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Tobias (50), Arndt (48) und Christoph (47) sind alle drei begeisterte Rennradfahrer. Sie kennen sich über die IDAA, einen Verein für sportbegeisterte Diabetiker. Tobias und Arndt haben beide Typ-1-Diabetes, Christoph hat Diabetes Typ F – er ist stoffwechselgesund, als mein Ehemann aber von der Variante F (für Familie, Freunde) betroffen. Es muss bei einem gemütlichen Beisammensein einiger sportbegeisterter Typ-1-Diabetiker rund um den Hamburger Triathlon 2016 gewesen sein, als die drei beschlossen, dieses Jahr gemeinsam nach Schweden zu fahren, um dort am 17. Juni 2017 an der Vätternrundfahrt teilzunehmen.
Dieses legendäre Radrennen (mehr Infos dazu auf der Wikipedia) führt um den zweitgrößten See Schwedens, den Vätternsee, und lockt Jahr für Jahr viele tausend Rennradbegeisterte an, die sich nicht davor scheuen, 300 Kilometer an einem Stück zu radeln. Ohne Übernachtung, dafür mit Verpflegungsstationen, an denen sich die Teilnehmenden alle 30 Kilometer mit (zum Teil sogar warmen) Mahlzeiten und Getränken versorgen können.
Mich mit meinem überschaubaren sportlichen Ehrgeiz reizt ein solcher Gewalttrip nicht, doch Tobias, Arndt und Christoph umso mehr. Also buchten die drei eine Busreise ab Hamburg mit folgendem Plan: Verladung der Rennräder und Abfahrt am Mittwochabend, nächtliche Fahrt nach Schweden, Ankunft am Donnerstagmorgen, Übernachtung in einer Jugendherberge in Motala, Akklimatisieren und Relaxen am Freitag, Aufbruch zur Vätternrundan in der Nacht von Freitag zu Samstag, Radrennen von 5 Uhr morgens bis irgendwann Samstagabend, Rückfahrt am Sonntagmorgen.
Ich habe die drei Verrückten zum Bus begleitet und sie nach ihrer Motivation, ihrer Vorbereitung und ihren Erwartungen gefragt. Hier könnt ihr lesen, mit welchen Gedanken sie an diese irre Aktion herangegangen sind – einen weiteren Bericht zu den Ergebnissen könnt ihr dann in Kürze hier lesen.
Ich fahre bereits seit 2013 Radmarathons , deren Strecken bei 150 km anfangen und für mich bisher bei 300 km aufhören. Den Vätternsee umrunde ich dieses Jahr bereits zum dritten Mal. Wie bereite ich mich vor? Ich bin im Winter im Fitnessstudio und mache dort eine Mischung aus Kraft- und Balancesport. Daneben versuche ich, meine Kondition beim Indoorcycling zu halten. Da komme ich immer auf 4 Stunden. Im März beginnt dann die Freiluftsaison. Ich suche mir Veranstaltungen der Audax-Clubs (http://www.audax-randonneure.de/) heraus, wo die sogenannten Brevets angeboten werden. Dieses Jahr bin ich im März einen 140er- und einen 200er-Brevet (von Hamburg nach Timmendorfer Strand und wieder zurück nach Hamburg) geradelt. Anfang April stand der erste 300er an.
Es ging am Anfang nach Bispingen, dann hoch bis nach Rehna und von dort wieder zurück nach Hamburg. Im April war es sehr kühl, sodass ich nicht großartig weitergeradelt bin. Anfang Mai habe ich mir dann eine schwerere Erkältung zugezogen (ob das jetzt eine Männergrippe war, darüber lässt sich streiten), die ich auskurieren musste, aber pünktlich zur Mecklenburger Seenrunde am 26./27. Mai war ich wieder fit. Wir sind von der Firma aus abends um 21 Uhr gestartet und die Nacht durchgefahren. Sonnabendmittag kurz nach 12 Uhr war ich wieder im Ziel. Es war unheimlich hart, weil das Gelände sehr wellig war, hat aber gerade auch wegen des guten Wetters und der tollen Stimmung sehr viel Spaß gemacht. Gerade auch das Radeln in der Nacht hat seinen Reiz.
Was meinen Typ-1-Diabetes angeht, nutze ich die Kombination aus CGM-System (Dexcom) und ICT. Bei den Touren gehe ich so vor: Morgens reduziere ich meine Basalrate (Lantus) um ein (bis 200 km) oder zwei Drittel (bis 300 km). Ich spritze morgens zum Frühstück einen normalen Bolus (NovoRapid). Beim Radfahren nehme ich zwischen 24 und 48 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde zu mir, je nach Belastung. Für mich hat sich Fruchtsaft bewährt, den ich in meine Trinkflasche fülle. Daneben noch 2 bis 3 Müsliriegel – alles, was bei Hitze nicht sofort schmilzt. Bei den Brevets gibt es Kontrollstellen, wo man abstempeln muss, um einen Nachweis zu haben, dass man die Strecke absolviert hat. Diese sind meistens Tankstellen oder Bäckereien. Hier lade ich auf, Getränke oder Süßes wie z. B. Schokolade – was mir in diesem Moment in den Sinn kommt.
Bei offiziellen Veranstaltungen gibt es alle 30 bis 50 Kilometer eine Verpflegungsstelle, wo das Angebot an kurzwirksamen (z. B. Rosinenstuten mit Marmelade) und langwirksamen (z. B. Wurst- oder Käseschnitten) und Getränken reichhaltig ist. Für diese Zusatzkohlenhydrate spritze ich kein zusätzliches Insulin. Ich trage den Dexcom und lasse mir die Werte auf dem Smartphone anzeigen, dies hat einen sehr großen Vorteil für mich, da ich automatisch vor zu niedrigen oder zu hohen Werten gewarnt werde. Ich habe immer eine Powerbank dabei, denn falls der Akku vom Smartphone mal leer sein sollte, wäre das nicht schön, gerade auch nachts nicht.
Für mich ist es das erste Mal, dass ich auf einer so langen Raddistanz antrete. Die längsten Radstrecken waren für mich bislang die 180 Kilometer Radfahren, die man bei einer Ironman-Distanz (3800 Meter Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42 Kilometer Laufen) zu bewältigen hat. Zur Vätternrundan habe ich mich angemeldet, weil ich das Gefühl hatte, dass man das einmal erlebt haben sollte.
Viele radsportbegeisterte Freunde erzählen davon, und ich mag gern meine sportlichen Grenzen austesten, so lange sich das Training noch irgendwie sozialkompatibel machen lässt. Die Vätternrundan passt dieses Jahr perfekt in meine Vorbereitung auf den ersten Hamburger Ironman im August. Bis zum Hamburger Marathon im April bin ich im Training überwiegend gelaufen, danach bin ich aufs Rad umgestiegen und habe allein, in kleinen Gruppen oder bei RTF (Radtourenfahrt) trainiert.
Ich trage eine Insulinpumpe, die ich bei Rennradtouren bis 150 Kilometer aber meist ganz abkoppele. Denn selbst wenn ich die Pumpe auf die niedrigstmögliche Basalmenge herunterstelle, unterzuckere ich schnell, sodass ich die Insulinzufuhr lieber ganz unterbreche. Allerdings habe ich die Pumpe immer dabei, damit ich nach der Tour die Basalzufuhr sofort wieder starten kann. Für die Vätternrundan habe ich mir vorgenommen, die Basalrate auf 20 Prozent zu reduzieren bzw. die Pumpe zwischendurch abzukoppeln. Ich werde das davon abhängig machen, was und wie viel ich an den Verpflegungsstationen essen möchte.
Normalerweise finde ich es wegen der Hypoglykämiegefahr sehr schwierig, während des Sports Essen mit Insulin wegzuspritzen. Doch bei dieser langen Strecke mit mehreren Pausen und echten Mahlzeiten werde ich Insulin spritzen und etwa 20 Prozent des normalen Bolus spritzen. Für eventuelle Hypos habe ich Dextro-Gels und Traubenzuckerstangen dabei. Doch wenn ich meine Pumpe abkoppele und mit einem Wert von 150 bis 200 mg/dl (8,3 bis 11,1 mmol/l) starte, muss ich in der Regel nicht nachessen. Zum Glück kann ich meine Glukosewerte mit dem FreeStyle Libre immer im Auge behalten und bei Bedarf vorsichtig korrigieren.
Am liebsten würde ich die Vätternrundan komplett mit Christoph und Arndt zusammen fahren. Es ist netter, in Gesellschaft von Menschen zu fahren, die ich kenne. Denn sonst können einem die letzten 30 Kilometer mental sehr lang vorkommen.
Ich laufe und habe seit 2011 an mehreren Marathons teilgenommen, außerdem an etlichen Triathlons bis zur olympischen Distanz (1500 Meter Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren, 10 Kilometer Laufen). Mein Ziel ist es, beim Triathlon auch einmal die längeren Distanzen in Angriff zu nehmen. Dafür möchte ich erst einmal in allen drei Einzeldisziplinen Wettkämpfe mit längeren Strecken bewältigen. Beim Laufen habe ich das schon hinter mir, seit ich vor einem Jahr meinen ersten 50 Kilometer langen Ultramarathon absolviert habe.
Dieses Jahr ist das Radfahren dran, deshalb habe ich mich für die Vätternrundan angemeldet. Zur Vorbereitung habe ich etliche Trainingsfahrten von über 100 Kilometern gemacht. Mental gehe ich an die Vätternrundan wie an drei 100-Kilometer-Fahrten heran, dann wird das schon klappen. Ich würde gern einen Schnitt von 25 km/h fahren und spätestens alle 100 Kilometer an einer Verpflegungsstation eine Pause von einer halben Stunde einlegen. Für die Energiezufuhr habe ich Dextro-Gels im Gepäck und denke, dass ich etwa alle anderthalb Stunden ein Gel zu mir nehmen werde.
Ich habe zwar selbst keinen Diabetes, bekomme bei Antje und anderen Typ-1-Diabetikern aber viel mit, was das Diabetesmanagement beim Sport angeht. Schon als Sportler ohne Diabetes habe ich großen Respekt vor diesem Wettkampf, umso größer ist mein Respekt vor denjenigen, die das mit Typ-1-Diabetes durchziehen. Da Tobias, Arndt und ich vorhaben, zusammen zu fahren, könnte ich ihnen im Falle einer Hypo natürlich mit meinen Gels aushelfen. Ich habe ihren Diabetes im Hinterkopf, doch ich weiß auch, dass die beiden sehr erfahren im Diabetesmanagement beim Sport sind. Sie kriegen das ganz sicher prima hin.
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