Matthias Steiner: „Ärzte brauchen eine psychologische Ausbildung!“

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Matthias Steiner: „Ärzte brauchen eine psychologische Ausbildung!“

Als ich im Programm des Diabetes Mediendialogs 2017 las, dass dort der Typ-1-Diabetiker und Olympiasieger im Gewichtheben Matthias Steiner über das Thema „Ziele und Motivation“ sprechen würde, war ich zunächst skeptisch. „Puh, Motivationstipps eines ehrgeizigen und entsprechend disziplinierten Leistungssportlers, was soll ein Normalsterblicher schon damit anfangen?“

Anscheinend hatte Matthias, der seit seinem Rückzug aus dem Profisport unter anderem als Motivationscoach arbeitet, Einwände dieser Art schon mehr als einmal gehört. Denn er begann seinen Vortrag mit dem Satz: „Ich sehe mich nicht als Meister der Selbstdisziplin, denn das macht vielen Angst. Doch ich habe Ziele, und ich möchte anderen helfen, eigene Ziele zu stecken und sie zu erreichen.“ Das klang doch gleich ganz anders.

Foto: Roche Diabetes Care
Foto: Roche Diabetes Care

Ein Arzt sollte zuhören und erst einmal positive Dinge loben

Nun, das Ziel eines jeden Diabetikers ist vermutlich eine gute Blutzuckereinstellung. Und die Aufgabe eines Diabetologen ist es, ihm beim Erreichen dieses Ziels zu helfen. Doch genau daran hapert es im Alltag oft, wenn der Diabetologe beim Quartalstermin mit gerunzelter Stirn die Blutzuckerprotokolle studiert und nur auf die Ausreißer zeigt: „Wie ist denn das passiert?“ und „Was haben Sie denn da gegessen?“

Er mag fachlich kompetent sein, doch mit einer solchen Herangehensweise wird es ihm kaum gelingen, einen Patienten bei der Stange zu halten und zu motivieren. Auch Matthias hatte solche Ärzte, bevor er einen Diabetologen fand, der sich vor allem viel Zeit zum Zuhören nahm. Der ihn bei jedem Termin erst einmal erzählen ließ – und ihn dann lobte: „Das haben Sie gut gemacht!“ Matthias sagte: „Ich musste dann zwar jedes Mal zwei Stunden fahren, wenn ich einen Termin bei ihm hatte, aber das war es mir wert.“

Vom Stofftier zum realen Hund: wie Visualisieren bei der Motivation hilft

Ich persönlich hätte vermutlich keine Lust, zwei Stunden Fahrtzeit zu meinem Diadoc in Kauf zu nehmen. Was sicherlich auch daran liegt, dass sich auch mein Diabetologe Zeit zum Zuhören nimmt und mir keine Standpauken hält. Doch nachdem Matthias die folgende wunderbare Geschichte erzählt hatte, konnte ich es besser nachvollziehen, warum er lange Wege in Kauf nahm, um genau mit diesem Arzt zu sprechen: Sein Diabetologe hatte einmal eine Patientin mit Typ-2-Diabetes, sehr stark übergewichtig und sehr schlecht eingestellt. Auch alle anderen Blutwerte waren katastrophal, sie war sehr schlecht zu Fuß, und sie hatte beinahe jeglichen Lebensmut verloren. Der Arzt fragte sie, was denn ihr größter Wunsch sei. Da antwortete sie: „Ach, mein größter Wunsch wäre es, einen Hund zu haben. Doch das geht ja nicht, weil ich ja nicht einmal mit ihm Gassi gehen könnte!“

Nun, da der Arzt ihren größten Herzenswunsch kannte, wusste er genau, zu welchem Ziel er seine Patientin motivieren wollte. Er bat sie, sich einen Stofftierhund zu kaufen und ihm einen Namen zu geben. Die Frau stellte den Stofftierhund auf ihren Nachttisch, sprach mit ihm wie mit einem echten Hund und stellte sich immer deutlicher vor, wie es wäre, wenn es ein echter Hund wäre. Nach und nach gelang es ihr abzunehmen, ihre Blutzucker- und sonstigen Blutwerte besserten sich, sie konnte endlich wieder etwas längere Strecken gehen. Mittlerweile hat die Frau einen leibhaftigen Hund, ist glücklich, geht mit ihm spazieren und ist durch die tägliche Bewegung noch einmal deutlich fitter geworden.

Pixabay
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Solange ein Mensch zum Arzt geht, hat er doch noch Hoffnung!

Matthias meinte dazu: „Menschen haben immer Angst vor Veränderung, daran scheitert Motivation. Doch so lange ein Mensch zum Arzt geht, trägt er doch zumindest einen winzig kleinen Wunsch nach Veränderung in sich. Sonst hätte er doch längst resigniert und würde gar nicht mehr zum Arzt gehen.“ Wenn ihm sein Arzt allerdings nicht zuhört, sich nicht für seine Wünsche interessiert und ihn nur mit negativen Nachrichten konfrontiert, dann wird jegliche Motivation im Keim erstickt. „Ärzte sollten neben ihrer schulmedizinischen Ausbildung auch psychologisch geschult sein“, sagte Matthias.

Manchmal ist die Unterhose der Schlüssel zur Lösung eines Diabetesproblems

Aber manchmal fehlt einem Arzt schlicht das Quentchen Inneneinsicht, das nur ein anderer Diabetiker an den Tag legen kann. Auch hierzu hatte Matthias eine schöne Geschichte parat, dieses Mal aber aus seiner eigenen Coachingpraxis. Sie handelt von einem Tischtennisspieler, der jedes Mal an Spieltagen nach den Tischtennis-Matches mit viel zu hohen Zuckerwerten zu kämpfen hatte. Er hatte eine Pumpe, die er zum Match jeweils abkoppelte. „Ein Match dauerte etwa 40 Minuten, nach so einem Zeitraum entsteht normalerweise noch kein Insulinmangel“, berichtete Matthias. „Doch nach einem Match hatte er nur 15 Minuten Pause, in der er die Pumpe wieder ankoppeln konnte, bevor das nächste Match startete.“ Nach etlichen Matches an einem Tag fehlte dem Tischtennisspieler also eine gehörige Menge Insulin.

„Das eigentlich Problem war, dass er nicht wusste, wie und wo er seine Pumpe auch beim Spiel tragen könnte“, erzählte Matthias. „Ich habe ihm dann erzählt, dass ich meine Pumpe beim Sport immer in meiner Unterhose deponiere. Das hält gut und stört überhaupt nicht.“ Der Tischtennisspieler druckste herum. Es stellte sich heraus, dass er immer Boxershorts trug, in denen die Pumpe keinen Halt hatte. „Ich habe ihm dann geraten, wenigstens zum Sport auf andere, engere Unterhosen umzusteigen, in denen er die Pumpe unterbringen kann“, sagte Matthias. „DAS sind manchmal die wahren Gründe für Diabetesprobleme, und bei denen kann ein Arzt meist nicht helfen.“ Genau – es sei denn, der Arzt spricht seinen Patienten tatsächlich auch mal auf seine Unterwäsche an.

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