- Eltern und Kind
AID: Diabetes-Technik sinnvoll verbinden
4 Minuten
Bei AID-Systemen gehen die Insulinpumpe und das CGM-System eine Verbindung ein und interagieren miteinander. Dr. Torben Biester beschreibt die Vorteile dieser Verbindung, erklärt, worauf geachtet werden sollte, und erläutert, wie der Bolusrechner eingesetzt werden kann.
Alle Familien in Deutschland, die in kinderdiabetologischen Zentren betreut werden, erhalten die Betreuung auf einem hohen medizinischen Wissensstand und mit Therapiezielen, die den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft entsprechen. Dieses Wissen wird von Experten in Leitlinien zusammengefasst, die für uns als behandelndes Team eine Richtschnur sind. Sie geben gute Hinweise, wie eine moderne Behandlung funktioniert. Aber natürlich ist nicht jedes Kind mit Diabetes gleich, so dass es durchaus Abweichungen geben kann.
Diese Leitlinien werden regelmäßig angepasst. So hat z. B. die internationale Kinderdiabetesgesellschaft ISPAD bereits vor drei Jahren für Länder wie Deutschland einen Ziel-HbA1c-Wert von unter 7 % empfohlen, da bei uns Glukosesensoren eingesetzt werden. Die deutschen Leitlinien werden demnächst überarbeitet, aber viele Diabetes-Teams richten sich bereits jetzt nach diesem Ziel.
Um diese Ziele für ihre Kinder zu erreichen, versuchen Eltern gemeinsam mit dem betreuendem Team die Therapie möglichst auf das Leben des Kindes und der Familie „zuzuschneiden“. Wir sehen jedoch immer wieder, dass der Alltag eine große Herausforderung ist.
Ein AID-System für jeden Menschen mit Typ-1-Diabetes
Die technischen Unterstützungsmöglichkeiten, die ein Sensor und eine Pumpe heute bieten, können den Alltag verbessern. Die neuen internationalen Leitlinien für Erwachsene sagen schon jetzt, dass nach Möglichkeit jeder Mensch mit Typ-1-Diabetes ein System mit automatischer Insulindosierung (AID genannt) bekommen sollte. In den nächsten Kinderleitlinien wird eine ähnliche Formulierung aufgenommen werden.
Diese Systeme, über die die Autorinnen und Autoren im Diabetes-Eltern-Journal oft berichten, sind aus Sicht von uns Teams DER Durchbruch für die Kinder: Extreme Glukoseschwankungen in den Nächten sind „kein Problem“ mehr, und auch die Tage gelingen einfach besser – vorausgesetzt, dass einige Grundregeln eingehalten werden.
Dazu gehört, dass der Bolusrechner als Teil des AID-Systems auf jeden Fall sehr sorgfältig eingestellt werden muss. Hier wird der Dosierungsplan mit allen Mahlzeitenfaktoren (je nach System auch Korrekturregeln) in die Pumpe einprogrammiert. Nach Eingabe der Kohlenhydrate berechnet die Pumpe die notwendige Insulinmenge für die Mahlzeiten, ggf. auch, je nach Glukosewert, eine Korrektur.
Bolusrechner auch ohne AID
Um den Vorteil eines Bolusrechners nutzen zu können, ist ein AID-System nicht unbedingt erforderlich. Fast alle Insulinpumpen haben einen solchen Rechner, der bei Benutzung eine deutlich feinere Insulindosierung ermöglicht. Eine Präzision von 0,1 Einheit als Nachkommastelle bei „krummen“ Werten und die Rücksicht auf vielleicht noch wirkendes Insulin wird kaum jemand im Kopf rechnen können. Aber nicht nur in der Pumpe steht ein Bolusrechner zur Verfügung: Auch in Messgeräten oder als App sind diese vorhanden und können so auch für die Therapie mit Pens verwendet werden.
Ganz einfach wird es, wenn die App oder der Bolusrechner der Pumpe direkt mit einem Sensor zusammenarbeiten. In so einem Fall muss gar nicht mehr der Blutzucker gemessen werden, sondern es wird automatisch immer eine Korrektur mitberechnet, da der Wert gleich da ist.
Wichtig: automatische Übernahme
Wir haben in der Vergangenheit bemerkt, dass die automatische Wertübernahme ein ganz entscheidender Faktor sein kann. Bei Kindern mit einer Pumpe wurde der Blutzuckerwert früher automatisch an die Pumpe gesendet und konnte somit sofort mit Hilfe des Bolusrechners mit einer Korrektur versehen werden.
Als der FreeStyle Libre aufkam, haben sich alle darüber gefreut, wie einfach jetzt gemessen werden konnte. Der ermittelte Libre-Wert musste jedoch per Hand in den Bolusrechner eingegeben werden, was oft nicht passiert ist. Also gab es keine Korrektur. Das sehen wir heute immer noch oft, wenn Sensor und Pumpe oder Bolusrechner nicht zusammenarbeiten. Bei nur „wenig“ erhöhten Werten von z. B. 140 mg/dl (6,1 mmol/l) sieht ein Jugendlicher nicht die Notwendigkeit, eine Korrektur abzugeben – der Wert ist ja kaum erhöht. Wenn der aktuelle Korrekturfaktor aber 30 mg/dl (2,9 mmol/l) beträgt, hätte ein Bolusrechner schon 1,3 Einheiten Insulin vorgeschlagen!
Meine Kollegin Dr. Simone von Sengbusch aus Lübeck hat es so ausgedrückt: Pumpe und Sensor sollten eine Verbindung miteinander eingehen, sie sollten „heiraten“. Und damit nicht genug, sie sollten auch miteinander „tanzen“, also interagieren. Damit ist die Integration von Sensorwerten direkt für die weitere Nutzung im Bolusrechner und die automatische Insulindosierung gemeint.
Der Sensor macht den Unterschied
Aber eine Insulinpumpe ist keine Voraussetzung für einen Sensor; die meisten Kinder in Deutschland haben bereits einen Sensor, der auch bei einer Pentherapie das Leben deutlich erleichtern kann. Und viele wissenschaftliche Studien haben inzwischen gezeigt, dass der Sensor den Unterschied macht: Er kann helfen, Unterzuckerungen zu vermeiden; zudem klappt die gesamte Einstellung damit besser. Alle, die einen Sensor nutzen, sind zufriedener – die Eltern sowieso.
Wenn bei Ihrem Kind ein Gerät einen Defekt hat und kein automatischer Ersatz kommt, weil die Garantiezeit vorbei ist, sollte eine neue Beratung stattfinden, um herauszufinden, welches das persönlich geeignete System ist. Bei der Wahl von Pumpe und Sensor sollte dann darauf geachtet werden, dass beide Geräte zusammenarbeiten können, um direkt vom ersten Tag die Vorteile zu nutzen.
Eine Insulinpumpe hat in der Regel einen Verordnungszeitraum von 4 Jahren, so dass in dieser Zeit ein Wechsel auf ein neueres System kaum möglich ist. Grundsätzlich aber besteht bei Medizinprodukten auch ein Wahlrecht, d. h. Sie können für Ihr Kind als Leistungsempfänger entscheiden, ob die Versorgung mit einem Glukosesensor weitergehen soll oder ob Sie vielleicht wechseln, damit Pumpe und Sensor zumindest miteinander „sprechen“ können. Denn auch ohne die Übertragung der Sensorwerte in einen Rechner kann z B. eine vorausschauende Insulinabschaltung durch eine Pumpe-Sensor-Kombination ein wertvoller Zugewinn sein.
Allgemeine Empfehlungen
- Hilfreich ist eine Bolusberechnung mit Hilfe eines Bolusrechners.
- Die Nutzung eines kontinuierlichen Glukosesensors ist sinnvoll.
- Empfohlen wird die Nutzung eines AID-Systems.
Sicherlich wird es in der Zukunft noch viele neue System und Kombinationsmöglichkeiten geben, aber für die Therapie Ihres Kindes heute sollten Sie das System mit der größtmöglichen Unterstützung für den Stoffwechsel wählen.
von PD Dr. med. Torben Biester
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2021; 12 (4) Seite 12-13
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Ähnliche Beiträge
- Eltern und Kind
Diagnose Typ-1-Diabetes: Das Leben neu sortiert
9 Minuten
- Unsere Partner
Exzellent versorgt: tk pharma trade – Kompetenz für Menschen mit Diabetes
2 Minuten
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Über uns
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Community-Frage
Mit wem redest du
über deinen Diabetes?
Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.
Werde Teil unserer Community
Community-Feed
-
sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
-
stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
-
lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Ich bin dabei 🙂
-
-
insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 2 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
-

Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike