- Behandlung
Wird Übergewicht auch vererbt?
4 Minuten
Nicht nur gesellschaftliche, familiäre und persönliche Faktoren spielen eine Rolle beim Entstehen von Übergewicht und Diabetes: Womöglich kann auch das Übergewicht der Eltern vererbt werden. Ebenso können Umwelteinflüsse auf die Eltern Auswirkungen auf die Vererbung haben.
Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass sich der Typ-2-Diabetes in hohem Maß aus dem entwickelt, was als Metabolisches Syndrom bezeichnet wird oder auch Wohlstandssyndrom bzw. Syndrom X. Einer der Haupt-Mitspieler des Metabolischen Syndroms ist die “Bauch-Adipositas” – eine Vermehrung des Bauchfetts: Sie spielt eine entscheidende Rolle beim Entstehen des Typ-2-Diabetes.
Wenn man jedoch aktuell von Diabetes, krankhaftem Übergewicht (Adipositas) und Metabolischem Syndrom spricht, denkt man reflexartig an Menschen mit Bewegungsmangel, Ernährung mit zu vielen Kalorien und mangelnder Motivation, daran etwas ändern zu wollen.
Einfluss süßer Softdrinks und Fruchtsäfte auf das Diabetesrisiko
Einen eindeutigen Zusammenhang zwischen erhöhter Nahrungs- bzw. Kalorienzufuhr gibt es aber nicht für jeden Diabetiker! Wie sich die Ernährung auf das Diabetesrisiko auswirkt, zeigt eine große Studie (Metaanalyse) aus dem Jahr 2016: Hier wurden viele Studien untersucht hinsichtlich des Einflusses süßer Softdrinks und industriell hergestellter Fruchtsäfte auf das Diabetesrisiko.
In insgesamt 17 großen Studien wurden jeweils die Verschlechterung der Zuckerempfindlichkeit (Glukosetoleranz) und das Auftreten eines Diabetes untersucht. Das Ergebnis war beeindruckend: Das Diabetesrisiko stieg im Vergleich zum völligen Verzicht auf Softdrinks um 18 Prozent mit jedem Jahr, in dem 1-mal täglich ein gesüßter Softdrink getrunken wurde. Wurden in den Getränken Zuckerersatzstoffe verwendet, betrug die Risikoerhöhung sogar 25 Prozent, für industriell hergestellte Fruchtsäfte 7 Prozent.
Aus den Daten ergibt sich zumindest, dass für viele Menschen, die auf Süßes in den Getränken verzichten und dafür auf Zuckerersatzstoffe umsteigen, das Diabetesrisiko sogar noch höher wird, als wenn man gelegentlich mit Zucker süßt. Die genauen Gründe dafür sind noch nicht bekannt.
Anlage zum Typ-2-Diabetes wird in hohem Maß vererbt
Was wir jedoch genau wissen, ist, dass die Anlage zum Typ-2-Diabetes in hohem Maß vererbt wird: zwischen 40 und 80 Prozent, wenn die Eltern oder Großeltern ebenfalls an Typ-2-Diabetes erkrankt sind oder waren. Andererseits haben bisherige Präventionsprogramme gezeigt, dass es Menschen gibt, die auf eine Lebensstilintervention (Gewichtsabnahme, Sport etc.) reagieren und andere nicht oder nur wenig.
Den Erfolg einer solchen Maßnahme kann man jedoch immer besser vorhersagen durch bestimmte genetische und andere Merkmale, z. B.
- das Ausmaß der Insulinproduktion,
- das Vorliegen einer Fettleber,
- das Vorliegen einer Insulinresistenz (Insulin wirkt nicht richtig im Körper),
- neu: “Insulinresistenz des Gehirns”.
Merke: Offenbar gibt es ein Zeitfenster im Leben eines Menschen, währenddessen Umwelteinflüsse (Hunger, Überfluss an Nahrung etc.) sein Erbgut und damit auch das der Nachkommen beeinflussen können!
Epigenetik: Lebensstil und Umwelteinflüsse beeinflussen Vererbung
Heute beschäftigt man sich nicht nur mit der Vererbung (Genetik), sondern auch mit Epigenetik: Das sind sonstige Einflüsse, die uns Menschen ebenfalls sehr stark prägen. Man denke an bestimmte Umweltveränderungen wie Hungerzuständeim Krieg, die das Epigenom verändern, sprich die “Software” unseres Körpers; so wird schließlich möglicherweise auch unser Erbgut (“Hardware”) beeinflusst.
Inzwischen weiß man, dass erworbene Eigenschaften wie Übergewicht auch die Genregulation beeinflussen können und diese Veränderungen sogar an nachfolgende Generationen weitergegeben werden können. Die Frage ist: Welche Umwelteinflüsse können den “epigenetischen Schalter” umlegen: Ist es unser Ernährungsverhalten, das Bewegungsverhalten, das Rauchen, Stress etc.?
- Übergewicht/Adipositas
- Bauchumfang bei Männern über 102 cm und Frauen über 88 cm (= hohes Risiko)
- Fettstoffwechselstörungen
- erhöhte Blutdruckwerte
- gestörte Glukosetoleranz/Typ-2-Diabetes
- erhöhte Harnsäurewerte
Studien zeigen, dass Übergewicht bzw. ein Diabetes der Mutter vor der Schwangerschaft das Risiko für Übergewicht und Diabetes bei den Kindern erhöht. Das Gleiche gilt für eine starke Gewichtszunahme während der Schwangerschaft.
Andererseits: Untersuchungen von Hungerperioden, z. B. des niederländischen Hungerwinters 1944/1945 oder gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, in denen die tägliche Kalorienportion nur 667 kcal betrug, zeigten: Kinder, die während der frühen Schwangerschaft den Hunger ihrer Mütter quasi im Bauch miterlebten, entwickelten später häufiger Diabetes als Kinder, die vor und bei der Geburt diese Hungerperiode der Eltern nicht miterleben mussten.
Eine Forschungsgruppe am Institut für experimentelle Genetik, Helmholtz Zentrum München, konnte erstmals zeigen, dass die Hungerperiode als “epigenetisches Phänomen” die Steuerung der blutzuckerkontrollierenden Gene und damit wichtiger Eiweiße nachhaltig beeinflusst. Es ist bisher nur unklar, wie diese Informationen weitergegeben werden.
Umwelteinflüsse: Diabetesrisiko für die nächste Generation
Durch mehrere Experimente an Mäusen konnte gezeigt werden, dass nicht nur gesellschaftliche, familiäre und persönliche Faktoren beim Entstehen von Diabetes und Übergewicht eine Rolle spielen, sondern dass die epigenetischen Informationen tatsächlich einen Einfluss auf Eizellen und Spermien haben und so an die nächste Generation von Menschen vererbt werden können.
Dass sich Pfunde nicht nur auf den Hüften der Menschen, sondern auch auf deren Erbgut ablagern, zeigt eine aktuelle, internationale Studie des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), an der 10 Nationen mitgewirkt haben. Die Studie ergab, dass Übergewicht etwa 187 Gene verändert, die dann anders oder falsch reguliert wurden. Das betraf vor allem Gene für den Fettstoffwechsel, Sauerstofftransport, aber auch Entzündungsparameter.
Merke: Langzeituntersuchungen und Beobachtungen haben dazu geführt, zu erkennen, dass die Veränderungen der Gene Folge des Übergewichts waren und nicht dessen Ursache.
Im Zusammenhang mit dieser Forschung hat man weitere Marker entdeckt, anhand derer man das Risiko für das Entstehen eines Diabetes vorhersagen konnte: Seit längerem ist bekannt, dass das Übergewicht eines Elternteils das Risiko für das Übergewicht bei den Kindern erhöht. Das Risiko ist größer, wenn die Mutter übergewichtig ist, als wenn der Vater Übergewicht hat. Außerdem bestätigte sich, dass es offenbar ein gewisses Zeitfenster gibt, in dem sich Übergewicht oder Hungerzustände der Eltern negativ auf die Körper der Nachkommen auswirken kann.
Genetische Einflüsse sind auch beeinfluss- bzw. umkehrbar
Positiv zu vermerken ist: Die Auswirkungen auf die Gene der Kinder lassen sich umkehren, z. B. durch regelmäßige Bewegung und vernünftige Ernährung. Da viele dieser Veränderungen bisher nur im Tiermodell eindeutig beschrieben werden konnten, bleibt uns gegenwärtig nur, die bisher gültigen Empfehlungen zur Behandlung oder Vorbeugung des Diabetes, des Übergewichts bzw. des Metabolischen Syndroms zu befolgen, um womöglich negative Auswirkungen auf unsere Nachkommenschaft zu verhindern.
Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass jeder Mensch auch durch sein Verhalten in gewissem Maß für die genetische Ausstattung seiner Nachkommen mit verantwortlich ist.
Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (10) Seite 26-28
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 6 Tagen, 22 Stunden
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 6 Tagen, 17 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig