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Kritisch blicke ich immer auf die Facebook-Postings, in denen Diabetiker und Diabetikerinnen ihre Angst äußern, dass der eigene Nachwuchs auch die Stoffwechselerkrankung bekommen könnte. Plötzlich kommen aus allen Ecken die vermeintlichen Genetikexperten und schüren die Ängste. An dieser Stelle würde ich gerne immer dazwischengehen, um das gefährliche Halbwissen aufzuräumen. Und das, obwohl ich eigentlich ein „Opfer“ der Genetik bin und zu denen gehöre, die sich ihren Diabetes mit anderen Familienmitgliedern teilen müssen.
Was ist eigentlich DNA?
Desoxyribonukleinsäure – ein langes Wort, dass meist nur mit der deutschen Abkürzung DNS oder der geläufigeren englischen DNA genannt wird. Es ist eine Kette aus vielen kleinen Bestandteilen zusammengesetzt, auf denen sich unsere Erbinformationen befinden. Die sogenannte Doppelhelix lässt sich vereinfacht als Leiter verstehen. Die Sprossen bestehen aus vier unterschiedlichen Bausteinen: Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, oft abgekürzt mit A, T, G und C. Zwei dieser sogenannten Basen bilden dann eine Sprosse (siehe Bild). Auf diesen Leitersprossen liegen die Gene, die den Bauplan für unseren Körper enthalten. Alle Lebewesen haben so einen Bauplan in sich.
Von Menschen und Mäusen…
Gene und die darin einprogrammierte Vererbung sind sehr komplex. Selbst vielstudierte Wissenschaftler scheitern daran und können die Bandbreite des genetischen Codes nicht erfassen. Deswegen spezialisieren sich die Experten nicht selten auf ein einziges Gen. Das bedeutet, dass sie eine Sprossenfolge in der spiralförmigen Leiter, die unsere DNA bildet (siehe Bild), untersuchen. Und selbst auf dieser Leitersprossenfolge sind unzählige Informationen enthalten. Ein Vergleich zwischen der DNA des Menschen und der von Mäusen zeigt, wie relativ ähnlich Gene sind und wie viel die kleinen Unterschiede ausmachen können. Das Erbgut der kleinen Nager stimmt zu ca. 95% mit unserem überein. Und doch ist so vieles anders!
Die lästigen Gene
Es ist kein Geheimnis, dass es genetische Faktoren bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes gibt. Bei Typ 2 besteht eine Mischung aus genetischen und umweltbedingten Faktoren. Zum einen liegt bei den meisten Patienten eine grundlegende Veranlagung in den Genen vor. Aber auch Übergewicht (welches auch genetisch bedingt sein kann) oder das Alter können die Entwicklung dieser Diabetesform begünstigen. Zumindest bei dem Risikofaktor Übergewicht kann man selber durch Sport und eine gesunde Ernährung etwas entgegenwirken.
Bei Typ 1 ist es nicht ganz so einfach. Es ist immer noch unklar, was genau die Autoimmunreaktion, die unsere geliebten insulinproduzierenden Zellen zerstört, auslöst. Auch hier stehen genetische und umweltbedingte Faktoren zur Diskussion. Die Wissenschaft forscht weiter und setzt sich intensiv mit den betreffenden Genen auseinander. Dies ist schwierig, da vermutlich etwa 50 verschiedene Gene an der Entstehung beteiligt sind. Die entscheidenden Fragen bleiben (vorerst) offen: Ist etwas in der Umwelt daran schuld? Oder sind es doch nur die Gene?
Zahlen sind relativ
Es gibt verschiedene Statistiken, die sich mit der Vererbung von Typ-1-Diabetes beschäftigen und zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Dabei bewegt sich die errechnete Wahrscheinlichkeit zwischen 3 und 8%, dass ein Kind an Diabetes Typ 1 erkrankt, wenn bereits ein Elternteil diese Erkrankung hat. Haben beide Eltern Typ-1-Diabetes, liegt diese Wahrscheinlichkeit zwischen 10 und 25%. Dass die letzten beiden Zahlen für eine Statistik schon sehr weit auseinanderliegen, zeigt, wie unterschiedlich solche Studien sind. Es kommt sehr darauf an, welche Fragen man an welche Personen richtet. Solche Zahlen sind also sehr relativ und man müsste genau hinschauen, wie die Studie zu diesen Zahlen gekommen ist. Und schlussendlich bleiben es nur Zahlen, die einem nicht sagen können, was in der Zukunft passiert. Daher sollte man sich nie von einer Statistik verrückt machen lassen.
Wenn man zu den 3-8% gehört…
Meine Mutter kam nie in die Situation, dass sie befürchten musste, dass ich auch Diabetes bekomme. Ich war einfach schneller und legte zwei Jahre vor ihr los. Das war 1996 und sie folgte 1998. Ich kam nie auf den Gedanken, dass meine Mutter auch Diabetes bekommen könnte. Ich war ein Teenager. Ich dachte höchstens daran, dass ich gerne die tollen grünen Augen meiner Mutter geerbt hätte. Hierfür hätte es eine 25%ige Wahrscheinlichkeit gegeben. Mehr wie beim Diabetes. Keiner kann sagen, warum es so gekommen ist und auch niemand hätte es verhindern können.
In meiner Familie gibt es zudem viel mehr Typ-2-Diabetes (siehe Stammbaum) und vielleicht werde ich später diesen auch bekommen und zu einem Mischtypen werden. Auch das ist möglich. Vielleicht bewahrt mich aber auch mein Typ 1 davor, da ich sehr bewusst und gesund lebe. Ich weiß es nicht, denn auch ich kann nicht in die Zukunft schauen, aber ich habe auch keine Angst davor, denn erstens kann ich schon mit Diabetes umgehen und zweitens gehört so etwas zum Älterwerden dazu.
Sorge um den Nachwuchs
Viele Diabetiker-Eltern machen sich große Sorgen, dass das eigene Kind auch erkranken könnte. Aus meiner Perspektive hat dies auch viel mit der eigenen Akzeptanz der Krankheit zu tun. Denn wenn man eine positive Einstellung zu seinem Schicksal hat, dann weiß man auch, dass man ebenso einem Kind beibringen kann, den Kampf aufzunehmen. Aber das ist nur ein Aspekt, der den persönlichen Ängsten von Eltern nicht gerecht wird.
Meine Mutter hingegen sagt, dass es eigentlich egal ist, ob nun Diabetes oder irgendetwas anderes in den Genen liegt. Sie findet unsere Gene nicht sonderlich toll, sagt aber, dass man sich als Mutter generell um alles Sorgen macht. Das macht Mutterschaft – und gewiss auch Vaterschaft – zu einem Teil aus, weil man für dieses kleine Leben verantwortlich ist. Durch den Diabetes hat man nur einen Namen und Schuldigen für eine der vielen mütterlichen Bedenken, die vollkommen normal sind und von denen man sich aber nicht in Panik versetzen darf.
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