Camp D in Bad Segeberg: Begleitung in die Unabhängigkeit

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© Dr. P. Zimmer
Camp D in Bad Segeberg: Begleitung in die Unabhängigkeit

Nachdem es 2021 nur ein virtuelles Event gab, findet das sechste Camp D für junge Menschen mit Diabetes 2022 wieder vor Ort statt. Bis zu 500 Jugendliche und junge Erwachsene kommen Anfang Juli zusammen, um sich zu informieren, auszutauschen und gemeinsam Zeit zu verbringen. Mit dabei: Betreuer wie Diabetesberater Jens Roth.

Der Kinderkrankenpfleger und Diabetesberater Jens Roth aus Fulda ist Teil des rund 150-köpfigen Betreuungsteams von Camp D. Er bringt viel Erfahrung mit im Umgang mit einer Patientengruppe, die auf dem Weg in einen neuen Lebensabschnitt ist – und für die Camp D eine wichtige Rolle spielt.

Wenn Jens Roth in diesem Sommer als Betreuer ins Camp D nach Bad Segeberg reist, hat er einen Grund zu feiern: Genau 20 Jahre lang übt der 45-Jährige dann den Beruf des Diabetesberaters aus, der für ihn auch immer schon Berufung war. Als Mitte 20-Jährigen fragte man ihn damals, ob er sich als so junger Mann bereits eine Beratertätigkeit zutrauen würde. “Ich fühlte mich alt genug, um auf Augenhöhe mit den Eltern zu sprechen, gleichzeitig war meine Jugendzeit noch nicht so lange her, so dass ich noch sehr gut wusste, wie man in dem Alter so tickt”, erinnert er sich. Das hat Jens Roth bis heute nicht vergessen, und so ist er in diesem Jahr wieder geschätztes Mitglied des Betreuerteams von Camp D, Europas größtem Zeltcamp seiner Art. Veranstalter Novo Nordisk hat das Motto 2022 nach einer Zeit der Kontaktbeschränkungen passend gewählt: “Camp D – echt gut”.

Eltern und Jugendliche verstehen

Während seiner langjährigen Tätigkeit als Diabetesberater am Klinikum Fulda hat Jens Roth unzählige Familien kennengelernt, deren Leben durch den Dia-betes ihres Kindes geprägt waren oder noch sind. Er weiß, welche Verantwortung auf den Schultern der Eltern lastet, und wie schwer es ist, diese eines Tages an das heranwachsende Kind abzugeben. Vor allem die Pubertät ist eine Zeit mit viel Konfliktpotenzial. Die Eltern fürchten um die gesundheitlichen Folgen, die aus einem schlechten Diabetesmanagement resultieren können, und wollen das Kind deshalb oft nicht loslassen.

Auf der anderen Seite wächst der Wunsch der Jugendlichen, sich aus der Fürsorge ihrer Eltern zu befreien. Sie wollen ihr eigenes Leben führen, Sport treiben, Freunde treffen, Partys feiern – eben ganz normale Jugendliche sein. Jens Roth kann die Sorgen und Bedürfnisse beider Seiten sehr gut nachvollziehen. Er versteht es, in Beratungssituationen aufmerksam zuzuhören und zu vermitteln. Eine Stärke, die er auch als Betreuer im Camp D gut einzusetzen vermag.

Austausch statt Kontrolle

“Im Camp D geht es nicht darum, die jungen Menschen im Handling mit ihrem Diabetes zu kontrollieren” stellt Roth klar. “Wir Betreuer sind da, um von den jungen Leuten angesprochen zu werden, wenn sie eine Frage haben oder Rat suchen. Um es ihnen leichter zu machen, auf uns zuzugehen, steht auf jedem Betreuer-T-Shirt die Aufforderung Quatsch mich an. Und das machen die dann auch.”

Mindestens genauso wichtig wie die Gespräche mit dem Betreuer-Team ist der Austausch der Camp D-ler untereinander. Im Camp D erleben sich junge Menschen mit Diabetes nicht als “besonders”, sie fühlen sich zugehörig, angenommen und verstanden – und können auch voneinander lernen. “Da interessiert man sich, wie der oder die andere es schafft, bessere Werte zu haben, wie mit Feiern umgegangen wird oder mit der Insulinpumpe”, berichtet Jens Roth, der in vier Camp D-Teilnahmen einiges an Erfahrungen sammeln konnte.

Spannend für ihn sind vor allem die Nächte im Zeltcamp. “Man fragt sich, wie das Wetter sein wird, wie der Untergrund, auf dem man schläft, und welche Action es geben könnte.” Schmunzelnd erinnert er sich, wie ein paar Jungs einmal nachts um halb drei einen Ball stibitzen wollten, um Fußball zu spielen. Sie hatten nicht mit dem Camp-bedingt leichteren Schlaf ihres Betreuers gerechnet. “Ich habe sie dann einfach freundlich gebeten, den Ball liegenzulassen, weil wir doch alle schlafen wollten.”

Großes Info- und Sportangebot

Um Action zu haben, müssen die Camp D-ler allerdings nicht bis zur Nacht warten. Veranstalter Novo Nordisk arbeitet traditionell für die knapp vier Tage auf dem riesigen Zeltplatz ein vielseitiges und auf die Interessen der jungen Menschen mit Diabetes abgestimmtes Programm aus. Allein das diesjährige Sportangebot umfasst rund und ein Dutzend Aktivitäten, darunter Kickboxen, Parkour, Slacklining, Stand-Up-Paddling, Yoga und Jumping Fitness sowie ein Beachvolleyball- und ein Fußballturnier.

Auch das Vortrags- und Workshopangebot ist zielgruppengerecht. Es geht um Themen wie Feiern, Sport, Mobbing, Sexualität oder auch den Berufseinstieg – jeweils vor dem konkreten Hintergrund der Bedürfnisse junger Menschen mit Diabetes. “Wir freuen uns natürlich, dass so viele Leute an den Workshops teilnehmen, denn sie ermutigen einfach, am Thema Diabetes dranzubleiben”, sagt Jens Roth. “Und auch, wenn ich niemanden ‚schicke̓, so versuche ich doch, sie zu interessieren und zu motivieren. Oft nehmen erfahrene Camper auch Neu-Camper an die Hand, denn wer einmal bei Camp D dabei war, kommt immer wieder.”

Freundschaften fürs Leben

Auf ein Wiedersehen mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorangegangener Camps freut sich Jens Roth ebenso wie auf die Betreuer- und Orga-Teams: “Als Wegbegleiter sind wir über die Jahre zusammengewachsen. Das ist wie eine Familie, da fühlt man sich einfach zuhause.”

Gespannt ist Roth, ob auch Jugendliche aus seiner Diabetessprechstunde dabei sein werden. Als echter Vollblut-Camp D-ler spricht er viele Familien aktiv an und animiert den Nachwuchs zu einer Teilnahme. Denn er weiß aus eigener Erfahrung, dass Camp D nicht nur ein unvergessliches Erlebnis für junge Menschen mit Diabetes ist, sondern ganz oft auch der Beginn neuer Freundschaften fürs Leben. Er selbst ist Mitglied einer WhatsApp-Gruppe, die zum Camp D 2011 ins Leben gerufen wurde und die sich bis heute rege austauscht.

In seinem Beruf als Diabetesberater ist es für ihn mit am schönsten zu sehen, wie aus den Kindern Leute mit einem ganz normalen Leben werden. “Mich freut es immer wieder, wenn ich Menschen wiedertreffe und sehe, wie positiv sie sich entwickelt haben. Ich erinnere mich an einen Patienten, der seinen Diabetes seit dem zweiten Lebensjahr hat. Der hat mich an seinem 30. Geburtstag besucht und mir erzählt, er wolle jetzt den Jakobsweg gehen.”

Schwieriger Spagat

Auch im Camp D 2022 will Jens Roth wieder dazu beitragen, dass den jungen Menschen der Absprung in ein selbstbestimmtes, aktives und gesundes Leben mit Diabetes gelingt. Das ist nicht immer ganz einfach. Oft lässt bei Jugendlichen die Motivation nach, sich um ihre Erkrankung zu kümmern. In Folge kann auch mal über einen längeren Zeitraum der HbA1c-Wert hoch sein. Dann nimmt Roth die Betroffenen sanft zur Seite und sagt: “Das läuft jetzt schon ne ganze Weile nicht gut, auf Dauer verträgt das dein Körper nicht so.”

Immer wieder gelingt ihm auf diese Weise der schwierige Spagat zwischen dem Gewähren von Freiheiten und dem Nachkommen seiner Verantwortung als medizinischer Betreuer. Auch für sein Einfühlungsvermögen und seine Empathie in der Vermittlung zwischen Jugendlichen und Eltern wird Jens Roth sehr geschätzt. Dennoch ist er es, der Dankbarkeit zeigt. “Ich bin in all den Jahren an den Jugendlichen gewachsen. Ich habe ihnen viel zu verdanken – auch durch Camp D.”


von Eva Leßmann

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2022; 13 (2) Seite 20-22

 

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  • tako111 postete ein Update vor 23 Stunden, 41 Minuten

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

  • nina33 postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes Typ 3c vor 1 Tag, 2 Stunden

    Hallo guten Abend ☺️

    Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
    Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
    Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
    Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?

    Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.

    Liebe Grüße, schönen Abend
    Nina 🙂

    • Willkommen Nina, …
      da hast du ja sich schon einiges hinter Dir. Wie schaut es bei Dir mit Mutterkindkur aus, auch in hinblick einer Diabetesschulung. Hast du guten Diabetologen, Teilnahme DMP, Spritzt du selber oder Pumpe, auch hier gibt es viele Fragen. Wie sieht es mit Selbsthilfegruppen bei Euch aus. …
      Oder Forum? Gerade am Anfang, wo noch alles neu ist, – ist es schon eine tägliche Herausforderung, – da kann es hilfreich sein kleine Ziele sich zu setzen. Dabei finde ich die Aktzeptanz am wichtigsten, oder auch sich selber spritzen zu müssen, oder das Weg
      lassen bzw. bändigen des Naschen … etc. Kleine Schritte …

      Viele Fragen bekommst du auch in eine Diabetes-Schulung beantwortet,
      falls noch nicht gemacht, spreche das bei Deinem Diabetologen an!

      Über weiteren Austausch bin ich auch erfreut, schildere ruhig deine Bausstellen, … doch letztendlich sollte Dein Arzt das beurteilen.

      LG

      Wolfgang

  • swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 2 Tagen, 7 Stunden

    Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
    Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
    Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.

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