Lasst uns von den Niederlanden lernen!

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Lasst uns von den Niederlanden lernen!

In der Kolumne Blickwinkel macht Redaktionsmitglied Gregor Hess darauf aufmerksam, dass überall in Europa die Menschen im Schnitt dicker werden – nur die Niederländer bilden eine Ausnahme. Und die Gründe dafür sollten wir uns abschauen!

Mit unseren nordwestlichen Nachbarn verbindet uns eine ambivalente Beziehung. Bei Fußball-Länderspielen sowie auf hiesigen Autobahnen und Campingplätzen herrscht eher eine gepflegte Antipathie zwischen Niederländern und Deutschen. Andererseits lieben wir hierzulande niederländische TV-Moderatoren, essen viel holländischen Käse, reisen gern an westfriesische Strände, und viele verfolgen die royalen Geschehnisse im Hause Oranien-Nassau.

Die Niederländer werden im Schnitt schlanker – im Gegensatz zu allen anderen Europäern

Doch wussten Sie auch, dass wir von den Niederländern in Sachen gesunder Lebensstil noch einiges abschauen könnten, ja, sollten? Sie widersetzen sich nämlich einem europaweiten Trend: Einer aktuellen Hochrechnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge werden die Menschen in den Niederlanden durchschnittlich schlanker statt dicker – im Gegensatz zu allen anderen Ländern Europas.

Demnach fällt dort die Zahl der übergewichtigen Männer innerhalb der nächsten 15 Jahre wieder unter die 50-Prozent-Marke (2010: 54 Prozent), und bei den Adipösen wird es einen Rückgang von 10 (2010) auf 8 Prozent geben. Auch bei der Zahl der Niederländerinnen mit Übergewicht wird ein starker Rückgang prognostiziert. Die Deutschen werden bis 2030 im Schnitt hingegen weiterhin an Gewicht zunehmen: 65 Prozent der Männer und 47 Prozent der Frauen (2010: 62 bzw. 44 Prozent) werden dann übergewichtig sein, mit einem jeweils ebenfalls stark steigenden Anteil adipöser Menschen.

Zwei Faktoren begünstigen den gesunden Lebensstil unserer nordwestlichen Nachbarn

Doch woher kommt die niederländische Sonderrolle? Es sind vor allem zwei strukturelle Faktoren, die Experten als Ursachen ausgemacht haben: die hervorragende Fahrrad-Infrastruktur und die strengen Auflagen für das Lebensmittelmarketing.

Dass die Niederlande eine Fahrrad-Nation sind, ist weithin bekannt: Alt und Jung nutzen täglich das rund 30 000 km lange Fahrradrouten-Netzwerk, das sich durchs ganze Land erstreckt und in dessen Ausbau jährlich 500 Mio. Euro investiert werden. Die Fahrradwege sind komfortabel und sicher, es gibt regelrechte Fahrrad-Landstraßen, die die Gemeinden verbinden. In Amsterdam gibt es sogar mehr Fahrräder als Einwohner (ca. 880 000 vs. 810 000), 58 Prozent der Bewohner fahren täglich Rad, und 40 Prozent der gesamten Fortbewegung in der Metropole finden per Velo statt.

Seit 2007 gelten zudem für die Nahrungsmittelindustrie strikte Marketingauflagen: Für Kinder unter 7 Jahren gibt es generell keine Werbung, für unter 13-Jährige ist sie streng auf bestimmte Lebensmittel beschränkt. In Deutschland gibt es hingegen nur eine Selbstbeschränkung der Industrie – und wie wenig wirksam diese ist, erfahren Sie hier.

Bessere Fahrradinfrastuktur, mehr Verbraucherschutz: Lasst uns den Niederländern nacheifern!

Aus meinem Blickwinkel sollten wir den Niederländern deshalb in beiden Punkten nacheifern. Denn wir benötigen auch hier endlich eine Infrastruktur für Fahrräder, die den Namen auch verdient. Wer öfters in deutschen Städten mit dem Rad unterwegs ist, weiß, dass die Autofahrernation da noch viel nachzuholen hat. Zumal das nicht nur Anreize für mehr Bewegung schaffen, sondern auch Umwelt und Verkehr entlasten würde.

Und auch wir sollten unsere Kinder vor zu früher und intensiver Einflussnahme durch die Lebensmittelindustrie schützen, damit sie nicht mehr so extrem auf Süßes und Fast Food “getrimmt” werden und so von klein auf einen ungesunden Lebensstil lernen.

Auch wenn es manchen Überwindung kosten mag, sich etwas beim “kleinen” Nachbarn abzuschauen – im nächsten Länderspiel können wir ihnen zum Ausgleich dann ja wieder etwas in Sachen Fußball beibringen …


von Gregor Hess
Redaktion Diabetes-Journal
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2015; 64 (10) Seite 42

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