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Wer eine Wunde am Fuß hat, die nicht in wenigen Tagen kleiner wird, der sollte diese direkt seinem Hausarzt und/oder Diabetologen zeigen. Entschiedenes und frühes Einschreiten verhindert gefährliche Wunden – und vor allem Amputationen.
Als die Tochter von Claudia M. wie immer Dienstagnachmittag vorbeikommt und den Zeh der Mutter sieht – diese wollte ihn zunächst gar nicht zeigen, doch die Nachbarin drängte darauf –, ist sie erschrocken: „Das sieht ja fürchterlich aus, du musst doch Schmerzen haben!“ Aber Frau M. hatte keine Schmerzen.
In der Klinik, in der Frau M. 7 Tage lag, konnte die Zehe gerettet werden. Die Behandlung ist aber noch nicht abgeschlossen.
Eine schlecht heilende Wunde am Fuß eines Menschen mit Diabetes kann quasi über Nacht die Amputation bedeuten. Nach Prof. Ralf Lobmann (Stuttgart) könnten von den etwa 50.000 Fuß- und Beinamputationen bei Menschen mit Diabetes bis zu 80 Prozent durch eine „rasche und fachkundige Behandlung“ wahrscheinlich vermieden werden. Heute ist es Pflicht eines jeden Arztes, vor einer Amputation eine Zweitmeinung eines anderen Spezialisten einzuholen.
Erhöhten Druck an Fußsohlen von Diabetikern kann man entdecken mit druckempfindlichen Einlegesohlen, die in Verbindung mit einer „Smartphone-App“ Alarm schlagen. So lassen sich Geschwüre vermeiden oder rechtzeitig entdecken. Nach Prof. Neil Reeves (Manchester) konnte damit in Studien das erneute Auftreten eines Fußgeschwürs um bis zu 70 Prozent reduziert werden. Durch das Warnsystem können Menschen ihr eigenes Risiko viel besser und früher realistisch einschätzen.
Die Amputationsrate konnte ebenfalls deutlich reduziert werden – dort, wo Spezialisten (Diabetologen, Gefäßspezialisten, Chirurgen) gut zusammenarbeiten mit Hausärzten, Podologen und spezialisierten Ambulanzen („Fußnetze“), z. B. in Köln, Leverkusen und Stuttgart. Etwa 12.000 der Amputationen sind „hohe“ Amputationen oberhalb des Knöchels/Unter-, Oberschenkels. Zum Glück ist die Zahl endlich rückläufig! Eines ist wichtig: Immer noch geht einer solch eingreifenden Maßnahme oft ein vermeintlich harmloses Geschwür („Ulkus“) voraus.
Beim Entstehen des Diabetischen Fußsyndroms spielt die diabetische Polyneuropathie, eine Erkrankung der Nerven, eine entscheidende Rolle. In mehr als 70 Prozent ist sie führend: Viele Patienten mit Diabetes und einem Geschwür haben aufgrund der Nervenschädigung kaum oder keine Schmerzen oder diese werden nicht ernst genug eingeschätzt („Was nicht weh tut, kann auch nicht so schlimm sein!“).
Kommt es aber zu einer Wundinfektion, fehlen wegen der Nervenschädigung oft die üblichen Schutzfunktionen – vor allem der Schmerz. Besteht darüber hinaus eine Durchblutungsstörung der Beine im Sinne einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), wird es noch gefährlicher: Wo kein Blut hinkommt, kann nichts heilen. Das bedeutet: Wenn eine Wundinfektion aufgetreten ist und diese zu spät bemerkt wird, wird sie in der Regel auch nicht konsequent behandelt, weil das Risiko einer Amputation gar nicht bewusst ist.
Anzeichen eines reinen Nervenschadens | Anzeichen einer zusätzlichen Durchblutungsstörung (pAVK) |
trockener Fuß | feuchter Fuß |
warm | beim Betasten kühl bis eiskalt |
gut durchblutet, rötlich | schlecht oder gar nicht durchblutet, in der Regel blass bis bläulich |
schmerzlos | meist schmerzhaft/aber auch schmerzlos |
Das Risiko einer chronischen Wundheilungsstörung steigt mit folgenden Einflüssen:
Durchblutungsstörungen vor allem der Unterschenkelarterien sind die Hauptursache dafür, dass Unterschenkel- bzw. Fußgeschwüre bei Diabetikern mit einer Nervenschädigung nicht abheilen. Das Problem bei gleichzeitigem Vorliegen von Neuropathie und Durchblutungsstörungen der Unterschenkel/Füße ist, dass die Betroffenen durch die fehlenden Schmerzen keine Warnsymptome mehr haben (20 – 30 Prozent der Patienten). Infizierte Geschwüre werden nicht so ernst genommen und können nicht abheilen – das Amputationsrisiko steigt!
Durch einen einfachen Test wie den Knöchel-Arm-Index (engl. Ankle-Brachial-Index, ABI) kann so eine Durchblutungsstörung rechtzeitig erkannt werden. Besteht eine Mediasklerose, also eine spezielle Form der Verkalkung der Arterien, können beim Blutdruckmessen die Unterschenkelarterien nicht durch die Blutdruckmanschette zusammengedrückt werden, so dass die Messergebnisse nicht zuverlässig sind.
Die Arterienwände sind dann zwar starr, die Durchblutung kann aber trotzdem normal sein, was z. B. mit einer Gefäß-Ultraschall-Untersuchung (Farb-Duplex) nachweisbar ist. Eine Mediasklerose bedeutet also nicht unmittelbar, dass eine Durchblutungsstörung besteht, kann aber wegen des oft gemeinsamen Auftretens ein Hinweis auf eine Polyneuropathie sein.
Auf mehreren Säulen steht die Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms:
Bei jedem Patienten mit Diabetes und einem Fußgeschwür ist vor einer größeren Amputation zwingend, dass ein Spezialist hinzugezogen wird – neben dem Arzt, der den Patienten untersucht hat und behandelt –, also ein weiterer Kollege, der sich mit der Durchblutungsstörung, ggf. auch mit der Operationstechnik auskennt. Wenn irgend möglich, sollte man das Wissen und auch die Erfahrung eines Gefäßzentrums, das in größeren Städten zur Verfügung steht, in Anspruch nehmen.
Diese Abteilungen sind mit den entsprechenden Geräten ausgestattet und haben Fachärzte, die in kurzer Zeit eine Durchblutungsstörung bestätigen oder auch ausschließen können, um eine entsprechend rechtzeitige Therapie mit Katheter oder Operation in die Wege zu leiten.
Ein diabetisches Fußgeschwür ist immer noch eine große therapeutische Herausforderung. Dabei könnten durch rechtzeitiges Entdecken und konsequente Behandlung bis zu drei Viertel aller Amputationen, die jedes Jahr durchgeführt werden, wahrscheinlich vermieden werden. Jedes nicht in wenigen Tagen sich verkleinernde Geschwür sollte unbedingt dem Hausarzt und/oder einem Diabetologen gezeigt werden.
Die Zusammenarbeit aller an der Therapie Beteiligten ist unbedingt erforderlich – das Einbeziehen Angehöriger auch oft notwendig und sinnvoll. Der meist fehlende Schmerz führt leicht zu einem Verharmlosen und oft einem Hinauszögern der Behandlung!
Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (8) Seite 34-36
5 Minuten
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