Mit Medikamenten Blutzucker senken – die wichtigsten Vor- und Nachteile

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Mit Medikamenten Blutzucker senken – die wichtigsten Vor- und Nachteile

In der Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) wurde die medikamentöse Behandlung des Typ-2-Diabetes umfangreich neu bewertet. Welche Medikamente schneiden wie ab? Was sind die wichtigsten Vorteile und mögliche Nachteile?

Die wichtigste Funktion aller Medikamente zur Behandlung von Diabetes (Antidiabetika) ist es, den Blutzucker-Spiegel langfristig auf einem stabilen Niveau zu halten. Damit sollen Schäden an Blutgefäßen und Organen verhindert werden.

In der Regel haben Diabetes-Medikamente jedoch noch weitere Vorteile für Menschen mit Diabetes – vor allem Typ 2. Zum Beispiel unterstützen sie die Reduktion des Körpergewichts oder beeinflussen Blutfett-Werte positiv. Bekanntermaßen stehen diesen Vorteilen auch Nachteile – meist in Form von möglichen Nebenwirkungen – gegenüber.

Die wichtigsten Vor- und Nachteile der Antidiabetika

Metformin (Biguanid)
Metformin ist laut NVL immer noch das Mittel der ersten Wahl bei der medikamentösen Therapie eines Typ-2-Diabetes. Metformin hilft gerade übergewichtigen Menschen beim Abnehmen und kann neben dem Senken des Blutzuckers auch die Blutfett-Werte verbessern. Metformin lässt sich zudem gut mit anderen Antidiabetika kombinieren. Ein weiterer Vorteil ist, dass Metformin schon sehr lange verwendet wird und deshalb sein Sicherheits-Profil mit allen seinen Wechsel- und Nebenwirkungen gut erforscht ist. Zu diesen Nebenwirkungen zählen:

  • Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit und Durchfall: Diese treten meist am Anfang der Therapie auf oder auch, wenn die Dosis zu schnell (in wenigen Tagen) erhöht wird. Eine Einnahme des Metformins zum oder direkt nach dem Essen sorgt für bessere Verträglichkeit.
  • Übersäuerung des Bluts durch hohe Milchsäure-Werte (Laktatazidose): Sie äußert sich durch Übelkeit, Erbrechen, verstärkte Atmung (Hyperventilation), Störungen der Kreislauf-Regulation, Verwirrtheit mit Bewusstseins-Eintrübung. Diese Nebenwirkung tritt extrem selten auf (etwa 1 bis 5 Fälle auf 100 000 Behandelte wurden beobachtet) – wenn die Gegenanzeigen (Kontraindikationen) beachtet werden. Bei sehr schlechtem Allgemeinzustand mit hohem Flüssigkeitsverlust (starker Durchfall, sehr hohes Fieber) ist das Risiko hierfür jedoch erhöht. Mit dem Arzt/der Ärztin sollte dann über ein vorübergehendes Aussetzen von Metformin gesprochen werden.
  • Bei Einnahme über Jahre und Jahrzehnte kann es in seltenen Fällen zu einem Mangel an Vitamin B12 mit Müdigkeit und Abgeschlagenheit sowie Nervenschäden (Polyneuropathie) kommen. Liegen derartige Beschwerden vor, kann es sinnvoll sein, ein “Blutbild” sowie ggf. eine Bestimmung des Vitamin-B12-Spiegels durchführen zu lassen.

Bei einer bekannten Nierenschwäche werden die Nieren-Funktionswerte regelmäßig bestimmt und die Dosis des Metformins ggf. angepasst oder das Metformin abgesetzt.

SGLT-2-Hemmer (Gliflozine)
Die Niere filtriert Zucker aus dem Blut in den Primärharn und holt den Zucker bei normalen Blutzuckerwerten daraus wieder zurück ins Blut. Die SGLT-2-Hemmer sorgen dafür, dass dieser filtrierte Zucker nicht zurückgeholt, sondern über den Urin ausgeschieden wird. Die Gefahr einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) ist dabei sehr gering. Ebenfalls positiv sind der Gewichts-reduzierende Effekt und das Senken des Blutdrucks, weil durch den Zucker im Urin vermehrt Wasser ausgeschieden wird. Jedoch kann dieser Vorteil auch zum Nachteil werden, besonders dann, wenn auch andere wassertreibende Arzneimittel (Diuretika) eingenommen werden. In diesem Fall sollte der Blutdruck regelmäßig gemessen und auf eine ausreichende Trinkmenge geachtet werden. Insbesondere in Kombination mit Metformin ist das Risiko für eine Ketoazidose erhöht. Durch die Zucker-Ausscheidung im Urin können unter SGLT-2-Hemmern vermehrt Infektionen im Genitalbereich auftreten: bei Frauen v. a. Pilz-Infektionen der Scheide, bei Männern Entzündungen der Penis-Eichel.

GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-Analoga/-Mimetika) und DPP-4-Hemmer (Gliptine)
Das Eiweiß-Hormon GLP-1 (Glucagon-like Peptide 1), das im Dünndarm freigesetzt wird, hat viele positive Effekte für Menschen mit Diabetes. Beim Verzehr von Kohlenhydraten steigt die Insulin-Produktion und das Entleeren des Magens wird verlangsamt, man wird also schneller satt. Nutzt man GLP-1-Rezeptor-Agonisten als Medikament, hat das Verlangsamen der Magen-Entleerung zur Folge, dass einem bei Beginn der Therapie übel werden kann. Die Dosierung wird daher langsam gesteigert. Alle GLP-1-Rezeptor-Agonisten, die derzeit in Deutschland auf dem Markt sind, müssen ins Unterhautfettgewebe gespritzt werden, je nach Wirkstoff 1- bis 2-mal täglich oder 1-mal pro Woche.

Mit DPP-4-Hemmern ist ein indirektes Erhöhen des GLP-1-Spiegels möglich.Diese Medikamente hemmen das Enzym Dipeptidylpeptidase 4 (DPP-4), das GLP-1 im Körper abbaut. Die DPP-4-Hemmer sind Tabletten. Als Nebenwirkung wird (selten) eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis) beobachtet. In der NVL werden u. a. auch deshalb die GLP-1-Rezeptor-Agonisten als besser geeignet bewertet.

Therapie nach Algorithmus der NVL

Die NVL sieht vor, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes, die eine medikamentöse Therapie benötigen, zunächst Metformin einnehmen. Ist dies nicht ausreichend oder besteht ein erhöhtes Risiko wegen einer Herz-Kreislauf- oder einer Nieren-Erkrankung, wird zusätzlich ein SGLT-2-Hemmer oder ein GLP-1-Rezeptor-Agonist gegeben.

Es wird empfohlen, dass Arzt/Ärztin und Patient/Patientin sich auf individuelle Therapieziele verständigen und diese beobachten. Können die Ziele nicht erreicht werden, kann die Therapie angepasst werden, entweder durch ein Erhöhen der Dosis oder durch die Gabe eines alternativen oder zusätzlichen Medikaments.

Weitere Antidiabetika
Zu den Arzneistoffen, die in Deutschland noch bei Typ-2-Diabetes verordnet werden, zählen die Sulfonylharnstoffe (z. B. Glibenclamid und Glimepirid). Sie stimulieren die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produzieren. Dieser Effekt lässt aber mit der Zeit nach, sodass man diese Medikamente schlecht langfristig einsetzen kann. Es kann zudem zu Unterzuckerungen kommen. Ein weiterer Nachteil der Sulfonylharnstoffe ist die häufig zu beobachtende Gewichts-Zunahme.

Einen vergleichbaren Wirkmechanismus und somit vergleichbare Vor- und Nachteile haben die Glinide (Repaglinid, Nateglinid). Sie werden von gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr erstattet. Eine Ausnahme besteht für Repaglinid: Es darf bei schweren Funktionsstörungen der Nieren eingesetzt werden, wenn andere Antidiabetika nicht in Frage kommen.

Auch eine Therapie mit Insulin kann bei Typ-2-Diabetes sinnvoll sein. Sie ist jedoch laut NVL nicht erste Wahl.

Zusammenfassung

Eine gute Einstellung des Blutzuckers ist für Menschen mit Typ-2-Diabetes sehr wichtig. Hierzu stehen mehrere Klassen von Arzneimitteln zur Verfügung. Wie alle Medikamente haben diese die gewünschten Wirkungen, aber auch Nebenwirkungen.Die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Medikament muss immer individuell gefällt werden und steht stets im Zusammenhang mit weiteren Medikamenten, die eingesetzt werden.

KETOAZIDOSE
Die Ketoazidose ist eine gefährliche Stoffwechselentgleisung, die durch Insulinmangel ausgelöst wird. Sie tritt daher häufiger bei Menschen mit Typ-1-Diabetes als bei Menschen mit Typ-2-Diabetes auf. Fehlt Insulin, wird vermehrt Fett als Energielieferant vom Körper abgebaut. Dabei entstehen Ketonkörper, die das Blut übersäuern (daher: Ketoazidose).Bei einer Ketoazidose treten oft Übelkeit, Bauchschmerzen und Erbrechen auf. Weitere Zeichen sind starker Durst und trockene Haut oder Schleimhäute. Die Atemluft kann nach Azeton riechen (ähnlich wie Nagellack oder faule Äpfel). Betroffene atmen dann oft vertieft (“Kussmaul-Atmung”). Bleibt der Zustand unerkannt oder unbehandelt, kann sich ein lebensgefährliches diabetisches Koma entwickeln.Bei entsprechenden Anzeichen sowie bei Blutzuckerwerten über etwa 250 mg/dl bzw. 13,9 mmol/l sollten Betroffene auf jeden Fall überprüfen, ob eine Übersäuerung des Bluts vorliegt. Es gibt Blutzuckermessgeräte, mit denen auch Ketontests mit speziellen Teststreifen möglich sind, oder Keton-Harnteststreifen, die man z. B. in Apotheken kaufen kann.Jeder Patient und jede Patientin mit Diabetes sollte mit seinem behandelnden Arzt/seiner behandelnden Ärztin einmal besprechen, welche Maßnahmen er/sie und Angehörige im Fall einer Ketoazidose ergreifen müssen. So ist man im Ernstfall besser gewappnet und kann schnell handeln.

Schwerpunkt “Unterstützen bei der Therapie”

Kontakt:
© privat
Dirk Klintworth, MSc

ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
Heidestraße 7
10557 Berlin

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (12) Seite 18-20

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