöglichem Erhalt des Fußes. Nicht immer muss gleich der gesamte Mittelfuß oder die Fußwurzel entfernt werden. Bei rechtzeitiger Therapie kann in vielen Fällen die Entfernung von Skelettteilen auf einzelne Knochen begrenzt werden.
Zum Beispiel kann bei einem Fußballen-Ulkus mit Knocheninfektion des darüberliegenden Mittelfußknochens dieser in minimal-invasiver Technik entfernt werden. Dazu wird mit einem Skalpell ein kleiner Schnitt in die Haut am Fußrücken gesetzt, der Knochen durchtrennt und dann durch die Öffnung des Ulkus herausgezogen.
Reine Durchblutungsstörungen, das heißt ohne gleichzeitig vorliegende Polyneuropathie, sind eher selten und machen sich in der Regel durch Geschwüre oder abgestorbenes Gewebe (Nekrosen) bemerkbar, die an entlegensten Körperregionen beginnen, also vor allem an den Zehen. Die erste Maßnahme wäre natürlich eine Verbesserung der Durchblutung. Im Folgenden geht es also um die Situationen, wo dieses schon geschehen oder auch nicht mehr möglich ist.
Im Fall einer Amputation muss dann die Grenzziehung in einer Region erfolgen, in der noch eine ausreichende Blutversorgung vorhanden ist, damit die Hautnaht heilen kann. Dies lässt sich in vielen Fällen erst während der Operation mit hinreichender Sicherheit beurteilen, technische Untersuchungen (Angiographie) können zu einer zu hohen Amputation verleiten. Es kommt demnach in erster Linie auf die Erfahrung des Operateurs an, der kein Anfänger sein darf:
Er muss nämlich nicht nur die Qualität des Gewebes und damit die Heilungschancen beurteilen können, sondern auch sämtliche Amputationslinien am Fuß und deren Variationen kennen. Nach dem Scheitern einer Großzehenamputation kommt eben nicht als nächstes die Amputation im Oberschenkel, “weil alles andere sowieso nicht heilt”!
Sharp, Lisfranc, Chopart, Bona-Jäger und Syme sind die Namen chirurgischer Vorväter, nach denen Amputationslinien am Fuß bis heute benannt sind. Aufsteigend handelt es sich dabei um die Amputation durch: die (Basis der) Mittelfußknochen, das Fußwurzel-Mittelfuß-Gelenk, die Fußwurzel, das Rückfuß-Fußwurzel-Gelenk und das obere Sprunggelenk. All diese Amputationen gehören noch zu den Minor-, sprich kleineren Amputationen. Erst oberhalb davon, ab einer Amputation durch den Unterschenkel, sprich man von einer Major-Amputation.
Klassisch erfolgt die plastische Deckung der Fußstümpfe mit der robusten und von der Natur für die Belastung beim Stehen und Gehen gemachte Sohlenhaut. Falls das aufgrund einer Schädigung dieser Haut nicht möglich ist, kann alternativ Haut vom Fußrücken herangezogen werden. Der Nachteil einer weniger belastbaren Haut wird in geeigneten Fällen durch einen längeren knöchernen Fußstumpf mehr als aufgewogen.
Je länger der Fußstumpf bei der Operation belassen werden konnte, desto mehr Sehnen behalten ihre Funktion. Dadurch hat ein längerer Fußstumpf einen besseren Hebel (Kraftarm), ist auch besser dynamisch balanciert und neigt dadurch weniger zu im Laufe der Zeit entstehenden Fehlstellungen – denn diese Verformungen sind wieder ein Risiko für eine Ulzeration und damit womöglich für eine Nachamputation.
Kommt zur Durchblutungsstörung eine Infektion hinzu, verschlechtern sich die Behandlungsaussichten in dem Sinne, dass meistens eine höhere Amputationslinie gewählt werden muss. Eine eventuell gleichzeitig bestehende Abhängigkeit von Blutwäsche (Dialyse) potenziert das Ganze. An der Einteilung von Ulzerationen in Schweregrade lässt sich also bereits zu Beginn abschätzen, wie die Erfolgsaussichten der Behandlung sind. Ein oberflächliches, infektfreies Ulkus bei guter Durchblutung erfordert meist nicht einmal eine Operation. Ein bis auf den Knochen reichendes, infiziertes Ulkus bei schlechter Durchblutung hingegen erfordert meist nicht nur eine Operation, sondern oft eine Amputation.
Ein Fußulkus muss wie gesagt unbedingt zeitnah und effektiv behandelt werden. Auch immer wiederkehrende (rezidivierende) Ulzerationen beherbergen ein erhebliches Gefahrenpotential. Da Fehlstellungen (Deformitäten) des Fußes oder störende Knochenvorsprünge einen bedeutsamen Risikofaktor für die Entstehung eines Fußulkus darstellen, sollte bei ausbleibendem Langzeiterfolg trotz bestmöglicher konservativer Therapie mit orthopädischen Hilfsmitteln operative Maßnahmen überlegt werden.
Dazu zählen Abtragungen von Knochenvorsprüngen, Eingriffe an den Sehnen, komplexe knöcherne Korrekturen aus der orthopädischen Fußchirurgie. Ziel dieser operativen Maßnahmen muss sein, die Form und die Biomechanik des Fußes wieder so weit zu rekonstruieren, dass schädliche Druckspitzen während des Stehens und Gehens vermieden werden können.
Aber Achtung: Nicht jede Fußverformung beim Diabetischen Fußsyndrom soll prophylaktisch operiert werden, wenn bis dato eine Versorgung mit Schuhen problemlos möglich war.
Die Operation ist immer nur ein Glied in der Behandlungskette beim DFS. Rehabilitation und Hilfsmittelversorgung gehören unabdingbar zum Behandlungskonzept dazu. Da eine Kette nur so gut sein kann wie ihr schwächstes Glied, nutzt eine erfolgreiche Operation allein wenig, wenn eine adäquate Nachbehandlung nicht gewährleistet ist.
Viele, vor allem ältere Patienten können nach der stationären Behandlung im Akutkrankenhaus weder nach Hause gelassen noch in eine Rehabilitationsklinik verlegt werden: Denn der operierte Fuß muss auch nach Abschluss der Wundheilung meist noch einige Wochen entlastet oder zumindest geschont werden. Einen Lösungsansatz bietet hier die Frührehabilitation im Akutkrankenhaus. Die Patienten werden im Anschluss an die Operation unter engmaschiger Aufsicht durch die Operateure mit Hilfsmitteln versorgt und stufenweise mobilisiert.
Nach Abschluss der Frührehabilitation, die eine Pflegebedürftigkeit vermeiden soll, können die Patienten wieder in ihr häusliches Umfeld entlassen werden oder durch eine sich noch anschließende stationäre Behandlung in einer Rehabilitationsklinik dahin gebracht werden.
Nach Amputationen im Bereich des Fußes muss zumeist lange gewartet werden, bevor das Gehtraining beginnen kann. Eine stabile Vernarbung sollte sicherstellen, dass der Fußstumpf bei Belastung nicht gleich wieder aufplatzt – vor allem wenn die Naht in der Belastungszone liegt. Das erste Hilfsmittel ist dabei in der Regel nicht gleich ein Schuh, sondern zuerst eine Interimsprothese – ein Hilfsmittel mit einer vorgesehenen Einsatzdauer von mehreren Wochen oder Monaten. Die starre Verbindung des Fußteils mit dem bis zum Knie hinaufreichenden Schaft reduziert effektiv Druck- und Scherkräfte im Bereich des Fußstumpfes.
Unter günstigen Umständen kann auch eine konfektionierte Unterschenkelorthese als Vorfußprothese (nach Amputationen spricht man definitionsgemäß von Prothesen) zweckentfremdet werden. Dazu ist meist erforderlich, eine nach Maß angefertigte Einlage mit integriertem Vorfußersatz einzupassen. Auch ein gut angeformter Unterschenkelgehgips kann in der ersten Phase der Rehabilitation eingesetzt werden.
Im weiteren Verlauf hängt es dann von der Länge des Vorfußstumpfes und von begleitenden Handicaps ab, ob ein Schuh oder eine Prothese als endgültige Versorgung gewählt werden kann. Ein Lisfranc-Stumpf, bei dem also noch die Fußwurzel erhalten werden konnte, ist in der Regel noch mit einem entsprechend zugerichteten Schuh zu versorgen. Als Zurichtung werden eine Sohlenversteifung mit Abrollsohle und eine Einlage mit Vorfußersatz benötigt. Der kürzere Chopart-Stumpf ist an der Grenze zwischen Schuh und Prothese. Falls ein Schuh noch in Frage kommt, handelt es sich dann meist um einen Maßschuh mit hohem Schaft: ein Arthrodesenstiefel.
Eine Prothese mit hohem Schaft kommt vor allem dann zum Tragen, wenn der Fußstumpf sehr instabil und muskelschwach ist oder sich in einer dauerhaften Fehlstellung befindet, die zu erhöhtem Druck über knöchernen Vorsprüngen führt. Hierbei besteht ein deutliches Risiko, dass es erneut zu Druckstellen oder Ulzerationen kommt. Verstärkt wird die Problematik noch im Fall von schlechter Weichteildeckung über den Knochenvorsprüngen. Ein weiterer Grund, eher zu einer hohen Prothese als zu einem Schuh zu greifen, wäre eine auf der Gegenseite schon bestehende Amputation. Faktoren, die zu einer Unsicherheit beim Stehen und Gehen führen, sprechen ebenfalls für eine Prothesenversorgung.
von Dr. Armin Koller,
Kontakt:
Ltd. Arzt Technische Orthopädie & Fußchirurgie, Mathias-Spital Rheine, E-Mail: a.koller@Mathias-Spital.de
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2015; 64 (2) Seite 26-29
5 Minuten
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