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Mischinsulin ist eine Kombination aus schnellwirksamen und Verzögerungsinsulin und wird bei der konventionellen Insulintherapie (CT) eingesetzt – wenn also die Behandlung möglichst einfach gehalten werden soll. In unserer Insulin-Serie erklärt Prof. Haak, wann dies angezeigt ist.
Katharina P. ist eine hochbetagte Patientin und lebt in einer Einheit für betreutes Wohnen. Im Alter von 68 Jahren wurde bei ihr ein Typ-2-Diabetes festgestellt, der einige Jahre mit Tabletten gut eingestellt war. Mittlerweile ist sie 87 Jahre alt, aber geistig noch ganz rege. Mit ihrem Rollator dreht sie täglich ihre Runden um das Seniorenstift und nimmt an den Freizeitangeboten der Einrichtung gern teil.
Bei der letzten Überprüfung ihres HbA1c-Wertes lag dieser allerdings bei 9,8 Prozent, obwohl Katharina P. schon ein Verzögerungsinsulin zur Nacht spritzt und eine Tablettenkombination tagsüber einnimmt.
Der HbA1c-Wert von Katharina P. ist zu hoch (siehe Kasten). Deshalb entschließt sich ihr behandelnder Arzt, die Therapie in eine konventionelle Insulintherapie (CT) umzuwandeln. Konkret heißt das: Das Verzögerungsinsulin zur Nacht wird abgesetzt. Stattdessen erhält Katharina P. ein Mischinsulin, das zu 25 Prozent aus schnellwirksamem Insulin und zu 75 Prozent aus einem Verzögerungsinsulin besteht.
Mit der Pflegedienstleitung spricht der Arzt den Verpflegungsplan für Katharina P. ab, damit sichergestellt ist, dass sie weitgehend die gleiche Menge Kohlenhydrate zu den Hauptmahlzeiten erhält und dass ihr Zwischenmahlzeiten drei Stunden nach einer Hauptmahlzeit angeboten werden. Außerdem empfiehlt er, dass sie vor dem Zubettgehen noch fettverzögerte Kohlenhydrate zum Beispiel in Form eines Joghurts mit 3,5 Prozent Fett essen soll.
Da Katharina P. schon mit der Injektionstechnik vertraut ist, tauscht er den bisherigen Pen gegen einen neuen Pen mit Mischinsulin aus und erläutert seiner Patientin noch einmal, dass das Mischinsulin durch zwanzigmaliges Kippen sorgfältig durchmischt werden muss.
Außerdem erhält Katharina P. einen Spritzplan, der ihr angibt, wie sie abhängig vom aktuell gemessenen Blutzuckerwert die richtige Insulindosis auswählt. Nach zweimaliger Anpassung dieses Plans bei den nachfolgenden Hausbesuchen des Arztes haben sich stabile Blutzuckerverläufe eingestellt; der Blutzuckerwert liegt vor den Mahlzeiten im Mittel bei 150 mg/dl (8,3 mmol/l).
Die konventionelle Insulintherapie wird mit Insulinmischungen durchgeführt. Der Anteil des schnellwirksamen Insulins in diesen Mischungen liegt je nach Insulinpräparat zwischen 15 und 50 Prozent, während der Anteil an Verzögerungsinsulin zwischen 85 und 50 Prozent beträgt.
Die konventionelle Insulintherapie kommt immer dann zum Einsatz, wenn die Therapie besonders einfach gehalten werden muss – zum Beispiel bei Patienten, die mehr oder weniger pflegebedürftig sind oder wahrscheinlich nur noch eine geringe Lebenserwartung haben, so dass das Auftreten von Diabetes-Folgeerkrankungen wenig wahrscheinlich ist. In der Regel wird bei der CT morgens und abends eine Mischinsulin-Dosis gespritzt, wobei die morgendliche Dosis etwas höher ist als die abendliche Dosis (meist beträgt das Verhältnis 2 : 1). Die Insulindosierung orientiert sich an den Blutzuckerverläufen und wird entsprechend angepasst.
Wichtig ist, dass Menschen mit Diabetes, die die konventionelle Insulintherapie nutzen, regelmäßig kleinere Kohlenhydratmengen zu sich nehmen. Diese dienen dazu, Unterzuckerungen zu vermeiden. Je gleichmäßiger der Lebensrhythmus und die Kohlenhydratzufuhr sind, desto stabiler sind die Blutzuckerwerte unter einer konventionellen Insulintherapie. Als Zielwert wählt man zumeist einen mittleren Blutzucker von 150 mg/dl (8,3 mmol/l), da Blutzuckerschwankungen bei dieser Therapieform nicht zu vermeiden sind.
Es hat sich dabei bewährt, die Dosis des Mischinsulins abhängig vom aktuell gemessenen Blutzucker morgens und abends zu variieren. Dabei verändert sich jedoch nicht nur der kurzwirksame Anteil des Insulins, sondern auch der langwirksame Anteil. Die Korrektur mit diesen Insulinen ist daher deutlich träger, als wenn die Korrektur mit reinem schnellwirksamem Insulin vorgenommen würde.
Während des Tagesverlaufs und der Nacht können Patienten mit einer CT mit ihrem Mischinsulin den Blutzucker nicht mehr beeinflussen. Im Tagesverlauf können sie allenfalls zu hohe Blutzuckerverläufe durch mehr Bewegung oder weniger Kohlenhydratzufuhr korrigieren. Zu tiefe Werte muss man hingegen stets durch Zufuhr von Kohlenhydraten ausgleichen. Es ist daher besonders wichtig, dass jeder Betroffene über die Symptome einer Unterzuckerung aufgeklärt wird und immer ausreichend Kohlenhydrate bei sich trägt. Das gilt umso mehr, je älter die Menschen sind.
Bei der Handhabung von Mischinsulinen sollten Nutzer wissen, dass die Insulinmischungen durch den Verzögerungsstoff Protamin trüb sind. Daher müssen die Insuline vor Gebrauch sorgfältig durchmischt werden. Unterbleibt dies, ist das Verhältnis von schnellwirksamem Insulin und Verzögerungsinsulin nicht bei jeder Dosis konstant, was zu unkalkulierbaren und damit auch gefährlichen Blutzuckerschwankungen führt.
Es gibt Menschen mit Diabetes, die nachts stets starke Blutzuckeranstiege haben. Meist sind das diejenigen, die sehr insulinresistent sind und bei denen das wichtigste orale Antidiabetikum Metformin nicht gegeben werden darf, weil zum Beispiel schon ein Nierenschaden vorliegt. Verwendet man bei diesen Patienten im Rahmen einer intensivierten Insulintherapie reine Verzögerungsinsuline, so werden oft sehr hohe Insulindosierungen benötigt, die nicht nur teuer, sondern auch ungünstig für das Gewicht sind.
Hier hat es sich bewährt, vor dem Zubettgehen ein Mischinsulin einzusetzen. Die Idee dahinter ist, dass der schnelle Anteil des Mischinsulins den frühen Blutzuckeranstieg in der ersten Nachthälfte blockiert und das dann anflutende Verzögerungsinsulin die zweite Nachthälfte kontrolliert; das funktioniert in der Regel sehr gut und führt zu einer deutlichen Reduktion der spätabends notwendigen Insulinmenge.
Wenn es gelingt, auf diese Weise einen guten Nüchternblutzuckerwert zu erzielen, bessern sich in der Regel auch die Tagesverläufe. Wenn dann über einige Tage ein vormals erhöhter Blutzucker sich dauerhaft normalisiert, besteht die Gefahr, dass das nächtliche Mischinsulin zu stark wirkt – oder gar nächtliche Unterzuckerungen auftreten. In diesem Fall sollte man die Therapie damit beenden und wieder auf ein reines Verzögerungsinsulin wechseln.
Auch wenn Mischinsuline nur morgens und abends injiziert werden, empfiehlt es sich, den Blutzucker häufiger zu messen, beispielsweise vor jeder Hauptmahlzeit und vor dem Zubettgehen. Auf diese Weise lassen sich unerwünschte Blutzuckerschwankungen vermeiden.
von Prof. Dr. Thomas Haak
Diabetes-Journal-Chefredakteur,
Chefarzt am Diabetes Zentrum Mergentheim,
Theodor-Klotzbücher-Straße 12, 97980 Bad Mergentheim,
E-Mail: haak@diabetes-zentrum.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (10) Seite 36-38
5 Minuten
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