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Wichtiger als die Anzahl der Schlafstunden ist die Qualität des Schlafes. Etwa die Hälfte aller schlecht einstellbaren Menschen mit Diabetes haben eine Schlaf-Apnoe. Wir klären auf über die Zusammenhänge, zeigen Risiken und Auswege.
Peter M. ist mehrfach von seinem Kollegen angesprochen worden, ob er denn zu oft abends ausgehe und deshalb zu wenig Schlaf habe. Öfter schon wurde er in seinem Arbeitszimmer angetroffen – den Kopf auf dem Schreibtisch liegend, schlafend und schnarchend: “Wenn das der Chef mitkriegt!”
Tagsüber konnte er sich schon länger nicht mehr konzentrieren, gähnte ständig, und wenn der Präsentationsraum abgedunkelt wurde, konnte er seine Augen kaum mehr offen halten. Wenn er genau darüber nachdachte, hatte er auch schon mehrfach morgens auf dem Weg zur Arbeit mit dem Auto fast einen Unfall verursacht, weil er von der Fahrbahn abkam.
Durch seine Kollegen angeregt und auch aus Angst und Verantwortung ging er zum Arzt. Nach Ausschluss einiger schwerwiegender Erkrankungen wurde durch eine Untersuchung über Nacht im Schlaflabor ein Schlaf-Apnoe-Syndrom diagnostiziert. Seitdem übt er mit seinem neuen Atemgerät und versucht, mit der Schlafmaske zurechtzukommen. Tagsüber ist er schon nach kurzer Zeit deutlich wacher und fühlt sich viel frischer.
Schlafprobleme scheinen das Risiko für eine Gewichtzunahme und für einen Diabetes zu erhöhen. Experimentell ließ sich nachweisen, dass Schlafmangel das Hungergefühl und damit auch die Nahrungsaufnahme beim Menschen steigert; außerdem verschlechtern bereits wenige Tage unzureichender Nachtruhe die Insulinwirkung – die Insulinresistenz nimmt zu! Andererseits: Laut Weltgesundheitsorganisation sind ca. 1 Milliarde Menschen übergewichtig – etwa 300 Millionen sind bereits adipös, sprich krankhaft fettleibig.
Wer also einen schlecht eingestellten Diabeteshat und bei wem Insulin immer schlechter wirkt(Insulinresistenz), der sollte gemeinsam mit seinem Arzt immer auch an gestörten Schlaf bzw. an ein Schlaf-Apnoe-Syndrom denken. Viele Studien belegen den Zusammenhang mittlerweile klar: In einer Studie eines Teams aus Amerikanern und Kanadiern bei Patienten mit einer Schlaf-Apnoe und gleichzeitigem Prädiabetes konnten bereits durch eine 2-wöchige nächtliche Überdruckbeatmung über eine Atemmaske deutlich bessere Blutzuckerwerte erreicht werden.
Ursächlich wird neben einer Behinderung der Atmung in den oberen Atemwegen auch eine periphere Neuropathie und eine Störung in der Steuerung der Atmung vermutet.
Nach einer Studie von Young im Jahr 1993 zeigt sich, dass der Typ-2-Diabetes und das “obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom” (OSAS) in den westlichen Industrienationen häufige Erkrankungen sind. Die Häufigkeit wird in der Studie mit 4 Prozent bei Männern und 2 Prozent bei Frauen der Allgemeinbevölkerung mittleren Alters angegeben.
Hauptrisikofaktor für das Schlaf-Apnoe-Syndrom scheint die Adipositas, das krankhafte Übergewicht, zu sein: Rund vier Fünftel der Patienten sind adipös; ein weiterer Faktor, der das Schlaf-Apnoe-Syndrom begünstigt, ist das Alter, außerdem kommt es bei Männern häufiger vor als bei Frauen. Bei Frauen scheint es so zu sein, dass nach Ausbleiben der letzten Regelblutung (Menopause) mit Verlust der weiblichen Geschlechtshormone die Häufigkeit des OSAS deutlich zunimmt.
Bei Kindern und Jugendlichen dagegen ist der Auslöser häufig eine Schwellung der Rachenmandeln, bei Erwachsenen manchmal auch eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Auch andere hormonelle Erkrankungen (Akromegalie) oder Missbildungen im Rachengrund (Kieferfehlstellungen etc.) können die Ursache für ein Schlaf-Apnoe-Syndrom sein.
Ein gesunder, erholsamer Schlaf läuft in verschiedenen Phasen ab, die nach einem EEG (Elektro-Encephalogramm) in Stadien eingeteilt werden:
Gesunden Schlaf erkennt man an einer regelhaften Abfolge der Schlafstadien (Tabelle S. 35). Entscheidend für die Erholungsfunktion eines Schlafes ist nicht die Dauer, sondern jeweils ein ausreichender Anteil an den verschiedenen Schlafphasen wie Tiefschlaf und Traumschlaf (Schlafeffizienz). Die Schlafdauer, mit der dieses Ziel erreicht werden kann, liegt individuell zwischen 4,5 und 11 Stunden! REM- und NREM-Phasen sind benannt nach den dabei zu findenden oder fehlenden raschen Augenbewegungen (REM: rapid eye movement).
Bei Menschen mit Metabolischem Syndrom ist die Erkrankungshäufigkeit des mittelgradigen bis schweren OSAS mit etwa 60 Prozent angegeben – eine sehr hohe Anzahl! Bei diesen Menschen liegen häufig noch gestörte Blutfette, Bluthochdruck und erhöhte Entzündungswerte vor – dazu eine gesteigerte Arterienverkalkung sowie eine gesteigerte Aktivität des Sympathikus (antreibender Nerv der inneren Organe), was das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten erhöht. So kann der Blutdruck steigen, und das Herz wird quasi vermehrt angetrieben, verbraucht so mehr Sauerstoff und kann schließlich nicht mehr ausreichend pumpen (Herzinsuffizienz). Außerdem steigt das Risiko für Herzrhythmusstörungen (wie Vorhofflimmern). Unabhängig davon fördert es die Insulinresistenz mit Verschlechterung der Blutzuckerwerte und steigert so den Bedarf an Medikamenten wie Insulin – dies erhöht wiederum die Gefahr einer Gewichtszunahme.
Beim Entstehen des OSAS spielen organische und funktionelle Gründe eine Rolle. Im Wachzustand kann bei Menschen mit OSAS die Anspannung der Muskulatur der oberen Luftwege eine Einengung verhindern – im Schlafzustand kommt es dann leider zu einer Erschlaffung der glatten Muskulatur und so zur Verengung (Obstruktion) der oberen Luftwege. Durch eine zunehmende Adipositas mit Zunahme auch der Weichteilstrukturen im Halsbereich und um die Atemwege herum wird dieser Vorgang begünstigt. Außerdem wird aufgrund des vermehrten viszeralen (Eingeweide-)Fettes und der liegenden Position im Schlaf das Lungenvolumen oft deutlich reduziert.
Das OSAS ist gekennzeichnet durch eine regelmäßig wiederkehrende, teilweise Verengung der Atemwege im Rachenbereich während des Schlafes mit der Folge einer reduzierten Sauerstoffaufnahme (Hypopnoe) oder eine komplette Verengung, durch die keine Sauerstoffaufnahme mehr möglich ist (Apnoe). Dadurch kommt es zu einem Mangel an Sauerstoff.
Beim Schlaf-Apnoe-Syndrom unterscheidet man zwischen obstruktiven (durch verengte Atemwege) und zentralen Atemstörungen (Ursache im Gehirn). Krankhaft sind Atemstillstände von mindestens 10 Sekunden Dauer (Apnoe) oder eine Senkung des Atemflusses auf unter 50 Prozent des Normalzustandes mit Abfall der Sauerstoffsättigung um mehr als 4 Prozent; sie gelten für beide Formen.
Atempausen können länger als 60 Sekunden anhalten und sich bis zu 50-mal/Stunde wiederholen. Ein Sauerstoffabfall mit gleichzeitigemKohlendioxidanstieg im Blut ist die Folge! Dadurch werden Stress- und Weckreaktionen (Arousals) ausgelöst, die eine ausreichende Sauerstoffversorgung vorübergehend wieder gewährleisten. Eine Störung des Schlafes mit seinen verschiedenen Phasen ist jedoch eine weitere Folge – dies führt oft zur Tagesschläfrigkeit.
Wer übergewichtig ist und Diabetes hat, der sollte mit seinem Arzt nach typischen Beschwerden des obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndroms forschen. Erst danach, wenn sich der Verdacht erhärtet hat, sollte eine Polysomnographie (umfangreiche Untersuchung des Schlafes) in einem Schlaflabor durchgeführt werden. Auch bei schwer einstellbaren Patienten mit Diabetes sollte man an ein OSAS denken.
Eine Gewichtsreduktion (z. B. 15 bis 20 Prozent) können bereits eine deutliche Reduktion von Hypopnoe bzw. Apnoephasen (Apnoe-Hypopnoe-Index: AHI) bewirken. Die Entscheidung zu einer Therapie orientiert sich an diesem AHI, an den Beschwerden und auch an Begleiterkrankungen wie Übergewicht, Bluthochdruck und Herzerkrankungen.
Gerätetechnisch ist die Überdruckbeatmung (nCPAP) über die Nase Mittel der Wahl. Durch sie werden praktisch die Atemwege im Mund-Hals-Bereich geschient und so ist wieder eine ungehinderte Atmung möglich. Ziel ist eine Verminderung des AHI unter 5 pro Stunde Schlafzeit und eine Sauerstoffsättigung von über 90 Prozent.
Der Erfolg der Therapie hängt auch von der Mitarbeit des Betroffenen ab – in der Regel wird die Therapie jedoch gut vertragen und angenommen. Der klinische Erfolg gibt den Patienten oft schon nach wenigen Tagen oder Wochen Recht.
von Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologe/Diabetologe, Chefarzt Deegenbergklinik
sowie Chefarzt Diabetologie Klinik Saale (DRV-Bund)
Deegenbergklinik, Burgstraße 21,
97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 21-0
Klinik Saale, Pfaffstraße 10,
97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 5-01
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2015; 64 (10) Seite 32-35
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