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2016 saß ich im Büro von Professor Dr. Haak, Chefarzt am Diabetes Zentrum Mergentheim, und habe ihm von meinem Traum erzählt: einmal den Kilimandscharo besteigen, also das mit fast 6000 Metern höchste Bergmassiv Afrikas. Wer hätte gedacht, dass die Verwirklichung meines Traumes ganze vier Jahre auf sich warten lassen würde?
Ende 2017 bin ich von Bad Mergentheim nach Friedrichshafen am Bodensee gezogen. Der Gedanke an den Kilimandscharo hat mich auch dort immer wieder eingeholt. Oft sogar in meinen Träumen, und ich wusste: Wenn ich nicht versuchen würde, den Berg zu besteigen, würde mich der Gedanke daran weiter verfolgen – und zwar mit dem bitteren Nachgeschmack von Reue. Und etwas zu bereuen, ist für mich eines der schlimmsten Gefühle auf Erden.
Da ich lange auf einer Krebsstation gearbeitet habe und dort viel mit Menschen am Ende ihres Lebens zu tun hatte, kann ich mir sehr gut vorstellen, wie schrecklich Reue ist: Die Sterbephase ist noch schrecklicher, wenn Menschen etwas stark bereuen. Das hat mich schockiert. Keiner dieser Menschen hat je von seinem Haus oder Auto gesprochen, sondern es bereut, nicht öfter gereist zu sein, nicht mehr Zeit mit der Familie verbracht, nicht weniger gearbeitet zu haben … So möchte ich nicht enden.
Meine Freundin Mona und ich haben die Reise nach Afrika ein Jahr im Voraus, also schon im Januar 2019, beim Deutschen Alpenverein (DAV) gebucht. So konnten wir uns körperlich auf den anstrengenden Aufstieg vorbereiten und die nötige Ausrüstung besorgen.
Was den Diabetes angeht, dachte ich, dass mir mein Diabetologe sicherlich die nötigen Informationen geben würde. Das hat sich als falsch herausgestellt. Warum? Weil ich nicht mehr Patientin in der Diabetesklinik Mergentheim war. Dort beschäftigt man sich ausschließlich mit Diabetes, und das rund um die Uhr. Ich habe das für die Norm gehalten; den vielen Patienten mit außergewöhnlichen Träumen konnte dort immer geholfen werden. Es hat sich herausgestellt, dass das eben nicht die Norm ist …
Mit der Einstellung, dass das ja schon irgendwie klappen wird, hatte ich bis dahin immer alles ganz locker genommen. Aber jetzt habe ich innerlich Panik bekommen: Was mache ich bloß auf dem Berg, wenn mein Insulin gefriert oder es tagsüber so heiß ist, dass es denaturiert? Was mache ich, wenn die Glukosemessungen in dieser Höhe nicht funktionieren? Aber ich hatte ja als Krankenschwester medizinisches Hintergrundwissen.
Außerdem habe ich meine liebe Freundin und ehemalige Kollegin Janina, die noch in Bad Mergentheim arbeitet, darauf angesetzt, mit ein paar Ärzten dort zu sprechen. Direkt an Professor Haak wollte ich mich nicht wenden – ich wollte mich doch erst nach meinem Abenteuer wieder bei ihm melden und ihm sagen können, dass ich es bis auf den Kilimandscharo geschafft hatte! Ich habe noch Ulrike Thurm angeschrieben, die Autorin der „Diabetes- und Sportfibel“, und auch Dr. Astrid Tombeck, Diabetesberaterin in der Bad Mergentheimer Klinik.
Mein ganzer Rucksack war voll mit dem teuren Schlafsack, mit Trockenfrüchten und Datteln. Ich konnte nicht einschätzen, wie viel davon ich brauchen würde. Zudem hatte ich mir Honig in Beuteln bestellt, was sich später als Riesenfehler herausstellen würde, da ich eine Bienenallergie habe und mich im Regenwald die Bienen nicht in Ruhe gelassen haben. Am Frankfurter Flughafen habe ich Mona getroffen, meine Freundin und Reisepartnerin.
In Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens, haben wir Mia kennengelernt, eine Ärztin, die auch den Kilimandscharo besteigen wollte, außerdem Erich, einen Investmentbanker. Irgendwann hat mich Mia auf meine Insulinpumpe angesprochen. Und da habe ich mich zum ersten Mal dafür geschämt, nicht gesund zu sein und Diabetes zu haben. Ich hatte ständig das Gefühl, alle beruhigen zu müssen, dass das gut gehen wird mit dem Glukosesensor und der Insulinpumpe.
Von Addis Abeba sind wir weitergeflogen zum Kilimandscharo Airport in Tansania. Ich kann mich noch erinnern, wie mich dort eine Hitzewelle fast umgehauen hat. Es war so heiß und schwül, dass ich kaum atmen konnte, und ich dachte nur: „Toll, wie soll mein Insulin hier überleben?“
Dort haben wir den Rest unserer Gruppe kennengelernt und Ben, unseren Führer. Er ist um die 30 Jahre alt, kann Deutsch und hat uns einige Begriffe auf Swahili, der offiziellen Sprache Tansanias, beigebracht: Hakuna Matata – „Mach dir keine Sorgen“, Pole pole – „langsam“ und Jambo – „Hallo“.
Was ich witzig fand: Charlotte, eine aus der Gruppe, dachte, dass meine Omnipod-Patch-Pumpe eine Art Malariaschutz ist und irgendetwas absondert, was die Moskitos fernhält. Das habe ich natürlich aufgeklärt 😉
In der Nacht konnte ich nicht gut schlafen. Auch wegen meines Diabetes war ich sehr aufgeregt und habe gebetet, dass mein Insulin das alles aushält. Am nächsten Morgen habe ich zum vorerst letzten Mal geduscht – ohne warmes Wasser. Und dann ging es los… aber davon erzähle ich euch im nächsten Teil!
Hier geht’s zu Teil 2 von Bilges Kilimandscharo-Abenteuer.
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