Zähne in Gefahr! Was hat das mit Diabetes zu tun?

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Zähne in Gefahr! Was hat das mit Diabetes zu tun?

Wie Diabetes ist auch Parodontitis (Entzündung des Zahnhalteapparats) eine chronische Erkrankung, und immer mehr Menschen sind von einer der beiden Krankheiten betroffen – oder von beiden gleichzeitig! Privatdozent Dr. Erhard Siegel informiert über Ursachen und Wechselwirkungen.

Das Ziel jeder Diabetesbehandlung ist es, langfristig eine optimale Einstellung des Blutzuckers zu erreichen – und somit den gefürchteten Langzeitfolgen eines erhöhten Blutzuckers (Hyperglykämie) vorzubeugen. Zu den schon lange bekannten Folgeerkrankungen des Diabetes gehören vor allem Schäden an den großen Gefäßen (Makroangiopathien), Schäden an den Nerven, an den Nieren und an den Augen (Neuro-, Nephro- und Retinopathie) und deren Folgen (s. folgende Tabelle).

Bedeutende Komplikationen und Folge­erkrankungen des Diabetes mellitus (nach Skamagas et al. 2008)
mikrovaskulär
(kleine Gefäße)
makrovaskulär
(große Gefäße)
oral
(im Mund)
  • Gingivitis
  • Parodontitis
  • Candidose (Infektion durch Candida-Pilze)
  • Leukoplakie (Weißschwielenkrankheit)
  • Lichen ruber planus (Knötchenflechte)

In dieser Tabelle ist auch zu sehen, wie sich der Diabetes auf die Mundgesundheit auswirkt. Am häufigsten sind Erkrankungen des Zahnhalteapparats (Parodontal-Erkrankungen), also Gingivitis (Zahnfleischentzündung) und Parodontitis (Entzündung des Zahnhalteapparats). Deshalb wird heute auch von der Parodontitis als einer weiteren wichtigen Diabetes-Folgekrankheit gesprochen. Der Zusammenhang zwischen Parodontitis und Diabetes ist wechselseitig – das bedeutet: Die Parodontitis beeinflusst auch den Blutzucker.

Schwere Parodontitis: sechsthäufigste Erkrankung weltweit

Bei Menschen mit einer Parodontitis sind die zahnhaltenden Gewebe (Parodont) entzündet. Ausgelöst wird diese Entzündung durch Bakterien aus dem Zahnbelag (Plaque). Die einsetzende Zahnfleischentzündung (Gingivitis) führt dazu, dass sich zwischen Zahnfleisch und Zahn Spalten (Taschen) bilden. Im weiteren Verlauf kommt es zum Abbau von Gewebe und schließlich zum Verlust von Kieferknochen, in dem die Zähne verankert sind (Alveolarknochen). Dies kann schließlich zum Verlust der Zähne führen.

Man rechnet in industrialisierten Ländern mit einer Parodontitis-Häufigkeit von mindestens 30 Prozent der Erwachsenen (davon 5 bis 15 Prozent mit schweren Formen). Die schwere Parodontitis ist die sechsthäufigste Erkrankung weltweit.

Die letzte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) zeigt bei Erwachsenen und jüngeren Senioren erfreulicherweise einen deutlichen Rückgang der mittelgradigen und schweren Parodontitis. Die erstmals erhobenen Daten bei Senioren ab 75 Jahren belegen jedoch, dass sich die parodontale Erkrankung ins höhere Lebensalter verschiebt.Insgesamt gibt es so nach wie vor in Deutschland über 11 Millionen Menschen, die parodontal schwer erkrankt sind und entsprechend behandelt werden müssen.

Eine stille Krankheit mit folgenschweren Wechselwirkungen

Besonders in ihrer schweren Form ist die Parodontitis eine ernsthafte Bedrohung nicht nur für die Mund-, sondern auch für die Allgemeingesundheit. Denn ausgehend von der großflächigen Wunde in der Zahnfleischtasche können Bakterien über die Blutgefäße in den gesamten Körper gelangen und beispielsweise Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes begünstigen oder die Blutzuckereinstellung erschweren.

Dabei kann einer Parodontitis nicht nur erfolgreich vorgebeugt, sondern sie kann sogar zum Stillstand gebracht werden, wenn sie frühzeitig erkannt und systematisch behandelt wird. Der Zustand des Zahnhalteapparats verbessert sich dann deutlich. Oft wird jedoch die Parodontitis zu spät bemerkt, weil sie selten Schmerzen verursacht. Große Teile des zahntragenden Gewebes sind dann häufig schon verloren gegangen.

So beeinflusst der Diabetes die Parodontitis

Der Stoffwechsel von Diabetikern mit einer Parodontitis ist schlechter eingestellt als der von parodontal gesunden Diabetikern. Mit Zunahme der Tiefe der Zahnfleischtaschen oder des entzündeten parodontalen Gewebes steigt bei Diabetikern auch der HbA1c-Wert an. Liegt also eine schwere Parodontitis vor, erschwert das auch die Blutzuckereinstellung.

Darüber hinaus ist bei Typ-2-Diabetikern mit schwerer Parodontitis im Vergleich mit parodontal gesunden oder parodontal leicht erkrankten Diabetikern die Sterblichkeit aufgrund einer Erkrankung der Herzkranzgefäße 2,3-fach, einer diabetischen Nierenschädigung 8,5-fach sowie durch ein Nierenversagen 3,5-fach erhöht.

Was können Hausarzt und Diabetologe tun?

Bestandteil der üblichen Routineuntersuchungen sollte bei Menschen mit Diabetes grundsätzlich auch die Kontrolle des Zahnstatus sein. Findet der Arzt Zeichen für eine Parodontitis, sollte er seinen Patienten zum Zahnarzt schicken. Diabetiker müssen umfassend über ihr erhöhtes Risiko für Parodontitis und über Möglichkeiten zur Vorbeugung und Behandlung aufgeklärt werden. Dazu gehört auch, darauf zu achten, dass der Blutzucker gut eingestellt ist.

Wie können Zahnärzte die Diabetesbehandlung unterstützen?

Mit einer Früherkennungsuntersuchung des Zahnfleischs, dem Parodontalen Screening Index (PSI), kann der Zahnarzt bereits frühe Formen der Erkrankung erkennen. Wer einmal eine Parodontitis hatte, muss nach Abschluss der aktiven Behandlung ein Leben lang sorgfältig nachbetreut werden. Dabei müssen mindestens einmal pro Jahr alle Zahnfleischtaschen nachgemessen werden.

Auch ist regelmäßig zu überprüfen, wie gut die häusliche Mundhygiene funktioniert. Selbst wenn zunächst keine Parodontitis festgestellt wird, sollten Diabetiker die jährliche zahnärztliche Kontrolluntersuchung einhalten und den PSI regelmäßig erheben lassen.

Das sind die Schlüssel zum Erfolg im Kampf gegen Parodontitis

Sowohl Diabetes als auch Parodontitis sind Erkrankungen, die über medizinische Fachgrenzen hinausgehen. Aufgrund der folgenschweren Wechselwirkungen muss die Behandlung einer Parodontitis Bestandteil des Diabetesmanagements sein, wie auch eine gute Einstellung bzw. Kontrolle der Blutzuckerwerte eine erfolgreiche Parodontitis-Therapie sichert. Gezielte Aufklärungskampagnen können helfen, die Gesundheitskompetenz im Bereich der Parodontalerkrankungen zu verbessern.

Schwerpunkt: Diabetes und Paradontitis

von Priv.-Doz. Dr. Erhard Siegel
Ärztlicher Direktor, Chefarzt der Abt. für Gastroenterologie, Diabetologie und Ernährungsmedizin
St. Josefskrankenhaus, Landhausstraße 25, 69115 Heidelberg,
E-Mail: e.siegel@st.josefskrankenhaus.de
, Tel.: 0 62 21/52 68 80

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (11) Seite 12-16

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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