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Es ist für mich bereits das vierte Mal, dass ich bei einem Triathlon antrete. Inzwischen melde ich mich freiwillig und durchaus mit Vorfreude an. In meinen ersten Hamburger Triathlon im Sommer 2013 hingegen war ich noch mehr oder weniger unfreiwillig hineingeschlittert, als ich bei einem heiteren Familienbrunch leichtfertig zusagte, ich könnte ja auch einfach mal mitmachen. So eine Sprintdistanz mit 500 Metern Schwimmen, 22 Kilometern Radfahren und 5 Kilometern Laufen sollte doch eigentlich mit ein bisschen Training zu bewältigen sein. OK, Kneifen gildet nicht, aber das Projekt war für mich doch eine gewaltige Herausforderung. Denn ich war seinerzeit zwar auch schon täglich in Bewegung, aber mein Sportprogramm war kaum ambitioniert: gelegentliche Läufe von maximal 3,5 Kilometern, Krafttraining im Fitnessstudio, Tanztraining und regelmäßige Radfahrten ins nahe gelegene Büro mit meinem Mutti-Fahrrad, also einem schweren Fahrrad mit 3-Gangschaltung, Rücktritt und Lenkerkorb. Mein realistisches Ziel für die Sprintdistanz lautete deshalb „Durchkommen“, und zwar mit ordentlichen Blutzuckerwerten und in einer Zeit zwischen 2:00 und 2:15 (17-20 Minuten Schwimmen, 55 Minuten Rad, 35-40 Minuten Laufen, plus Wechselzeiten).
In der Vorbereitung auf meinen ersten Triathlon beobachtete ich auch erstmals genauer, wie sich mein Blutzucker beim intensiveren Training verhält. Genau genommen kommt zum Schwimmen, Radfahren und Laufen ja das Blutzuckermanagement als vierte Disziplin hinzu. Im Verlauf der Monate stellte ich begeistert fest: Je besser ich im Training bin, desto weniger Kohlenhydrate muss ich bei oder nach sportlicher Belastung nachladen. Für den Wettkampftag selbst musste ich mir aber nicht nur Gedanken über das Blutzuckermanagement am Wettkampftag machen (Was frühstücke ich wann, reduziere ich mein Basalinsulin (Lantus) oder nicht? Mit welchem Blutzuckerwert sollte ich versuchen zu starten?). Auch die Logistik in der Wechselzone und nach dem Finish will genau geplant sein, denn beim Hamburger Triathlon ist die Wechselzone nur beim Ein- und Auschecken sowie in den Wechselzeiten für die Athleten zugänglich. Wo also deponiere ich sinnvollerweise Blutzuckermessgeräte, Insulinpens und Kohlenhydratreserven?
Beim ersten Triathlon, den ich schneller als erhofft und mit akzeptablen Blutzuckerwerten absolvierte (wer mehr darüber wissen möchte, kann einen detaillierten Bericht darüber auf meinem Blog nachlesen), bereitete mir vor allem das Laufen Probleme. Ich hatte offenbar den Wechsel vom Rad auf die Laufstrecke nicht ausreichend trainiert und mich mental auch nicht auf die plötzlichen Attacken meines Schweinehundes vorbereitet, der mich plötzlich von der Laufstrecke weg ins nächste Kaufhaus oder an einen Eisstand locken wollte. Doch ich war angefixt. Warum? Eigentlich ganz einfach: Ich mag die Abwechslung beim Triathlon, sowohl im Training als auch im Wettkampf. Und mal ganz unter uns: Wann immer ich in einer Unterhaltung mit neuen Menschen fallen lasse, dass ich Triathlon mache, erstarren meine Gesprächspartner vor Ehrfurcht: „Boah, Triathlon, das würde ich NIE schaffen!“ Daran ändert sich auch nichts, wenn ich einwerfe, dass ich ja lediglich bei der Jedermann-Distanz antrete und außerdem ziemlich langsam unterwegs bin. Und bei jemandem wie mir, die sich nie als Sportskanone gesehen hat, führt dieser Respekt zu einem ziemlich coolen Endorphin-Kick, den ich nicht mehr missen möchte.
Im Frühjahr 2014 ging es also an das Training für meinen zweiten Triathlon. Um mich beim Laufen zu verbessern, nahm ich an einem Laufkurs teil. Lauf-ABC, Intervalltraining und Tempoläufe unter Anleitung zahlten sich aus, ebenso wie das regelmäßige Koppeltraining: Nach jeder Trainingseinheit mit dem Rad noch einen kleinen Lauf hinlegen, und wenn es nur wenige Kilometer sind. Beim Wechsel vom Rad zum Laufen hilft auch eine mentale Stütze: Ich sage mir nun immer: „Antje, es ist normal, dass sich das Laufen nun so zäh anfühlt – Laufen ist schließlich von Natur aus langsamer als das Radfahren auf den letzten Kilometern!“ Dieses kleine Mantra hilft ungemein, wenn der Asphalt bei den ersten Laufmetern nur unendlich langsam vorbeizieht. Als ich am 12. Juli 2014 zum zweiten Mal auf dem Hamburger Rathausmarkt ins Ziel lief, war ich also recht gut vorbereitet. Tatsächlich konnte ich mich in allen Disziplinen verbessern, der Blutzucker spielte ebenfalls gut mit – super! Warum also nicht gleich ein weiterer Triathlon? Zum Glück waren noch Anmeldungen für den Elbe-Triathlon Ende August möglich – ein noch recht neues und im Vergleich zum riesigen Hamburger Triathlon auch sehr übersichtliches und familiäres Event.
Der Elbe-Triathlon wird im Wassersportzentrum Hamburg Allermöhe ausgetragen. Geschwommen wird in der Dove-Elbe, die Radstrecke führt entlang der Deiche, die Laufstrecke durch einen Park. Hier kam zum ersten Mal mein neues Rennrad zum Einsatz. Ja, ich hatte zwischen den beiden Triathlons 2014 technisch aufgerüstet und mir ein leichtes (8,9 Kilogramm) und schnittiges Rennrad angeschafft, mein erstes Fahrrad mit Kettenschaltung übrigens. Beim Training mit dem Rennrad wurde mir klar, dass Fahrradfahren und Rennradfahren nicht allzu viel gemeinsam haben: die Haltung fand ich doch sehr unbequem, und der Sattel zwickt immer noch in diversen empfindlichen Regionen. Außerdem läuft die Nase in einer Tour, was ganz eigene Probleme aufwirft…
Wie schnell man zudem mit so einem Rennrad ins Schwanken gerät, wie empfindlich es auf jede Bewegung reagiert! (Und wie empfindlich auch der Blutzucker auf diese neue Belastung reagiert!) Doch auch die Erkenntnis: Wow, ich habe schon eine Menge Speed drauf, doch ich habe immer noch ein paar Gänge übrig, da geht immer noch was! Kein Wunder also, dass ich mich beim Elbe-Triathlon vor allem auf der Fahrradstrecke verbesserte.
Nun stehen in wenigen Monaten also der dritte Hamburger Triathlon und gut einen Monat später auch der zweite Elbe-Triathlon an. Auch in diesem Jahr möchte ich mich wieder dem Lauftreff anschließen, um mich in Sachen Laufen auf Vordermann zu bringen. Das Wetter ist inzwischen angenehm für längere Radausfahrten. Und ich habe auch an meinem Schwimmen gearbeitet. Meine ersten drei Wettkämpfe habe ich noch im Omi-Schwimmstil (also Brustschwimmen ohne Untertauchen) bestritten. Das ist erlaubt und funktioniert, aber wirklich schnell ist es nicht. Damit ich auch im Wasser schnittiger und schneller vorankomme, besuchte ich im Herbst 2014 also einen Kraulkurs. Ich lernte, unter Wasser auszuatmen und nur kurz zum Einatmen aufzutauchen. Die Koordination der neuen Bewegungsabläufe fand ich zunächst furchtbar schwierig, ich schluckte Unmengen Wasser und musste nach wenigen Metern aufs Brustschwimmen umsteigen, weil der Atem nicht ausreichte. Mein Blutzucker, der mittlerweile nur noch moderat auf sportliche Training reagiert, rauschte beim Kraultraining innerhalb kürzester Zeit von 180 auf 80 mg/dl – hallo ungewohnte sportliche Belastung! Doch am Ende des 10-wöchigen Kurses hätte ein Kind am Beckenrand über mich sicher schon gesagt: „Guck mal Mami, die Frau krault!“ Inzwischen gelingt es mir, beim Schwimmtraining von 25-Meter-Bahn zu 25-Meter-Bahn zwischen Kraulen und Brustschwimmen zu wechseln, ohne dass mir der Brustkorb zerspringt. Ich kann beim Schwimmen frei zwischen Kraulen und Brustschwimmen wechseln. Ich brauche nicht mehr ganz so viele Sport-KE beim Kraultraining. Ich komme beim Kraulen sogar schon etwas schneller voran als beim Brustschwimmen. Und freue mich auf die Freibadsaison, wo das nächste Etappenziel auf mich wartet: die 50-Meter-Bahn. Wenn ich eine davon durchkraulen kann, habe ich schon ein Zehntel der Wettkampfstrecke hinter mir. „Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“, hätte meine Oma dazu gesagt.
Man darf gespannt sein, ob sich das Schwimmtraining am 18. Juli bei meinen Zeiten bemerkbar macht. In diesem Jahr trete ich erstmals im Team der International Diabetic Athletes Association (IDAA) an, der ich erst vor ein paar Monaten beigetreten bin. Ich hatte lange mit meinem Beitritt gezögert, weil sich dort sehr viele Topathleten tummeln, die Marathons, Triathlon-Langdistanzen und absurd lange Radstrecken absolvieren. Auf der IDAA-Website kann man jede Menge Erfahrungsberichte dieser tollen sportlichen Truppe nachlesen. Und staunen, von welchen sportlichen Zielen sich Diabetiker nicht abhalten lassen. Irgendwann habe ich mich allerdings doch überzeugen lassen, dass die IDAA sich nicht nur als Verein für Elitesportler versteht, sondern auch Freizeitathleten beim Sport mit Diabetes unterstützen möchte. Also auch Leute wie mich, die vor allem bei 10-Kilometer-Läufen und Triathlon-Kurzstrecken antreten und deren Namen immer irgendwo am Ende der Platzierungsliste auftauchen.
Doch ob nun auf den hinteren Rängen oder ganz vorn, ein paar Dinge sind wohl für jeden Triathleten in Hamburg gleich: diese leichte Übelkeit, wenn es an den Schwimmstart in der Binnenalster geht. Der beglückende Anblick der Hamburger Skyline vom Wasser aus. Das hektische Gewusel in der Wechselzone, wo ich beim letzten Mal beinahe meinen Radhelm vergessen und ihn dann erst einmal verkehrt herum aufgesetzt habe. Die rauschende Bergabfahrt an der Elbchaussee und die fiese Steigung, wenn man nach dem Wendepunkt die selbe Strecke wieder hinaufstrampeln muss. Die nette Laufstrecke an der Alster und letztlich die unglaubliche Euphorie, über den leuchtend blauen Teppich auf dem Hamburger Rathausmarkt ins Ziel zu laufen.
Überhaupt dieses Blau! Es macht mich schlagartig kribbelig, triggert Triathlon-Adrenalin und Herzklopfen, ebenso wie der Song „Wake me up“ von Aloe Blacc, der bei meinem Schwimmstart in 2013 in einer fetzigen Disco-Version gespielt wurde, um uns Startern so richtig einzuheizen. Vor einigen Jahren hätte ich jeden, der mir einen Start beim Triathlon prophezeit hätte, für verrückt erklärt. Und heute muss ich mir wohl eingestehen: Jo, ich bin Triathletin!
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