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Eine “Ketoazidose” meint eine Übersäuerung des Blutes durch Insulinmangel. Mit ihr sollte keineswegs leichtfertig umgegangen werden. Wichtig ist es, die Symptome der Ketoazidose zu kennen – und auch die eigenen Grenzen zu erkennen, wenn es um die Behandlung geht.
Er reagierte darauf etwas mürrisch, maß jedoch direkt danach: 320 mg/dl (17,8 mmol/l)! Azeton-Teststreifen hatte er nicht dabei. Im Nachhinein konnte sich Petra auch gar nicht daran erinnern, ob er – obwohl Typ-1-Diabetiker – zwischenzeitlich einmal den Blutzucker getestet und/oder Insulin gespritzt hatte.Offensichtlich hatte er das Insulin wegen “Bauchschmerzen mit Appetitlosigkeit” einfach komplett weggelassen.
Die Kennzeichen der diabetischen Ketoazidose sollte jeder Typ-1-Diabetiker und auch jeder Angehörige und Betreuer kennen, denn es ist nach wie vor ein sehr ernster Zustand – und in manchen Fällen sogar lebensbedrohlich. Eine Ketoazidose entsteht manchmal innerhalb weniger Stunden und kann sich zu einem diabetischen Koma weiterentwickeln.
Bei einer Ketoazidose herrscht Insulinmangel, und der Körper greift deshalb statt auf Zucker auf Fettreserven zurück, um seinen Energiebedarf zu decken. Dabei entstehen Fettsäuren, die unvollständig zu Ketonkörpern (Säuren) abgebaut werden. Die Folge: Das Blut übersäuert; der Körper wird quasi mit Ketonkörpern überschwemmt.
Eine Ketoazidose erleben zwar nur maximal 8 bis 9 Prozent aller Menschen mit Diabetes; sie ist dann aber oft der Grund für eine Krankenhauseinweisung. Eine ausgeprägte Ketoazidose ist ein internistischer Notfall; Betroffene müssen auf die Intensivstation. Zu Anfang einer Ketoazidose können gut geschulte Typ-1-Diabetiker aber noch selbst gegensteuern und sich selbst behandeln.
Im Prinzip ist die Diagnose leicht zu stellen: Sehr hohe Blutzuckerwerte (meist über 300 mg/dl bzw. 16,8 mmol/l) und ein zwei- bis dreifach positiver Azeton-Nachweisim Urin (mittels Teststreifen) oder erhöhte Ketonwerte im Blut (mit Ketonmessgeräten) sind klare Anzeichen. Besonders typisch ist die vertiefte Atmung (Kußmaul-Atmung), mit der der Körper versucht, die Säuren im Körper durch “Abatmen” loszuwerden. Erste Warnzeichen wie Azetongeruch und auch Bauchschmerzen werden aber nicht selten fehlinterpretiert (die Bauchschmerzen z. B. als Magenverstimmung).
Manche Typ-1-Diabetiker lassen bei Infektionen mit Fieber und vermindertem Appetit einfach das Insulin weg. Dabei schüttet der Körper Stresshormone (z. B. Adrenalin, Wachstumshormon, Kortisol) aus, die gegen das Insulin wirken – dies führt zu einem zusätzlichen Blutzuckeranstieg, so dass auf jeden Fall Insulin gespritzt werden muss. Geschieht dies nicht, kommt es schließlich zu einer Übersäuerung, und es entwickelt sich eine Ketoazidose.
Die typischen Symptome sollte jeder Diabetiker und jeder Therapeut kennen:
Typische Laborbefunde sind:
Diabetiker, die sehr gut geschult sind, sind bei einer beginnenden Ketoazidose oft in der Lage, sich mit Insulin selbst zu behandeln. Bei der Korrektur des Blutzuckers durch Insulin kommt es jedoch zu einer Verschiebung von Kalium (wichtiges Blutsalz) aus dem Blut in die Zellen. Dadurch wird der Kaliumspiegel im Blut erniedrigt, und es können als Folge lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen auftreten.
Die gleichzeitige Gabe von Kalium (z. B. Kalinor-Brause oder auch entsprechende Tabletten) ist deshalb eine der wichtigsten zusätzlichen Maßnahmen neben der Insulinzufuhr.
Voraussetzung für eine Selbstbehandlung: Es handelt sich um eine Ketoazidose im Anfangsstadium und der Betroffene ist bei klarem Bewusstsein.
Ausgangslage: Blutzucker über 250 mg/dl (13,9 mmol/l), typische Symptome (siehe Seite 29), jedoch Bewusstseinsklarheit und Blutketonkörper von 0,6 bis 1,5 mmol/l:
Bei Blutketon-Werten über 1,5 mmol/l:
Ist ein Betroffener schon verwirrt oder benommen, darf Insulin grundsätzlich nur noch über eine Vene zugeführt werden, denn im diabetischen Koma, das aus einer Ketoazidose entstehen kann, wird das Gewebe schlechter durchblutet. Wegen der schlechten Kreislaufsituation ist dann eine zuverlässige Aufnahme von Insulin aus dem Gewebe nicht gewährleistet.
In der Klinik wird der Blutzucker über eine Insulin-Infusionspumpe (Perfusor) langsam gesenkt. Gleichzeitig werden Blutsalze und Flüssigkeit zugeführt und so die Übersäuerung langsam reduziert. Wird der Blutzucker zu rasch gesenkt, kann es zu einer lebensbedrohlichen Wasseransammlung im Gehirn (Hirnödem) kommen.
Eine ketoazidotische Entgleisung (bis hin zum Coma diabeticum) tritt hauptsächlich bei Typ-1-Diabetikern auf und stellt nach wie vor einen Notfall dar. Eine beginnende Ketoazidose kann von gut geschulten Betroffenen manchmal noch selbst beherrscht werden.
Im Zweifel sollte jedoch immer eine Behandlung in der Klinik angestrebt werden. Eine regelmäßige bzw. häufigere Messung von Azeton (z. B. bei Blutzuckerwerten schon über 240 mg/dl) bzw. bei fieberhaften Erkrankungen, bei besonderem Stress oder auch während einer Schwangerschaft, ist sinnvoll und gibt Sicherheit.
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (2) Seite 30-32
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