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Bewegung ist gesund und macht auch Spaß – und dennoch fällt es vielen so schwer, sie regelmäßig in den Alltag einzubauen. Dr. Gerhard-W. Schmeisl hat sich auf die Suche nach guten Gründen gemacht – manche davon sind medizinischer, andere eher psychischer Natur.
Typ-1- und Typ-2-Diabetiker haben beim Sport unterschiedliche Ausgangsbedingungen, sagte Ulrike Thurm (Diabetesberaterin und „Sport-Guru“) bisher oft in Interviews. Das trifft aber nicht mehr uneingeschränkt zu: Wer Typ-1-Diabetes hat, muss nicht nur gut mit Insulin umgehen können, die Dosis beim Sport anpassen und auch lernen, die Kohlenhydrataufnahme abzuschätzen, um sicher Sport treiben zu können.
Manche Typ-1-Diabetiker sind auch übergewichtig und sollten sich auch deswegen regelmäßig bewegen. Ganz so, wie es auch übergewichtigen Typ-2-Diabetikern empfohlen wird …
Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit: Viele Menschen, ob sie nun Diabetes haben oder nicht, sind abends nach der Arbeit oft müde, kaputt, haben keine Lust mehr auf Bewegung – und wollen trotzdem etwas Leckeres essen. Genau wie Typ-2-Diabetiker mit Übergewicht sollten aber auch übergewichtige Typ-1-Diabetiker nicht zu viele Kalorien zu sich nehmen!
Also, egal ob Typ-1- oder Typ-2-Diabetiker: Wie bekommt man erwachsene Menschen dazu, sich wieder mehr zu bewegen, und wie können sie dazu motiviert werden (oder sich selbst dazu motivieren), sich auch regelmäßig zu bewegen und dies beizubehalten?
Es ist wichtig, für sich selbst herauszufinden, warum es einem längerfristig Freude bereiten könnte, ausdauernder, besser belastbar und somit auch alltagstauglicher zu sein – und das bei zunehmendem Spaß an der Bewegung selbst. Denn nur, was uns Freude macht, lässt uns auch Anstrengendes längerfristig durchhalten – eine Binsenweisheit, aber wahr!
All diese möglichen Gründe, die einen erwachsenen Menschen (z. B. mit Diabetes und Übergewicht) wieder zu mehr Bewegung bringen könnten, sind Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten, an denen wir von der Klinik Saale in Bad Kissingen zum Teil mitgewirkt haben.
Wer nach sechs bis zehn Stunden im Büro, einer längeren Autofahrt und einem raschen Einkauf mit dem Auto nach Hause zurückkehrt, darf es anschließend nicht beim klassischen Fernsehabend belassen! Mit 400 bis 500 Schritten am Tag – auf mehr kommen die meisten Deutschen nicht – kann man auf Dauer nicht muskulär gesund bleiben. Wünschenswert wären über 2 000 Schritte am Tag.
Schon wer eine Woche krank im Bett liegt, baut etwa 15 Prozent seiner Muskelmasse ab! Genau diese gilt es aber durch Ausdauer- und mäßiges Schnellkraft-Training bis ins hohe Alter zu erhalten. Dadurch werden ganz nebenbei auch Osteoporose (Knochenabbau), Wirbelsäulenschäden, Gelenkprobleme etc. reduziert.
Gartenarbeit und Hausputz sind wichtig – aber sie sind kein Ersatz für ein Herz-Kreislauf- oder Muskeltraining. Nach aktuellen Erkenntnissen sollten wir alle dreimal pro Woche über mindestens 30 bis 50 Minuten so trainieren, dass wir ins Schwitzen kommen. Je besser man trainiert ist, umso weniger schwitzt man später auch schon bei geringer Anstrengung!
Ergänzt werden sollte nach diesen sportmedizinischen Empfehlungen das Ausdauertraining durch ein leichtes Schnellkraft-Training, das mit zunehmendem Alter die Alltagstauglichkeit fördert, weil man z. B. mehr Kraft beim Anziehen von Kompressionsstrümpfen hat, durch einen eigentlich harmlosen Sturz weniger gefährdet ist und Alltagsgewichte (z. B. Getränkekästen) leichter tragen kann.
Täglich 20 bis 30 Minuten lang zu trainieren, ist besser, als dreimal pro Woche jeweils eine bis zwei Stunden. Für ein effektives Herz-Kreislauf-Training und damit auch eine entsprechende Verbesserung des Stoffwechsels ist es quasi unerlässlich, die Herzfrequenz zu kontrollieren. Ein Fitness-Armband hilft dabei und fördert die Motivation!
Durch ein Belastungs-EKG kann beim Hausarzt, Sportmediziner oder Kardiologen nach einer einfachen Formel die Trainingsherzfrequenz ermittelt werden. Für Menschen mit Diabetes hat sich die Karvonen-Formel zum Abschätzen einer optimalen Herzfrequenz bewährt.
Für alle untrainierten Menschen gilt, dass sie sich über mehrere Wochen langsam z. B. durch Spaziergänge oder Nordic Walking an ihr persönliches Limit herantasten sollten, um eine Überlastung nicht nur des Herzens, sondern auch von Bändern, Sehnen (z. B. der Achillessehne an der Ferse) und Muskeln zu vermeiden. Insbesondere bei extrem übergewichtigen Personen hat sich – statt Laufen oder Walken – das Fahrradfahren z. B. auf einem Cross-Trainer oder Ellipsen-Trainer bewährt.
Ein Lauftraining kann in begrenztem Umfang durch ein mildes Krafttraining (z. B. mit Ein- bis Zwei-Kilo-Hanteln) ergänzt werden und so zusätzlich zu einem Zuwachs an Muskeln führen. Studien zeigen auch, dass sogar bessere Blutwerte zu erreichen sind, wenn man dreimal täglich 10 Minuten auf dem Ergometer strampelt als einmal 30 Minuten am Stück. Fitness und Kondition bessern sich aber in beiden Fällen.
Wenn man durch Sport abnehmen möchte, gilt eine andere Ernährungsstrategie als unter dem Aspekt der Leistungssteigerung (Leistungssport). Die richtige Wahl der Lebensmittel und auch der Zeitpunkt des Verzehrs spielen eine große Rolle: Kohlenhydrate (Brot, Nudeln, Reis etc.) führen unmittelbar zum Ausschütten von Insulin. Dadurch kommt es zur Aufnahme von Zucker in die Zellen (vor allem Muskelzellen), gleichzeitig sinkt der Blutzucker ab.
Allerdings hemmt Insulin auch den Fettabbau aus dem Speicherfett, also den Fettdepots (z. B. Eingeweidefett), es behindert also die Gewichtsabnahme. Um den Fettabbau zu fördern, werden auch bei moderatem Ausdauertraining eher Kohlenhydrate mit einem niedrigen glykämischen Index (GI) (siehe Tabelle oben) empfohlen, also Nahrungsmittel, die den Blutzucker eher langsam ansteigen lassen.
Wichtig: Nach dem Sport ist der Stoffwechsel noch für einige Stunden gesteigert. Isst man also erst ca. zwei Stunden nach dem Sport etwas, kann man die Fettverbrennung längere Zeit hochhalten und weiter Fett abbauen. Eine Unterzuckerung sollte allerdings vermieden werden!
„Bewegung ist die beste Medizin“ – mit dieser einprägsamen Wahrheit können wir uns regelmäßig daran erinnern, dass wir im Alltag allzu schnell wieder in einen nicht sehr bewegungsfreudigen Trott verfallen. Um das zu vermeiden, bedarf es schon einiger Anstrengung.
Den meisten Menschen leuchtet ein, dass regelmäßiges körperliches Training das Wohlbefinden fördert und dazu zahlreiche Risikofaktoren für ein Herz-Kreislauf-Ereignis (Herzinfarkt, Schlaganfall) reduziert, bei Typ-1-Diabetikern auch das Risiko für Schäden an den kleinen Blutgefäßen (Mikroangiopathie) durch eine optimale und gleichmäßigere Blutzuckereinstellung.
Die Schwierigkeit liegt darin, einen Kick zu bekommen, es wieder mit mehr Bewegung zu versuchen. Diese auf jeden Einzelnen zugeschnittene Motivation ist ausschlaggebend. Jeder hat andere Wünsche für sein und Vorstellungen von seinem Leben – aber zum Leben gehört schon immer Bewegung, und körperlich Aktive erkranken seltener und leben auch länger! Wenn man es geschafft hat, (wieder) ein bewegtes Leben zu führen, bemerkt man oft erst, wie gut es einem tut.
Moderne Programme (z. B. DiSkO) oder auch eine Tanzgymnastik wie Zumba helfen Ihnen eventuell dabei. Suchen Sie Ihren eigenen Motivationsgrund für mehr Bewegung – es lohnt sich!
von Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologe/Diabetologe/Sozialmedizin, Chefarzt Deegenbergklinik
sowie Chefarzt Diabetologie Klinik Saale (DRV-Bund)
Deegenbergklinik, Burgstraße 21,
97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 21-0, E-Mail: schmeisl@deegenberg.de
Klinik Saale, Pfaffstraße 10,
97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 5-01
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (10) Seite 30-33
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