- Aus der Community
TUI kann jeder
4 Minuten
Reisen ist mein Hobby. Musik machen auch. Mit meiner Münchner Sambaband „Uniao do Samba“ über Silvester nach Russland zu reisen, hörte sich für mich daher von Anfang an doppelt attraktiv an. Gesagt, geplant, getan – Ende Dezember flogen wir als 41 Mann, Frau und Kinder starke Truppe über die russische Hauptstadt nach Nischni Novgorod, Russlands fünftgrößte Stadt. Von dort sollte uns ein Bus zwei weitere Stunden lang in ein Feriencamp mitten im winterlichen Wald fahren – der Auftakt für unsere „Russland-Tournee“. Mein Diabetes fuhr natürlich auch mit. Silvester in Russland kannte er ohnehin schon, da ich vor vier Jahren schon mal den Jahreswechsel hier gefeiert habe (s. hier). Damals hatte es im Extremstfall rund -10 Grad.
Zwei Ersatz-mylife-Omnipods transportierte ich im Handgepäck – für den Fall, dass mein Koffer nicht zeitgleich mit mir ankommen und ein paar Tage länger brauchen sollte. Eine gute Entscheidung. Denn ein Koffer unserer Gruppe blieb tatsächlich zurück, sodass wir uns ohne ihn am Flughafen in Nischni Novgorod in den abenteuerlichen Bus setzten, der mit seiner Zottel-Deko an einen fliegenden Teppich erinnerte. 41 Leute, 40 Gepäckstücke, alle Instrumente einer Sambaband – das passt trotzdem nicht. Doch es wurde passend gemacht und so fuhren wir mit Gepäck auf Sitzen und im Gang verteilt gut gelaunt durch die winterliche Nacht Russlands – in immer abgelegenere Waldgegenden, nachdem wir die Großstadt hinter uns gelassen hatten.

Während die ersten schon schliefen – es war immerhin schon halb zwölf, machte es plötzlich „Wrumms“. Und dann nichts mehr. Der Bus steckte im Schnee fest. Mitten im Wald, mitten in der Nacht. Wir stiegen aus, schoben, schaufelten, werkelten – doch kein Erfolg. In dieser ersten Nacht wurde das Motto der Reise geboren: „TUI kann jeder!“ Denn als klar wurde: „Rien ne va plus“, stiefelten wir nachts die knapp zwei verbliebenen Kilometer durch den dunklen Wald zum Ferienlager. Gibt’s hier eigentlich Wölfe? Oder Bären? Um kurz nach 1 Uhr nachts kamen wir an. Happy End: Wir bekamen noch ein warmes Essen, Bus und Koffer kamen bis zum Morgen durch Traktorabschlepphilfe nach, während wir schon in unseren Holzhütten schliefen. Und mein Insulin? Das hatte ich beim Start unserer spontanen Nachtwanderung bei Minustemperaturen in meinen BH gepackt, um es vor dem Gefriertod zu bewahren. Mit Erfolg.
С Новым годом [s nowym godam] – Frohes Neues!
Ab dann jagte an den nächsten zehn Tagen ein Highlight das nächste: Auftritt im Kreml von Nischni Novgorod vor hunderten begeisterten Zuschauern, Berichterstattung im russischen Fernsehen, herrlich entspannte Tage mit anderen russischen Gästen im Feriencamp, die uns Traditionen wie das richtige Wodka-Trinken näherbrachten („Sa druschbu – auf die Freundschaft“), eine lebhafte Silvesternacht mit Putin-Ansprache im Fernsehen um Mitternacht, eine spaßige Eisrutsche, ein Besuch in einer Matroschka-Fabrik, ein nächtlicher Besuch einer orthodoxen Weihnachtsmesse und ein abenteuerlicher Hochseilgarten, der mir aufgrund der Anstrengung (oder Anspannung?) eine Unterzuckerung einbrachte.
Mein Diabetes kennt es schon, dass ich ihn „zwinge“, meine Lust auf Aktivität mitzumachen. Das dankt er mir manchmal mit niedrigen Werten, was in Russland aber nur einmal grenzwertig wurde: Nach einer rund 1,5-stündigen Stadtführung in Nischni Novogorod lag mein Blutzucker trotz vorab gesenkter Basalrate um 50 Prozent, trotz reduziertem Bolus zum Frühstück und trotz Extra-Zuckerladung zum Tourstart am Ende wieder im roten (unteren) Bereich. Kritisch wurde es deshalb, weil mein Zuckervorrat gerade aufgebraucht war und die historische Straßenbahn – unser nächster Programmpunkt – bereits auf uns wartete, sodass ich keine BEs mehr im Café nebenan shoppen konnte. Ich hatte nur die Wahl zwischen zurückbleiben und ohne Zucker einsteigen – in der Hoffnung, dass meine Mitreisenden besser ausgestattet sind. Ich entschied mich für Letzteres und erhielt von den anderen tatsächlich reichlich Kohlenhydrate in Form von Croissants vom Frühstücksbüffet, Mars-Riegel usw.
Zu weit nach oben ging es dagegen einmal, als offenbar der Katheter meines Omnipods verrutscht ist: Nach einem leckeren Essen bei einem Azerbaidschaner lag mein Blutzucker nachts bei 220 mg/dl (12,2 mmol/l) – also korrigierte ich und ging ins Bett. Am Morgen danach dann bemerkte ich eine beginnende Ketoazidose – Keton zweifach positiv, mein FreeStyle Libre wollte gar keinen Wert mehr anzeigen („HOCH“). Die Korrektur am Vorabend kam vermutlich auch schon nicht mehr an … also habe ich mein Equipment gewechselt, Korrektur gespritzt und mich beim Frühstück auf kohlenhydratfreies Rührei beschränkt. Ein paar Stunden später bin ich wieder im grünen Bereich angekommen, als wir schon im Zug nach Moskau saßen.
In Moskau ereilte uns dann ein Temperatursturz: Bis zu minus 28 Grad! Normalerweise trage ich immer und überall eine Ampulle Insulin bei mir für den Fall der Fälle. Das habe ich mir dort aufgrund der Kälte ausnahmsweise abgewöhnt. Erstaunlich: Ich war an allen Tagen Zucker-technisch extrem tief unterwegs, was sicher zum einen an der Bewegung liegt, die bei Stadturlauben höher ist als daheim am Schreibtisch. Vielleicht lag es aber auch an den vielen, vielen Kleidungsschichten, die Körper und Insulin darunter gewärmt und die Durchblutung zusätzlich verstärkt haben …

Im Gegensatz zu manch deutschen Flughäfen haben mylife Omnipod und FreeStyle Libre übrigens in Russland an keinem der zahlreichen Kontrollpunkte angeschlagen – egal, ob Flughafen, Bahnhof, U-Bahn-Station oder Kaufhaus-Eingang. Mein Diabetes-Attest hätte ich natürlich trotzdem griffbereit gehabt. Und wenn die russischen Beamten die englische Version nicht verstanden hätten, hätte ich es einfach mit einem herzlichen „Sa druschbu“ versucht und auf die Herzlichkeit der Russen gesetzt, die wir auf dieser tollen Reise so häufig erleben durften!
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 6 Tagen, 21 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig