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Eine erektile Dysfunktion kann viele Ursachen haben. Diese können organisch sein wie eine gestörte Durchblutung oder eine Schädigung der Nerven. Auch die Psyche kann zu Störungen der Sexualfunktion führen. Je nach Ursache und Situation im Penis kommen unterschiedliche Therapien in Frage. Das reicht von Tabletten zum Einnehmen über Spritzen in den Penis bis zum operativen Einsetzen einer Prothese. Bei allem ganz wichtig ist, dass die Partnerin oder der Partner in die Therapie einbezogen werden.
Für das Entstehen einer Erektion muss eine ganze Kaskade von Vorgängen aufeinander abgestimmt und funktionsfähig sein. Diese beginnt mit psychischen Faktoren, Funktionen des Nervensystems, zuführender und abführender Gefäßversorgung der Schwellkörper, Funktionstüchtigkeit der Schwellkörper selbst und einem funktionierenden Hormonsystem. Die Unterteilung in eine rein psychische und eine rein organische erektile Dysfunktion ist selten möglich, da sich beides sehr schnell gegenseitig beeinflusst.
Ursachen können Fehlfunktionen der Blutgefäße, Schädigungen des Nervensystems, anatomische Fehlbildungen, Störungen des Hormonsystems, Unfälle und operative Eingriffe vor allem im Becken-Bereich mit Schädigungen der Nervenstrukturen (z. B. Krebs-Operationen) sowie psychische Einflussfaktoren sein.
Die Anamnese ist wichtig, um den Schweregrad der erektilen Dysfunktion, die Therapie-Aussichten und den späteren Behandlungs-Erfolg abschätzen zu können. Da die erektile Dysfunktion ein erster Hinweis auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein kann, sollte diesbezüglich eine Untersuchung beim Herz-Spezialisten (Kardiologen) erfolgen und die entsprechenden Risikofaktoren sollten behandelt werden.
Damit Behandlungen der erektilen Dysfunktion erfolgreich sind, sollten die Partner in alle Aspekte der Behandlung einbezogen werden – von der Untersuchung und Diagnose über die Beratung bis hin zur Auswahl der Behandlung und der Nachsorge.
Der Behandlungsbeginn erfolgt heute meist medikamentös mit einem PDE-5-Hemmer. Bei sexueller Erregung wird, durch Nervenimpulse vermittelt, ein Stoff freigesetzt, der zu einem vermehrten Blut-Einstrom in die Schwellkörper führt. Dieser Stoff wird durch das Enzym PDE-5 abgebaut. Wird jetzt ein PDE-5-Hemmer eingenommen, wird der Abbau dieses freigesetzten Stoffs verzögert, sodass sich dieser immer mehr im Schwellkörper anhäuft und darüber eine Erektion entstehen und auch aufrechterhalten werden kann.
Aufgrund dieses Wirkmechanismus ist die Therapie meist nur dann erfolgversprechend, wenn eine sexuelle Stimulation erfolgt und noch eine Resterektion vorhanden ist oder eine Erektion, die vorzeitig abbricht. Die Zulassungs-Studien haben gezeigt, dass daher etwa ein Drittel der Männer mit Diabetes mellitus wohl aufgrund der Schwere einer vorliegenden Nervenschädigung (Polyneuropathie) nicht auf diese Therapie anspricht und dass Männer mit Diabetes diese Medikamente eher in hoher Dosis einnehmen müssen.
Die am häufigsten eingesetzten Präparate unterscheiden sich in der Wirkdauer, in der Art der Einnahme und auch im Preis (siehe folgende Tabelle). Alle Medikamente sind rezeptpflichtig und werden von den Krankenkassen nicht erstattet. Die Wirkstoffe Sildenafil, Vardenafil und Avanafil werden nur gut aus einem leeren Magen aufgenommen. Die letzte Mahlzeit sollte daher 2 bis 3 Stunden zurückliegen.
Tabletten zur Therapie der erektilen Dysfunktion | ||||
Präparat | Viagra | Levitra | Cialis | Spedra |
Wirkstoff | Sildenafil | Vardenafil | Tadalafil | Avanafil |
Anzahl Generika auf dem Markt | ca. 55 | ca. 23 | ca. 55 | keine |
Preis pro Tablette (Höchstdosis) | ca. 1,40 € | ca. 4,90 € | ca. 2,60 € | 5,62 € |
Wirkdauer | ca. 6 Std. | ca. 6 Std. | 24 – 36 Std. | ca. 6 Std. |
Nahrungs-Einfluss | ja | ja | nein | ja |
Wirkeintritt nach Einnahme | ca. 30 Minuten | ca. 30 Minuten | ca. 30 Minuten | ca. 30 Minuten |
Dosierung in mg | 25, 50, 100 | 5, 10, 20 | 5, 10, 20 | 50, 100, 200 |
Die möglichen Nebenwirkungen sind überschaubar. Häufige Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Schwindel, verstopfte Nase, Farbsehstörungen, Blutdrucksenkung und Sodbrennen. Beachtet werden müssen Wechselwirkungen mit bestimmten anderen Medikamenten, z. B. Nitraten. Auch wird die Einnahme nach Herzinfarkt und Schlaganfall erst 6 Monate nach dem Ereignis empfohlen.
Eine weitere Therapie, die rein mechanisch und langfristig kostengünstig ist, ist die Vakuumpumpen-Therapie. Hier wird der Penis in einen Plastikzylinder eingeführt und meist durch eine elektrische Pumpe die Luft aus dem Zylinder gezogen. Durch den dadurch entstehenden Unterdruck wird der Penis im Plexiglas-Zylinder passiv mit Blut gefüllt und es entsteht eine Erektion. Bei Freigabe des Unterdrucks würde das Blut natürlich sofort wieder aus dem Schwellkörper hinausströmen. Dies wird jetzt allerdings durch einen Gummiring, der vom Zylinder aus über die Peniswurzel gestreift wird, verhindert.
Die Erektion ist allerdings hiermit nicht komplett, da das hintere Drittel der Schwellkörper, das im Körper liegt, nicht mit Blut angefüllt ist – der Penis würde „hängen“. Dies führt zu einer gewissen Instabilität des Penis beim Geschlechtsverkehr und das Paar muss hier geeignete Positionen wählen. In diese Therapie muss man sich erst etwas „hineinfinden“. So muss man erst durch einige Versuche herausfinden, welche Ringgröße für den Penis die am besten geeignete ist, damit die Erektion auch bestehen bleibt. Wichtig ist aber auch, dass der eingesetzte Ring nicht zu klein ist und schmerzt. Naturgemäß wird diese Therapie nur in einer eingespielten Partnerschaft funktionieren.
Die Vakuumhilfen sind als medizinisches Hilfsmittel im Hilfsmittelkatalog der Krankenkassen gelistet und werden bei entsprechendem Antrag übernommen, die Preise liegen zwischen 220 und 500 Euro. Nebenwirkungen sind Schmerzen durch einen zu engen Penisring, eine Dunkelverfärbung des Penis und ein Kältegefühl durch den Blutstau.
Bei der Schwellkörper-Auto-Injektionstherapie (SKAT) wird ein Medikament über eine Injektion direkt in den Schwellkörper verabreicht und dadurch eine Erektion ausgelöst. Ähnlich wie bei der Diabetes-Einstellung die Insulin-Einheiten festgelegt werden, muss auch hier der Arzt über Injektionsversuche die erforderliche Dosis festlegen und es muss eine Schulung des Patienten stattfinden. Im Vergleich zur Insulin-Therapie kann die Dosis hier zwischen 5 und 80 Einheiten liegen. Diese Injektions-Therapie unterscheidet sich etwas von der Insulin-Verabreichung, auch wenn sich hier Patienten mit Diabetes mellitus etwas leichter hineinfinden werden.
Im Unterschied zur Insulin-Injektion muss diese Injektion unter sterilen Bedingungen erfolgen. Das richtige Penisareal muss identifiziert und desinfiziert werden und darf vor der Injektion auch nicht mehr berührt werden. Es müssen jedes Mal eine neue Kanüle und eine neue Spritze benutzt werden, angebrochene Ampullen müssen verworfen werden.
Das einzige in Deutschland zugelassene Medikament ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Prostaglandine: Alprostadil. Verfügbar ist es als Fertigspritze mit dem Handelsnamen Caverject mit einer Dosis von 10 oder 20 Mikrogramm (Preis etwa 20 Euro pro Injektion) oder als Patrone für einen Pen als Caverject Impuls.
Außer Vertrieb, aber über die Auslandsapotheke bezogen oder direkt in der Apotheke hergestellt werden kann, auf eigene Verantwortung, die SKAT-Lösung. Dies ist ein Gemisch aus Phentolamin und Papaverin und kostet als Fertig-Arzneimittel etwa 11,50 Euro pro Injektion. Wenn es in einer Durchstechflasche in der Apotheke hergestellt wird, liegt der Preis bei etwa 1 bis 5 Euro je nach benötigter Dosis.
Die Vorteile liegen im Erzeugen einer normalen Erektion und der Möglichkeit, dies zunächst ohne Wissen des Partners/der Partnerin verabreichen zu können. Nachteile sind die notwendige Injektion, Schmerzen und Blutergüsse an der Einstichstelle, Brennen im Schwellkörper und das Entwickeln von Narben im Schwellkörper, was zu einer Penisverkrümmung führen kann. Bei Überdosierung (z. B. beim Nachinjizieren bei vorher unzureichender Verabreichung) kann eine Dauererektion entstehen, die einen urologischen Notfall darstellt und innerhalb von Stunden beendigt werden muss.
MUSE ist die Abkürzung für Medical Urethral System for Erection, also „medizinisches Harnröhren-System für eine Erektion“. Über einen speziellen Applikator kann das oben genannte Prostaglandin als Stäbchen in deutlich höherer Dosierung (125 bis 1000 Mikrogramm) direkt in die Harnröhre verabreicht werden. Ungefähr ein Drittel der Männer spricht auf die Therapie an und in 7 von 10 Versuchen können die Männer eine ausreichende Erektion erreichen. Als Nebenwirkung können Brennen in der Harnröhre und ein Blutdruckabfall auftreten. Die Kosten liegen bei ungefähr 16 Euro für 500 Mikrogramm.
Bei Versagen obiger Therapien besteht die Möglichkeit, eine mehrteilige hydraulische Penis-Prothese einzusetzen. Diese besteht aus 2 Silikon-Schwellkörpern, einer kleinen Ballonpumpe mit Blockventil und einem Ballon als Flüssigkeits-Reservoir. Über einen operativen Eingriff werden die eigenen Schwellkörper ausgehöhlt und durch die Silikon-Schwellkörper ersetzt. In den Hodensack kommen die kleine Ballonpumpe und neben die Harnblase der flüssigkeitsgefüllte Ballon. Die Bauteile sind mit einem Schlauchsystem untereinander verbunden. Durch mehrmaliges Drücken auf die Ballonpumpe wird die Flüssigkeit vom Reservoir in die Schwellkörper gepumpt und der Penis richtet sich auf, nach dem Geschlechtsverkehr wird das Ventil wieder betätigt und die Flüssigkeit läuft ins Reservoir zurück und der Penis erschlafft wieder.
Diese eigentlich sehr elegante Therapie hat den Nachteil, dass für den Einbau eine Operation mit der Möglichkeit einer Infektion und Wundheilungs-Störung erforderlich ist. Das Risiko hierfür liegt bei ungefähr 3 % und hat zur Folge, dass das System wieder explantiert werden muss. Erst nach Abklingen der Infektion kann dann ein erneuter Versuch unternommen werden, das System einzusetzen. Dieser Eingriff sollte daher nur bei guter Blutzucker-Stoffwechsellage erfolgen und von einem Operateur mit entsprechender Erfahrung durchgeführt werden.
Die Behandlung der erektilen Dysfunktion ist ausdrücklich auch mit dem Partner und nicht nur mit der Penis-Situation des Patienten verbunden. Auch bei injizierbaren Medikamenten und mechanischen Methoden sollte der Partner einbezogen werden. Nur wenn diese Hilfsmittel ein Teil des Vorspiels werden, wird die Akzeptanz entsprechend anhalten und das Paar kann von diesen Therapien profitieren.
Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (4) Seite 26-28
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