Therapie des Typ-1-Diabetes und Behandlung von Kindern und Jugendlichen: Leitlinien aktualisiert

Therapie des Typ-1-Diabetes und Behandlung von Kindern und Jugendlichen: Leitlinien aktualisiert
Therapie des Typ-1-Diabetes und Behandlung von Kindern und Jugendlichen: Leitlinien aktualisiert
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Zwei aktualisierte S3-Leitlinien sind im September 2023 erschienen: die Leitlinie „Therapie des Typ-1-Diabetes“ und die Konsultationsfassung einer Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus bei Kindern und Jugendlichen. Darüber hinaus sind drei weitere Leitlinien aktuell in Überarbeitung. Und in Kürze steht die Veröffentlichung von 28 aktualisierten oder neu verfassten Praxisempfehlungen an.

Was ist neu an den beiden Leitlinien? Was sagen die Koordinatoren? Die neue S3-Leitlinie zur Therapie des Typ-1-Diabetes ist nun bis zum 1. September 2028 gültig. Die voran­gegangene Version stammte aus dem Jahr 2018. Die Koordination der Arbeit an der Leitlinie übernahm Professor Dr. Thomas Haak aus Bad Mergentheim. Dieser sieht die Arbeit an der Leitlinie durchweg positiv. „Ich bin richtig stolz, dass wir die Bearbeitung in so kurzer Zeit geschafft haben und so auch noch die Stellungnahme an das IQWiG rechtzeitig rausgehen konnte“, so Prof. Haak.

Leitlinie zur Therapie des Typ-1-Diabetes: Das ist neu

  • In der Überarbeitung sind vor allem die technischen Neuentwicklungen in der Behandlung des Typ-1-Diabetes beschrieben. Auch deren Effektivität haben die Autorinnen und Autoren geprüft. Aufgrund der rasanten Entwicklung auf dem Gebiet der Glukosesensoren und – in Verbindung mit Insulinpumpen – der Automatischen Insulin-Dosiersysteme (AID) sind Studien zum Langzeit-Outcome verständlicherweise fehlend. Es gibt jedoch eine Vielzahl von Studien und die Erfahrung von Behandelnden sowie Betroffenen, die den Vorteil dieser Therapieoptionen belegen.
  • Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) ist mittlerweile aufgrund des jederzeit abrufbaren Glukosewertes und der Warnfunktion vor Über- und Unterzucker zum Standard in der Glukoseüberwachung von Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 geworden. Damit ist sie integraler Bestandteil einer sicheren Therapie unter Vermeidung von Hypoglykämien.
  • In Bezug auf die Therapieziele in der Behandlung des Typ-1-Diabetes zeigt sich, dass die neuen Messparameter durch CGM gut mit dem HbA1c-Wert korrelieren. Daher finden sie auch zunehmend in klinischen Outcome-Studien Verwendung.
  • Die Vermeidung hoher post-prandialer Werte und nächtlicher Hypoglykämien sind wichtige Therapieziele. Aber gerade bei älteren Betroffenen ist eine Verringerung der Zeit im Zielbereich (Time in Range, TIR) bei häufigen Hypoglyk­ämien gerechtfertigt. Grundsätzlich hat der Sicherheitsaspekt in der Therapieplanung und und -führung einen hohen Stellenwert.
  • Die Einbeziehung von Menschen mit Typ-1-Diabetes in die Dia­gnostik und Therapie ihrer Erkrankung nimmt einen breiten Raum ein. Sie wird in einem eigenen Kapitel („ Partizipative Entscheidungsfindung“) ausführlich dargestellt.

Koordinator Prof. Dr. Haak sieht die Arbeit an der Leitlinie durchweg positiv. „Ich bin richtig stolz, dass wir die Bearbeitung in so kurzer Zeit geschafft haben und so auch noch die Stellungnahme an das IQWiG rechtzeitig rausgehen konnte.“ Er hebt hervor, dass Dr. Ralph Ziegler sowohl an der Leitlinie Typ-1-Diabetes als auch an der Leitlinie für Kinder und Jugendliche mit Diabetes beteiligt war. „Das war wichtig, um eine Harmonisierung der beiden Leitlinien zu erreichen.“

Leitlinie zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes: Das ist neu

Leitlinien-Koordinatoren der Arbeitsgemeinschaft „Pädiatrische Diabetologie“ der DDG für die Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter“, die derzeit noch in der Konsultationsfassung vorliegen, sind Dr. Martin Holder, Stuttgart, und Dr. Ralph Ziegler, Hannover. Als wichtigste Neuerungen nennen die beiden:

  • Die Leitlinie berücksichtigt alle Besonderheiten und Formen der chronischen Erkrankung Diabetes im Kindes- und Jugendalter. Die Empfehlungen der Leitliniengruppe konzentrieren sich auf das gesamte Spektrum der pädiatrischen Diabetologie. Es werden aber auch die Besonderheiten der verschiedenen Altersgruppen berücksichtigt.
  • Gedacht sind die Leitlinien für alle Berufsgruppen, die Kinder und Jugendliche mit Diabetes betreuen und unterstützen und mit der Erkrankung befasst sind. Dazu zählen neben Medizinerinnen und Mediziner verschiedener Fachrichtungen die Betroffenen und Angehörigen selbst sowie Organisationen wie Krankenkassen und deren Medizinische Dienste, Bildungs- und Betreuungseinrichtungen.
  • Die Leitlinie bildet die wichtigen Fortschritte ab u.a. auf den Gebieten der Früherkennung, Stadieneinteilung und Prävention, der Diabetes-Technologie und der Intensivierung der Insulintherapie. Wenn möglich, so die Empfehlung, soll allen Kindern und Jugendlichen mit einer Insulinpumpe auch CGM und AID-System angeboten werden. „Ein weiteres wichtiges Aufgabengebiet ist die Integration und Teilhabe von Kindern mit Typ-1-Diabetes in KiTa und Schule. Und auch in der Diagnostik, Behandlung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit anderen Diabetesformen hat sich seit der letzten Aktualisierung der Leitlinie sehr viel getan. Dies alles wird in der neuen Leitlinie im Gesamten umfassend bearbeitet“, sagen die beiden Leitlinienautoren.
  • Neue Kapitel sind dazugekommen, so Dr. Holder und Dr. Ziegler, z.B. „Telemedizin und Videosprechstunde“, „Inklusion und Teilhabe“. Andere Kapitel hat man deutlich erweitert, z.B. „Risikofaktoren, Früherkennung und Prävention“, „Diabetes und Technologie“ und „Andere Diabetesformen“. Einige Themenbereiche haben ein eigenes Kapitel bekommen wie „Ernährungstherapie“ und „Transition“.

Zudem wurden wichtige Neuerungen eingeführt, um den gestiegenen Anforderungen und dem vergrößerten Umfang gerecht zu werden. „Zum einen haben wir die Anzahl der Kapitelautoren erweitert. Jedem bisherigen Kapitelautor wurden ein bis zwei ‚neue’ Autoren zur Mitarbeit hinzugefügt. Auch um eine möglichst breite Vielfalt der Expertise abzubilden. Zum anderen haben wir die weiteren Berufsgruppen eines Diabetesteams einbezogen, z.B. Diabetesberatung, Ernährungsberatung und erneut eine Patientenvertreterin (neben selbst betroffenen Autoren).“

Leitlinien und Praxis­empfehlungen zu Diabetes: Das steht 2023 noch an

Aktuell wurden und werden unter Federführung der DDG fünf Leitlinien aktualisiert. Neben „Therapie des Typ-1-Diabetes“ und „Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter“ sind dies „Gestationsdiabetes“, „Diabetes und Straßenverkehr“ sowie „Diagnostik, Therapie und Verlaufskon­trolle des Diabetes mellitus im Alter“.

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Zudem sind viele Praxisempfehlungen neu entstanden. Dazu Professor Dr. Karsten Müssig, neben Professor Dr. Monika Kellerer Leitlinienkoordinator der DDG: „Zur Herbsttagung werden nun sogar 28 aktualisierte oder neu entstandene Praxisempfehlungen veröffentlicht werden. Neu hinzugekommen ist die Praxisempfehlung ‚Ernährungsempfehlungen zur Prävention des Diabetes mellitus Typ 2’ unter Federführung des Ausschusses für Ernährung der DDG.“ „Und“, so Prof. Müssig, „aktuell entsteht eine weitere Praxisempfehlung ‚Diabetes im Krankenhaus’, die den Diabetesteams konkrete Hilfestellungen geben möchte.“ All dies ist nicht selbstverständlich: „Die Leitlinien und Praxisempfehlungen haben wir der außerordentlichen Expertise und dem großartigen Engagement der Autorinnen und Autoren zu verdanken.“



von Nicole Finkenauer

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