Therapieziele gemeinsam erreichen

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Therapieziele gemeinsam erreichen

Die Behandlung des Diabetes orientiert sich an therapeutischen Leitlinien. Sie beschreiben, mit welchen Maßnahmen welche Therapieziele erreicht werden können. Neu ist der Schwerpunkt der Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes auf der gemeinsamen Entscheidungsfindung mit den Menschen mit Diabetes. Die gemeinsame Begleitung durch Ärzte, Diabetesassistenten, Pflegekräfte und Apotheker soll unterstützen, die Therapie so erfolgreich wie möglich durchzuführen.

Irene M. war zunächst geschockt, als sie die Diagnose Diabetes erhielt. “Ich saß beim Arzt und wurde informiert, was die Erkrankung für mich zu bedeuten hatte: mindestens zehn Kilo Gewicht abnehmen, mehr Bewegung und jeden Tag zwei Metformin-Tabletten einnehmen. Mein Arzt hat mich auch gefragt, welche Art von Bewegung ich mir vorstellen könnte, und hat mir die Metformin-Tabletten erklärt. Ich war aber so perplex, dass ich erst später zu Hause über diese Diagnose und deren Konsequenzen nachgedacht habe. Dann habe ich die Tabletten eingenommen und auch versucht, abzunehmen. Aber zehn Kilo waren für mich wie ein großer Berg, wie sollte ich das nur schaffen?”

Gemeinsame Therapieziele

Die neue Diagnose Diabetes bedeutet viel Veränderung. Zum einen steht bei Typ-2-Diabetes immer der Lebensstil auf dem Prüfstand, zum anderen wird oft eine medikamentöse Therapie begonnen. Bisher wurden Therapieziele vom Arzt definiert – zum Beispiel ein angestrebter Langzeit-Zuckerwert (HbA1c), ein bestimmtes Gewicht oder ein bestimmter Body-Mass-Index (BMI). Weil eine Therapie nur erfolgreich ist, wenn Patienten diese unterstützen und tragen, ist es so wichtig, dass nach dem Prinzip der partizipativen Entscheidungsfindung Behandler und Patienten gemeinsam entscheiden, was sie bereit sind, zu investieren und zu erreichen. Dazu erläutert der Arzt, was der Hintergrund der Erkrankung ist und welche Vorteile zum Beispiel Medikamente oder nicht medikamentöse Maßnahmen für den Krankheitsverlauf haben. Der Arzt würde wie in unserem Beispiel erläutern, dass die Gewichtsabnahme von zehn Kilo sich sehr günstig auf den Zuckerstoffwechsel auswirken würde, vielleicht sogar auf Medikamente verzichtet werden könnte.

Die Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes empfiehlt gewissermaßen: “Lassen Sie uns gemeinsam eine Entscheidung treffen, die am besten zu Ihnen passt!” Es werden Möglichkeiten aufgezeigt und es wird über Vor- und Nachteile informiert und dann gemeinsam eine Entscheidung getroffen. Nun ist es an den Menschen mit Diabetes wie Irene M. zu entscheiden, ob sie die Gewichtsabnahme schaffen können und wollen. Möglicherweise einigen sich Therapeut und Patient zunächst auf erste niedrigere Therapieziele, zum Beispiel fünf Kilogramm.

Hürden, Therapieziele zu erreichen

“Dann habe ich also meine Ernährung umgestellt und diese Metformin-Tabletten eingenommen. Davon bekam ich aber direkt Übelkeit und Durchfall, sehr unangenehm. Was sollte ich denn machen? Dann habe ich einfach nur die eine Tablette am Abend nach dem Abendessen eingenommen und die morgendliche weggelassen. Ich dachte, besser als nichts.”

Erweiterte Medikations-Beratung

“Dann sprach mich meine Apothekerin auf die neuen Tabletten an und fragte mich, wie ich diese vertrage. Sie bot mir eine erweiterte Medikations-Beratung an. Das bezahlte sogar meine Krankenkasse, das habe ich dann gemacht.” Die richtige Einnahme von Arzneimitteln kann schwierig sein. Menschen mit Diabetes haben oft mehrere Erkrankungen und nehmen viele verschiedene Medikamente ein. Hier ist es nicht einfach, immer den optimalen Zeitpunkt für die Einnahme zu wissen. Manchmal werden Tabletten vergessen oder nicht richtig vertragen. Dann brauchen die Betroffenen Unterstützung vom Arzt und Apotheker, um ihre Therapieziele zu erreichen.

Umfassende Information

Die erweiterte Medikations-Beratung hat das Ziel, Patienten mit mehr als fünf Arzneimitteln einmal intensiv über ihre gesamten Medikamente aufzuklären. Dabei wird systematisch auf Probleme, die mit den Arzneimitteln zusammenhängen können, geprüft, zum Beispiel auf Anwendungsprobleme, richtige Einnahmezeitpunkte, Wechselwirkungen, Nebenwirkungen, die richtige Aufbewahrung und Dosierung. Die Apotheker erfahren dabei oft Beschwerden oder Probleme von den Patienten, die die Ärzte nicht wissen – wie weitere Medikamente der Selbstmedikation oder Nahrungs-Ergänzungsmittel, die eingenommen werden. Irene M. berichtete hier zum Beispiel von den Durchfall-Problemen durch die Metformin-Tabletten. Sie hat aufgrund der Nebenwirkung die Tablette weggelassen – ein klassisches Problem. Beim genauen Nachfragen ergab sich, dass sie die Tablette am Morgen immer nüchtern schluckte, was so eine Nebenwirkung nicht ungewöhnlich macht. Sie nahm also nur die Hälfte der empfohlenen Dosis und konnte so das Therapieziel nicht erreichen. Die Vereinbarung mit ihr, morgens zum Frühstück die Einnahme zu versuchen, hat gut funktioniert.

Kooperation hilft

Wenn ein zweiter Heilberufler die Medikation eines Patienten aus einer anderen Perspektive betrachtet, können Aspekte entdeckt werden, von denen Arzt und Patient profitieren. Ein großer Vorteil der erweiterten Medikations-Beratung ist, dass in der Apotheke ein Bericht erstellt wird, der dem Arzt zur Verfügung gestellt wird, sofern der Patient dazu seine Einwilligung gibt. So kann der Arzt die Ergebnisse in seine Therapie-Entscheidung einbeziehen. “Ich habe diese neue Dienstleistung aus der Apotheke erst etwas skeptisch betrachtet. Als Frau M. aber mit dem Bericht aus der Apotheke zu mir kam und ich so von dem Problem mit den Metformin-Tabletten und dem Vorschlag der Apothekerin las, war ich ganz angetan. Wäre das nicht aufgeklärt worden, hätte ich sicher noch eine weitere Tablette verordnet, weil der Blutzuckerwert immer noch nicht zufriedenstellend war. Außerdem hatte Frau M. einen neuen aktualisierten Medikationsplan mit, auf dem auch die Medikamente vom Orthopäden und aus der Selbstmedikation standen – die kannte ich noch gar nicht und waren aber relevant”, berichtete der Hausarzt von Irene M.

Gemeinsam erfolgreich

In der NVL wird die Zusammenarbeit von Patienten, Ärzten und anderen Heilberuflern, wie den Apothekern, hervorgehoben. Der Mensch mit Diabetes entscheidet immer mit, wohin die Reise seiner Behandlung geht. Ärzte und Apotheker unterstützen dabei, wie Bergführer, die verschiedene Kompetenzen einbringen und damit die Patienten zu ihren Therapiezielen führen. “Mir hat das viel Sicherheit und Vertrauen gegeben, als ich sah, dass mein Arzt und meine Apothekerin zusammengearbeitet haben. Und im Ergebnis geht es mir besser, ich vertrage die Tabletten und habe sogar auch fünf Kilo abgenommen”, ist Irene M. zufrieden.

Therapie-Begleitung bei Polymedikation
Menschen mit Typ-2-Diabetes müssen im Regelfall mehr als fünf Medikamente dauerhaft einnehmen. Dazu kommt noch die Selbstmedikation. Je mehr Arzneimittel eingenommen werden, umso mehr Wechselwirkungen und Nebenwirkungen sind möglich. Außerdem wird es schwieriger, den Überblick zu behalten, wann welches Medikament eingenommen werden muss. Im Fortschreiten der Erkrankung erhalten Menschen mit Diabetes häufig weitere Medikamente zum Senken der Blutzuckerwerte. Die unterschiedlichen Substanzen greifen an verschiedenen Stellen im Körper an und zeigen auch unterschiedliche Nebenwirkungen. Es ist Aufgabe von Ärzten und Apothekern, die Vor- und Nachteile der Arzneistoffe sowie deren Anwendung zu erklären. Auf dieser Basis sollen Patienten in die Therapie-Entscheidung einbezogen werden. Ein aktualisierter bundeseinheitlicher Medikationsplan wird nach einer erweiterten Medikations-Beratung ausgehändigt. Er ist ein hervorragendes Instrument, die Medikamente richtig einzunehmen, und dient der Informations-Übermittlung zwischen Ärzten, Apothekern und Pflegekräften. Deshalb sollten Patienten diesen Plan immer bei sich haben und auf dem aktuellen Stand halten. Dabei hilft übrigens die App PApp der RWTH Aachen, die unter meinmedikationsplan.de zu finden ist.

Schwerpunkt “Unterstützen bei der Therapie”

Kontakt:
© privat
Dr. Katja Renner

Apotheke am Medizinzentrum
Heinsberg

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (12) Seite x-x

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