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Mit Diabetes ins Krankenhaus? Na, wenn das mal gutgeht…
5 Minuten
Bislang habe ich meinen Diabetes immer allein gut managen können, nicht einmal unmittelbar nach meiner Diagnose habe ich auch nur eine Nacht im Krankenhaus verbracht. Darüber bin ich auch ganz froh, denn nach allem, was ich so höre und lerne, müssen Diabetiker im Krankenhaus mit dem Schlimmsten rechnen.
Diabetes ist eine Volkskrankheit. Also stelle ich mir in meinem jugendlichen Leichtsinn gern vor, dass Ärzte deshalb unabhängig von ihrer Fachrichtung zumindest ganz grob darüber Bescheid wissen. Zum Beispiel darüber, was der Unterschied zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes ist. Oder – nur so ganz grob – dass bei einer Hypoglykämie Zucker gegeben werden muss und bei einer Hyperglykämie Insulin. Und nicht etwa umgekehrt. Nach allem, was ich so höre und lese, ist das allerdings ein Trugschluss. Vor allem, wenn ein Diabetiker ins Krankenhaus muss, scheint häufig eine ganze Menge schiefzugehen.
Glukose im Wehenmittel – Blutzucker entgleist
So konnte ich vor einer Weile in einer Facebook-Gruppe die Geschichte einer Typ-1-Diabetikerin lesen, die schwanger war und zur Entbindung ins Krankenhaus ging. Sie hatte vorab mit den Zuständigen im Krankenhaus genau abgesprochen, dass ihr Ehemann im Kreißsaal ihren Blutzucker managen würde, sofern sie es selbst nicht mehr tun könnte. Alle einverstanden, alles dokumentiert, niemand wollte bei ihrem Diabetesmanagement dazwischenfunken. Als es dann während der Geburt nicht so recht voranging, bekam sie ein Wehenmittel über ihren intravenösen Zugang. Das Wehenmittel enthielt Glukose, ihr Blutzucker entgleiste, das Kind musste per Kaiserschnitt geholt werden. Es war zwar letztlich alles glimpflich ausgegangen, Mutter und Kind waren wohlauf – doch mal ehrlich, so ein Mist muss doch nun wirklich nicht sein?

Was ist drin im Tropf? Und was macht das mit meinem Zucker? Berechtigte Fragen, wenn man mit Diabetes ins Krankenhaus muss (Foto: Pixabay)
„Die Insulinpumpe muss ab, das macht ab jetzt das Pflegepersonal!“
Die Kommentare auf diese Geschichte, in denen andere Gruppenmitglieder von ihren Erfahrungen im Krankenhaus berichteten, machten mir leider wenig Hoffnung, dass dies ein besonders tragischer Einzelfall war: Da hatten Pflegekräfte gemutmaßt, dass man bei einer Unterzuckerung schnell Insulin spritzen sollte. Oder es hatten Chefärzte herrisch darauf bestanden, dass die Insulinpumpe abgenommen werden und der Blutzucker vom Pflegepersonal gemanagt werden muss – obwohl dieses Personal für diese Aufgabe offenbar überhaupt nicht qualifiziert war. Von undefinierbarem Krankenhausessen, dessen Kohlenhydratgehalt sich kaum abschätzen lässt, einmal ganz zu schweigen.
Im Fall der Fälle soll mein Mann mein Diabetesmanagement übernehmen
Ihr merkt es schon, ich regte mich ziemlich auf, als ich diese Geschichte und die Kommentare dazu las. Und beschloss, dass mir so etwas nie, nie, nie passieren soll, sollte ich einmal wegen irgendeiner unvermeidlichen Sache im Krankenhaus landen. Ich sprach mit meinem Mann Christoph, der sich bis dato aus meinem ganzen Gemesse und Gespritze ziemlich herausgehalten hatte. Er hatte ab und zu schon einmal meinen Blutzucker gemessen und auch gelegentlich spaßeshalber mit mir Kohlenhydrate geschätzt und mitgerechnet – beim Rechnen macht ihm als Ingenieur auch so schnell keiner etwas vor. Aber er hatte mir noch nie Insulin gespritzt oder Messwerte in mein mySugr-Tagebuch eingetragen.
Er soll genau aufpassen, was das Krankenhauspersonal mit mir anstellt
Nun musste er mit mir also üben. Ich fand es erstaunlich, wie viel Scheu er noch hatte, mir die Penkanüle in den Bauch zu stechen, obwohl er es doch nun unendlich viele Male gesehen hatte und wusste, dass es nicht wirklich weh tut. Doch nach ein paar Mal klappte es gut. Außerdem musste er mir hochheilig versprechen, dass er im Falle eines Krankenhausaufenthaltes, wenn ich nicht mehr selbst dazu in der Lage sein sollte, ganz genau aufpassen würde, was das Krankenhauspersonal mit mir anstellt und wie sich das auf meinen Blutzucker auswirkt. Ich rechne zwar nicht damit, dass ich mich eines Tages noch einmal als Hauptperson im Kreißsaal wiederfinde, aber es sind ja auch andere Dinge denkbar, wegen derer ich z. B. auf einem OP-Tisch landen könnte. Situationen, in denen Ärzte schnell mal entscheiden, mir dies oder jenes intravenös durch den Katheter zu jagen, damit ich den Tag besser überstehe. Christoph hat den Auftrag, bei jedem Medikament nachzubohren, ob man darüber nachgedacht hat, was es möglicherweise mit meinem Zucker macht. Nachdem er mir dieses Versprechen gegeben hatte, war mir ein bisschen wohler.

Christoph soll genau nachfragen, was da hindurch in meine Vene fließen soll. Sicher ist sicher… (Foto: Pixabay)
1.600 von fast 2.000 Krankenhäusern haben kein Diabetes-Konzept
Inzwischen hat sich auch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) des Themas angenommen. Sie vergibt neuerdings das Zertifikat „diabetesgerechtes Krankenhaus“ an Kliniken, die in Sachen Diabetesmanagement über alle Fachabteilungen hinweg bestimmte Mindeststandards einhalten. Allerdings steht die DDG mit ihren Bemühungen noch ziemlich am Anfang, wie ich beim letzten DDG-Kongress in Berlin lernen durfte. Auf der Internetseite der DDG findet man bundesweit erst 42 entsprechend zertifizierte Kliniken. Es gibt zwar noch ein paar weitere Zertifikate, die von der DDG an Kliniken erteilt werden, die eine bestimmte Mindestanzahl von Diabetikern behandeln und auch entsprechend qualifiziertes Personal dafür vorhalten. Aber insgesamt haben offenbar (Stand 2015) über 1.600 von knapp 2.000 Krankenhäusern in Deutschland kein klares Konzept, was ihren Umgang mit Diabetikern angeht – und das, wo mittlerweile etwa 30 Prozent aller Krankenhauspatienten einen Diabetes haben.
Interessant für Menschen mit Diabetes, die ins Krankenhaus müssen, sind auch die Kliniken, die dem BVKD (Bundesverband Klinischer Diabetes-Einrichtungen) angehören. Die Mitgliedskliniken verpflichten sich, bestimmte Qualitätskriterien einzuhalten – beispielsweise bei geplanten Operationen den Blutzucker genau im Blick zu behalten und bei Bedarf einen Diabetologen dazu zu schalten.
Wozu sollte man routinemäßig einen HbA1c-Wert bestimmen?
Der Diabetologe Dr. Philipp Hoffmann hat in seinem Krankenhaus, dem Sankt Gertruden Krankenhaus Berlin, viel geduldige Überzeugungsarbeit in allen Abteilungen leisten müssen, bis die Klinik im Februar 2016 das DDG-Zertifikat im Empfang nehmen konnte. „Anfangs wurden diabetesrelevante Laborwerte nicht routinemäßig erhoben, zum Teil wurde ihre Sinnhaftigkeit sogar in Frage gestellt“, erinnerte er sich an den Beginn seiner Mission. „Insulin wurde nicht für alle sichtbar gelagert, der Diabetes war als mögliche Begleiterkrankung einfach nicht präsent.“ Entsprechend unsicher seien seine Kollegen aus den anderen Abteilungen bei Hypo- oder Hyperglykämien meist gewesen.
Insuline ausgemistet, Schulungen eingeführt, Hypo-Notfallsets verteilt
Mittlerweile hat Dr. Hoffmann im gesamten Haus Insuline ausgemistet und sortiert, einen neuen großen Kühlschrank nur für Insulin gut sichtbar im Flur aufgestellt, Schulungen für die Pflegedienstleitungen eingeführt und durchgesetzt, dass jede Station über ein Hypo-Notfallset verfügt. Patienten dürfen ihre Insulinpumpen auch bei operativen Eingriffen behalten und selbst managen, im Intranet des Krankenhauses sind automatische Tabellen mit Korrekturschemata hinterlegt. Außerdem können die Kollegen der anderen Stationen jederzeit einen Diabetologen um Rat fragen – und nutzen diese Möglichkeit mittlerweile wohl sogar: „Inzwischen akzeptieren auch die Chirurgen, dass es ab einem bestimmten HbA1c-Wert sinnvoller ist, nicht zu operieren oder erst einmal mit einem Diabetologen zu beratschlagen“, erzählte der junge Oberarzt.
Hoffentlich gibt es an vielen Kliniken Ärzte wie Dr. Philipp Hoffmann!
Mir war Dr. Hoffmann sehr sympathisch. Er erzählte ganz ruhig und immer wieder mal mit einem Augenzwinkern von der schwierigen Mission, sein Krankenhaus diabetesgerecht zu machen. Und wenn es Menschen wie ihn in vielen Krankenhäusern gibt, dann besteht vielleicht Hoffnung, dass in Zukunft tragische Geschichten wie die bei Facebook geschilderte nicht wieder vorkommen. Dann könnte Christoph mich auch beruhigt dem Krankenhauspersonal anvertrauen, sollte ich einmal aus irgendeinem Grund in die Klinik müssen.
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 4 Tagen, 23 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 5 Tagen, 20 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 5 Tagen, 19 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 6 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike