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Hinter jedem Tun steckt ein Motiv, das uns antreibt und die bestimmende Kraft unseres Lebens darstellt. Welche Motive gibt es bei Diabetes? Unser Autor Prof. Dr. Bernhard Kulzer hat sie für Sie beschrieben.
Was man genau unter Motivation versteht, ist gar nicht so einfach zu bestimmen. Denn eigentlich ist alles in unserem Leben eine Frage der Motivation: ob wir aufstehen, was wir essen, wie viel wir uns bewegen, wofür wir uns begeistern. Die Motivation gibt unserem Leben die nötige Power und Richtung, ist die Kraft und innere Triebfeder, die uns unseren Zielen im Leben näherbringt. Sie bestimmt die Richtung, Intensität und Dauer unseres Verhaltens.
Ist sie stark genug, kann sie Berge versetzen und Menschen zu Höchstleistungen antreiben – unsportliche Menschen zu Marathonläufern, Draufgänger zu treusorgenden Familienvätern oder Menschen mit Diabetes zu Olympiasiegern machen. Fehlt die Motivation, kann es zu Stillstand und Monotonie in unserem Leben führen – die Behandlung des Diabetes leidet, der Lebensmut fehlt, und das innere Feuer lodert nur schwach.
Einfach gesagt, streben Menschen danach, möglichst häufig erwünschte, angenehme Zustände zu erleben und unerwünschte, unangenehme Situationen zu vermeiden – wobei manche Motive wie Essen oder Fortpflanzung angeboren sind, die meisten aber im Lauf des Lebens erlernt werden. Und das ist schon die erste wichtigste Erkenntnis der Wissenschaft: Motivation ist erlernbar!
Und bezogen auf den Diabetes offenbart sich hier schon ein grundsätzliches Motivationsdilemma: Die Therapie des Diabetes macht keine Freude, ist eher bedingt durch äußere Zwänge und macht erst einmal keinen Spaß. Ein „Ich muss, ich sollte“ steht eher dahinter als ein „Ich will“. Und zudem halten sich das Erfolgserlebnis oder die Belohnung für die Therapie auch eher in Grenzen. Gute Blutzuckerwerte lösen selten Glückshormone aus und befeuern das Gehirn nicht mit Glücksgefühlen.
Zudem führen die ganzen Anstrengungen nur dazu, dass irgendwann, zu einer unbestimmten Zeit eventuell – ganz sicher ist das ja leider nicht – mögliche negative Auswirkungen des Diabetes vermieden werden können. Na prima! Es erinnert an die berühmten und aktuell diskutierten Negativzinsen bei der Bank: Sie zahlen Zinsen für Ihr Sparguthaben an die Bank dafür, dass Ihr Geld sich nicht vermehrt, sondern im Gegenteil nicht weniger wird. Keine sehr attraktive Vorstellung. Nicht beim Geld und auch nicht beim Diabetes.
Es müssen somit noch andere Motive eine Rolle spielen, damit Sie sich motiviert um Ihren Diabetes bemühen.
Da der Mensch die Fähigkeit hat, über sich nachzudenken und zu reflektieren, werden viele unserer Handlungen weniger durch Mangelzustände angetrieben als vielmehr von in der Zukunft liegenden persönlichen Zielen. „Wozu?“ ist daher eine wichtige Frage, wenn man komplexere Motivationszustände erklären will. Denn die Motivation hängt ganz wesentlich von unseren persönlichen Zielen ab: „Wozu sollte ich meine Gesundheit erhalten?“ „Wozu sollte ich mit dem Rauchen aufhören?“ „Wozu sollte ich mich ausreichend bewegen und gesund ernähren?“
Wer die dahinter liegenden Ziele kennt, hat eine Antwort auf die Frage, warum sich Menschen auch zu Dingen motivieren, die im Moment eher anstrengend und mühsam sind. Was motiviert einen Marathonläufer, sich zu quälen, einen Musiker, jeden Tag stundenlang zu üben, oder jemanden, seine Ernährung umzustellen und abzunehmen, obwohl das sehr mühsam ist? Es sind eher langfristige, persönlich bedeutsame Ziele, die diese Verhaltensweisen erklären können. Das wusste übrigens schon der chinesische Gelehrte Laotse 700 Jahre vor Christus – von ihm stammt der Satz: „Nur wer sein Ziel kennt, findet auch den Weg.“
Ganz banal kann man den Prozess der Motivation auch als eine Bilanzierung nach dem Motto beschreiben: „Was muss ich geben, was bekomme ich dafür … und was passiert, wenn ich das nicht tue?“ Nur wenn eine Person der Überzeugung ist, dass sich der Einsatz lohnt und die Bilanz positiv ist, ist sie auch motiviert, sich anzustrengen. Daher sind Motivationsprobleme unmittelbar mit der Frage nach den persönlichen Zielen verknüpft.
Übertragen auf den Diabetes bedeutet dies, dass jeder Mensch mit Diabetes eine Antwort auf die Frage haben sollte, warum sich für ihn der Einsatz für den eigenen Diabetes lohnt. Vor 15 Jahren haben wir im Diabetes-Journal schon einmal danach gefragt, welche Ziele Menschen mit Diabetes haben. Denn Folgeschäden des Diabetes zu vermeiden, ist ja eigentlich kein richtiges Lebensziel. Wir waren damals beeindruckt von der Fülle von unterschiedlichen Antworten. Eine Kostprobe gefällig?
Diabetes ist ein ständiger Begleiter Ihres Lebens, der von Ihnen viel Aufmerksamkeit verlangt, die tägliche Umsetzung der Therapie kostet viel Energie. Daher ist es sinnvoll, wenn Sie sich in einer ruhigen Minute tatsächlich einmal die Frage stellen, was Sie persönlich motiviert, sich um Ihren Diabetes zu bemühen:
Denken Sie an die Erkenntnis von Laotse: „Nur wer sein Ziel kennt, findet auch den Weg.“ Der Mann hat recht!
Prof. Dr. Bernhard Kulzer
Fachpsychologe Diabetes (DDG), Psychologischer Psychotherapeut,
Diabetes Zentrum Mergentheim, 97980 Bad Mergentheim
E-Mail: kulzer@diabetes-zentrum.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (11) Seite 18-21
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