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Woran wird derzeit geforscht?
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Insulin ist nicht gleich Insulin: Neben kurz- und langwirkenden Insulinen gibt es ein langwirksames Insulin mit noch weiter verlängerter Wirkdauer, und ein ultraschnelles Insulin steht kurz vor der Markteinführung. Erforscht werden derzeit auch SMART-Insuline und die Verpackung von Insulin in Tablette oder Spray. Bleiben Sie mit Professor Thomas Forst auf dem Laufenden!
Insuline sind für viele Menschen mit Diabetes unverzichtbar. Ziel einer modernen Insulintherapie ist es, Insulin so von außen zuzuführen, dass es möglichst dem natürlichen Freisetzungsprofil des Insulins aus der Bauchspeicheldrüse entspricht. Seit den Anfängen der Insulintherapie und bis zum heutigen Tag wird das körpereigene Insulin ersetzt, indem Insulin in das Unterhautfettgewebe (subkutanes Fettgewebe) injiziert wird.
Nach der Injektion liegen die einzelnen Insulinmoleküle zunächst in Form von Insulinkomplexen (Hexameren) vor. In diesen Hexameren sind jeweils sechs Insulinmoleküle aneinandergekoppelt. Sehr langsam zerfallen diese sechsteiligen Komplexe in einzelne Insulinmoleküle, die anschließend in die Blutbahn aufgenommen werden (Abb. 1).
Die Hexamerbildung und der langsame Zerfall der Hexamere ist der wesentliche, zeitbestimmende Schritt bei der Aufnahme eines Insulins aus dem Unterhautfettgewebe ins Blut. Dieser auch als Resorption bezeichnete Vorgang bestimmt das Wirkprofil des Insulins.
Lang- und kurzwirkende Insuline
Anhand der verschiedenen Wirkprofile können die derzeit verfügbaren Insuline im Wesentlichen in zwei Gruppen eingeteilt werden: in langwirkende Basalinsuline und schnellwirkende Mahlzeiteninsuline. Trotz der verbesserten Eigenschaften moderner Insulin-Analoga ist es bis jetzt nur annäherungsweise möglich, die natürliche Insulinfreisetzung durch die Bauchspeicheldrüse mit der Insulinzufuhr von außen nachzuahmen. Neue Insulinentwicklungen sollen dazu beitragen, das Wirkprofil der Insuline weiter an eine natürliche Insulinfreisetzung anzugleichen.
Bei langwirkenden Basalinsulinen wurden verschiedene Veränderungen am Insulinmolekül vorgenommen, um die Aufnahme aus dem Unterhautfettgewebe ins Blut möglichst zu verzögern und so eine lange und gleichförmige Wirkung des Insulins zu erreichen (Abb. 2 oben). Verschiedene neue Basalinsulin-Formulierungen wie Lantus, Abasaglar, Toujeo oder Tresiba haben die Basalinsulintherapie entscheidend verbessert.
Durch den Einsatz dieser länger wirkenden Basalinsuline mit einer geringeren Wirkvariabilität von Tag zu Tag zeigte sich in vielen klinischen Untersuchungen eine Reduktion des Unterzuckerungsrisikos, insbesondere in der Nacht.
Bei den kurzwirkenden Mahlzeiteninsulinen soll hingegen eine möglichst rasche Aufnahme des Insulins aus dem Unterhautfettgewebe dafür sorgen, den Insulinbedarf nach einer Mahlzeit schnell und ausreichend abzudecken (Abb. 2 unten). Die Einführung schnellwirkender Insulin-Analoga wie Humalog, NovoRapid oder Apidra führte zu einer Verbesserung der Blutzuckerkontrolle nach einer Mahlzeit.
Trotz dieser verbesserten Wirkprofile moderner Insuline wird weiterhin an neuen Insulinformulierungen geforscht, mit denen eine weitere Optimierung der Insulintherapie für Typ-1- und Typ-2-Diabetiker erreicht werden soll.
Kommen bald: neue, noch schneller wirkende Mahlzeiteninsuline
Um die Werte nach einer Mahlzeit weiter zu verbessern, werden in naher Zukunft neue, noch schneller wirksame Insuline zur Verfügung stehen. Durch eine Modifikation in der Formulierung des schnellwirkenden Insulin-Analogons Insulin aspart (NovoRapid) werden die Insulinkomplexe (Hexamere) weiter destabilisiert, und so gelangt das Insulin noch schneller aus dem Unterhautfettgewebe ins Blut. In verschiedenen Studien konnte ein schnelleres Anfluten dieses Insulins im Blut und eine damit verbesserte Blutzuckerkontrolle nach der Mahlzeit belegt werden.
Dieses neue, schnellwirkende Insulin wurde bereits Anfang 2017 in Europa zugelassen und wird voraussichtlich zum 1. April 2017 unter dem Namen Fiasp in den deutschen Markt eingeführt. Andere pharmazeutische Unternehmen sind ebenfalls mit der Entwicklung neuer, noch schneller wirkender Insuline beschäftigt.
Insbesondere für Diabetiker mit starken Blutzuckeranstiegen nach einer Mahlzeit (postprandial) oder mit einer Insulinpumpentherapie versprechen diese schneller wirkenden Insuline eine weitere Optimierung der Blutzuckerkontrolle und eine Verringerung des Risikos für Unterzuckerungen.
Neue langwirkende Basalinsuline
Nachdem Insulin glargin (Lantus, Abasaglar) für viele Jahre das am längsten wirksame Insulinpräparat war, sind in den vergangenen Jahren neue langwirkende Basalinsuline mit einer noch weiter verlängerten Wirkdauer eingeführt worden. Durch eine dreifach höhere Konzentration der Insulinmoleküle im Insulin glargin U 300 (Toujeo) wird im Vergleich zu Insulin glargin U 100 (Lantus, Abasaglar) eine Drittelung des Injektionsvolumens erreicht (Abb. 3). Dadurch verringert sich auch die Oberfläche, über die das Insulin aufgenommen wird (Resorptionsoberfläche), und das Insulin geht dadurch verlangsamt aus dem subkutanen Gewebe ins Blut.
In verschiedenen Studien konnte eine Reduktion nächtlicher Hypoglykämien und eine geringere Gewichtszunahme unter der Therapie mit Toujeo im Vergleich zu Lantus bei Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes gezeigt werden. Ein weiterer Vorteil von Toujeo ist, dass die Wirkung von Tag zu Tag nur in geringem Maß variiert und deshalb eine höhere Dosierungssicherheit verspricht.
Ein weiteres neues Basalinsulin (Insulin degludec, Tresiba) wurde 2013 in Europa zur Therapie des Typ-1- und Typ-2-Diabetes zugelassen. Durch eine geringfügige Veränderung des Insulinmoleküls und eine Ankopplung an eine Fettsäure wird Insulin degludec sehr langsam aus dem subkutanen Gewebe in die Blutbahn aufgenommen, danach an das Bluteiweiß Albumin gebunden und langsam an die Zielzellen im Gewebe (Leber, Muskeln, Fett) abgegeben. Daraus ergibt sich die lange und gleichmäßige Wirkung dieses Verzögerungsinsulins.
In vielen Studien zeigt sich mit diesem Insulin eine Reduktion von Hypoglykämien insbesondere in der Nacht. Auch verspricht die in den Studien gezeigte geringere Variabilität der Aufnahme des Insulins aus dem subkutanen Gewebe eine bessere Dosierungssicherheit. Leider ist dieses neue Basalinsulin in Deutschland nicht mehr erstattungsfähig und wurde daraufhin vom deutschen Markt genommen.
Glukoseabhängige Insulinformulierungen (SMART-Insuline)
Derzeit werden verschiedene Technologien entwickelt, die eine glukoseabhängige Aufnahme des Insulins aus dem subkutanen Gewebe erlauben sollen. Dafür wird das Insulin an spezielle Trägermoleküle gekoppelt. Nach Injektion in das Unterhautfettgewebe werden die Insulinmoleküle bei steigenden Glukosekonzentrationen aus der Kopplung mit den Trägermolekülen freigesetzt und anschließend in die Blutbahn aufgenommen (Abb. 4).
Die Insulinaufnahme erfolgt somit nur bei erhöhten Blutzuckerwerten, und das Risiko für Unterzuckerungen ist mit diesen Insulinen als minimal einzuschätzen. Diese Technologien befinden sich noch in frühen experimentellen Phasen, wobei erste tierexperimentelle Studien vielversprechende Ergebnisse ergeben haben. Studien mit Menschen mit Diabetes mellitus werden derzeit vorbereitet.
Alternative Wege der Insulinzufuhr
Seit vielen Jahren werden alternative Wege der Insulinzufuhr (Insulinapplikation) erforscht. In den USA ist eine Insulinformulierung zugelassen und im Handel, die über die Lunge inhaliert wird (Afrezza). Verschiedene Forschergruppen arbeiten außerdem derzeit an Insulinen, die in Form einer Tablette oder als Spray über die Mundschleimhaut aufgenommen werden können. Auch wenn hierbei zahlreiche Hürden zu überwinden sind, liegen doch erste Ergebnisse aus Studien vor, die diese Form der Insulinzufuhr möglich erscheinen lassen.
Wann kommen die neuen Insuline?
Für die nächsten Jahre werden zahlreiche Neuentwicklungen in der Insulintherapie erwartet und lassen darauf hoffen, dass sich die Blutzuckereinstellung durch die Angleichung an die körpereigene Insulinausschüttung und an körpereigene Verteilungsmuster weiter optimieren lässt. Inwieweit die zu erwartenden Vorteile neuer Insulintherapien in Deutschland gewürdigt werden, werden die Bewertungsverfahren zur Kostenerstattung durch die Krankenkassen zeigen.
Ob und wann diese neuen Technologien in Deutschland verfügbar sein werden, hängt also nicht nur von der medizinischen Entwicklung, sondern weit mehr von gesundheitspolitischen Entscheidungen ab.
- Die Rolle des Insulins
- Insulinarten: Welches Insulin für wen?
- Woran wird derzeit geforscht?
von Prof. Dr. Thomas Forst
Profil Institut für Stoffwechselforschung,Rheinstraße 4C, 55116 Mainz
E-Mail: thomas.forst@profil.com
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (4) Seite 24-27
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig