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Venenerkrankungen sind häufig und können unbehandelt schwere Folgeerkrankungen verursachen (bis hin zum plötzlichen Tod). Rechtzeitige Diagnose und Behandlung helfen, Komplikationen zu vermeiden.
Petra M. (77 Jahre) hat sich am linken Fuß, nachdem sie beim Advents-Putz ihrer Wohnung umgeknickt war, eine Bänderdehnung zugezogen – zum Glück keinen Bruch, wie die Röntgenaufnahme zeigte. Trotzdem musste sie wegen der Schwellung und des Blutergusses das Bein hochlegen und konnte eine Woche lang nicht laufen. Wegen der Schmerzen nahm sie einige Tage lang ein Schmerzmittel ein.
Ihre Tochter versorgte sie in diesen Tagen. Diese bemerkte, dass der linke Unterschenkel ihrer Mutter trotz Bettruhe immer dicker wurde. Die Mutter klagte dann auch über ein dumpfes Spannungsgefühl, zunehmend auch Schmerzen. Als sich am darauffolgenden Tag die Haut auch noch bläulich verfärbte, holte man schließlich den Hausarzt, der sofort die richtige Diagnose vermutete: eine tiefe Beinvenenthrombose. Diese wurde in der Klinik bestätigt und sofort behandelt.
Unglücklicherweise hatte man trotz einiger Tage Bettruhe zu Hause im Rahmen der Bänderdehnung keine Thrombosevorsorge durchgeführt – diese ist aber mit zunehmendem Alter immer wichtiger. Denn diese Thrombose hätte im schlimmsten Fall eine Lungenembolie verursachen können.
Fast die Hälfte der Patienten in Allgemeinarztpraxen haben Venenerkrankungen wie Krampfaderleiden – je älter, desto häufiger. 6 bis 8 Mio. Menschen haben Zeichen einer “chronisch venösen Insuffizienz”, also eines dauerhaft gestörten Blutrückflusses zum Herzen. Etwa 1,5 Mio. leiden an einem offenen Bein – meist infolge einer Venenthrombose: Diese ist eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung durch die Thrombose selbst und durch ein verschlepptes Gerinnsel (z. B. in die Lunge in Form einer Lungenembolie).
Etwa 100.000 Menschen erleiden jährlich in Deutschland eine tiefe Beinvenenthrombose. Die tatsächliche Zahl liegt wohl viel höher – das sieht man an der Zahl der Lungenembolien von ebenfalls 100.000 pro Jahr, die bei 30.000 bis 40.000 Menschen zum Tod führen.
Eine tiefe Beinvenenthrombose führt vor allem dann zu einer Lungenembolie, wenn sie nicht rechtzeitig bemerkt und adäquat behandelt wird. Durch tiefe Beinvenenthrombosen zeigen sich außerdem oft andere Erkrankungen, die eine Störung des Blutflusses und/oder der Zusammensetzung des Bluts in den Venen verursachen – z. B. nach Operation, bei Schwangerschaft, unentdeckter Tumorerkrankung, Krebs.
Oft gehen Venenentzündungen und Thrombosen Tumorerkrankungen um Jahre voraus – Patienten mit tiefen Beinvenenthrombosen müssen deshalb immer gründlich diesbezüglich untersucht werden. Das gilt vor allem dann, wenn keine ursächlichen Gründe vorliegen wie:
Auch vererbte Faktoren der Blutgerinnung (wie Faktor-V-Leiden-Mutation) müssen im Labor abgeklärt werden, da auch sie das Risiko, eine Thrombose zu bekommen, erhöhen können.
Die Venen haben wie die Arterien, die den Körper mit sauerstoffreichem Blut versorgen, einen dreischichtigen Wandaufbau, bestehend aus:
Jedoch ist die Muskelschicht der Venen im Gegensatz zu den Arterien deutlich schwächer ausgebildet, denn sie hat auch einen geringeren Druck auszuhalten. Da der Druck im Venensystem jedoch von peripher nach zentral zum Körperstamm hin sehr stark abnimmt, nimmt auch die Wanddicke der Venen im gleichen Maß ab. Zu berücksichtigen ist das bei Anfertigung von Kompressionsstrümpfen: Der höchste Druck ist an den Fersen!
Im Bereich der Venen an den Beinen unterscheidet man ein tiefes Venensystem von einem oberflächlichen Venensystem. Beide sind durch Verbindungsvenen miteinander verbunden – der Venenfluss ist immer von außen nach innen gerichtet. Ein Rückfluss von innen nach außen wird durch Venenklappen verhindert, besonders beim Stehen. Die Anzahl der Venenklappen nimmt vom Körperstamm bis zu den Beinen zu.
Die tiefen Venen der Beine begleiten die namensgleichen Arterien (z. B. Arteria femoralis/Vena femoralis) – meist sind sie doppelt angelegt – und führen etwa 90 Prozent des gesamten Blutes der Beine zurück zum Herzen.
Man unterscheidet die primäre Varikosis, die ca. 95 Prozent der Fälle betrifft, ohne erkennbare Ursache auftritt (z. B. durch eine Bindegewebsschwäche) und vererbt ist, von der sekundären Varikosis, die in ca. 5 Prozent erworben ist und z. B. nach einer tiefen Beinvenenthrombose auftritt.
Der Name Krampfader (Varize, von lateinisch varix: Knoten) ist irreführend und deshalb falsch! Irgendwann wurde die ursprüngliche Krummader aus dem Altdeutschen fälschlicherweise als “Krampfader” übersetzt. Krämpfe verursachen die Krummadern nämlich nicht. Nachts im Bett, beim Liegen in der Wärme kann sich das Blut aber stauen und so eine Art Hitzegefühl mit krampfartigen Empfindungen verursachen. Schmerzen, ähnlich wie Krämpfe oder Muskelkater, können manchmal allerdings Ausdruck einer beginnenden Thrombose sein, z. B. nach intensivem, nicht gewohntem Sport (Jogging nach langer Winterpause).
Ihr Arzt wird aufgrund Ihrer Krankengeschichte die Diagnose stellen. Durch Betasten sind manchmal kleine Erhebungen zu spüren, die teils eine Lücke (Faszienlücke) fühlen lassen. Die Duplex-Sonographie (Ultraschall) ist mit die wichtigste Untersuchung, die Antworten liefert: Sind die tiefen Venen durchgängig oder liegt eine Thrombose vor? Sind die Venenklappen funktionstüchtig? Handelt es sich um eine alte Thrombose (nach der Thrombose sind häufig die dort vorhandenen Klappen zerstört/Rückstau des Venenblutes)? Etc.
Hier arbeitet man mit Kompressionsstrümpfen der Klasse 2 – der Knöcheldruck liegt bei etwa 30 mmHg (Tabelle S. 38). Operative Verfahren sind zum Beispiel Venenstripping mittels Katheter, die Crossektomie, sprich eine Unterbindung aller Venen, die am Venenstern in der Leiste in die tiefen Venen einmünden. Und auch Laser-, Kryo (Kälte)-Verödung –hier werden Venen unterbunden, die von innen nach außen an die Oberfläche laufen. Oberflächliche Besenreiser werden entweder verödet oder gelasert.
Die tiefe Beinvenen-Thrombose verursacht im Gegensatz zur rein oberflächlichen Venenentzündung auch eine Schwellung des betroffenen Beines – meist verursacht durch eine frische (oder auch ältere) Thrombose in Becken, Ober- oder Unterschenkelvenen. In 10 Prozent der Fälle ist die Beckenvene betroffen, in 50 Prozent die Oberschenkelvene und in je 20 Prozent die Kniekehlen- und die Unterschenkelvene.
Der Arzt misst den Beinumfang beider Beine zum Vergleich und sieht nach Wasseransammlungen, Glanzhaut sowie bestimmten Druckpunkten. Weitere Untersuchungen sind die Duplex-Sonographie, Labor-Untersuchungen (Gerinnung, Entzündung) und Röntgen der Venen (Phlebographie). Eine rasche Diagnose sowie eine schnelle Behandlung sind wichtig, um
Der Flüssigkeitsaustausch mit darin enthaltenen Bestandteilen erfolgt in unserem Körper entlang einem Druckgefälle vom höheren Druckgebiet zu einem Gebiet mit niedrigerem Druck, z. B. zwischen den Blutkapillaren und den Lymphgefäßen sowie den Organen, z. B. der Haut. Entsprechend den genannten normalen Druckverhältnissen in den Beinvenen muss der Kompressionsdruck von außen (z. B. durch einen Strumpf) kontinuierlich vom Knöchel über die Wade in den Oberschenkel bis zur Leiste abnehmen. Der normale Druck (100 Prozent) liegt beim Anziehen eines Kompressionsstrumpfes im Bereich der Waden-/Knöchelregion. Kompressionsstrümpfe dürfen nicht angewendet werden bei:
Manchmal ist eine Kompressionsbehandlung aber auch nicht gut. Folgende Situationen können problematisch sein:
Die Ursache einer chronischen Venenschwäche ist meist ein Zustand nach einer Thrombose (postthrombotisches Syndrom) oder eine Klappenschwäche der tiefen Beinvenen. Auch wenn eine Thrombose im Beckenbereich oder Oberschenkel bestand, äußert sich die chronisch venöse Insuffizienz hauptsächlich im Unterschenkel- und Fußbereich.
von Dr. med. Gerhard-W. Schmeisl
Internist, Angiologie, Diabetologie, Sozialmedizin; Chefarzt Deegenbergklinik, Chefarzt Diabetologie Klinik Saale
Kontakt:
Deegenbergklinik, Burgstraße 2, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71 / 8 21-0, E-Mail: schmeisl@deegenberg.de
Diabetologie Klinik Saale, Pfaffstraße 10, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71 / 85-01
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (12) Seite 34-38
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