Closed Loop: Endlich da – und doch nicht verfügbar?

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Closed Loop: Endlich da – und doch nicht verfügbar?

Die Behandlung weiter zu vereinfachen – das ist der große Wunsch vieler Familien, in denen ein Kind oder Jugendlicher mit Typ-1-Diabetes lebt. Manche Familien versuchen deshalb, mithilfe eines Computerprogramms aus dem Internet ein eigenes Closed-Loop-System zu „bauen“, das die Insulingabe selbständig steuert. Welche Aspekte sind zu bedenken?

Natürlich besteht bei allen Menschen mit Diabetes und auch bei deren Angehörigen, insbesondere den Eltern, der Wunsch nach einer möglichst einfachen Durchführung der Insulintherapie – am besten, ohne viel eingreifen zu müssen. Der Traum von vielen ist es, eine neue oder eine künstliche Bauchspeicheldrüse zu bekommen.

Aber: Die Transplantation einer Bauchspeicheldrüse ist ein hochkomplizierter, risikoreicher, mit der Gabe von vielen Medikamenten und Nebenwirkungen beladener Eingriff, der für Kinder nicht infrage kommt. Eine richtige künstliche Bauchspeicheldrüse ist auch nicht erhältlich.

Sogenannte Closed-Loop-Systeme, die die Abgabe der Insulinmenge immerhin teilweise steuern, werden zurzeit viel erforscht (s. z. B. DEJ 4/2017 und DEJ 3/2018). In den USA ist seit 2016 ein Modell auf dem Markt, in der EU seit Ende 2018, allerdings nicht in Deutschland, da die Kostenerstattung nicht geklärt ist.

Ein Closed-Loop-System selbst bauen: Wie geht das?

Als einfache Alternative erscheint daher einigen Menschen der Weg, sich ein solches System selbst zu bauen. Der Gedanke liegt nahe: Computer werden immer kleiner und leistungsfähiger – jedes Smartphone ist ein kleiner Computer – und Pumpe und Sensor sind durch geschulte Ärzte meistens verordnungsfähig. Warum kann es trotzdem mit Problemen sowohl für die Familie als auch für die Diabetesteams einhergehen, wenn ein solches System selbst gebaut wird?

Wo steht, wie’s geht?

In verschiedensten Foren und auf einigen Seiten im Internet kann man sich genau anschauen, wie ein selbst gebautes Closed-Loop-System funktioniert, kann erfahrene Leute um Hilfe bitten oder auch seine eigenen Erfahrungen teilen.

Es gibt inzwischen sogar wissenschaftliche Veröffentlichungen darüber, wie häufig einzelne Nutzer in verschiedenen Ländern über Closed-Loop-Themen in den sozialen Medien kommunizieren, konkret wurde die Nutzung von Twitter ausgewertet. Es zeigte sich, dass nur wenige Leute über das Thema schreiben, diese aber dafür umso aktiver sind.

Welche Komponenten sind nötig?

Für ein automatisches Steuerungssystem braucht man einen Messwert (Glukosewerte, die von einem Sensor gemessen wurden), einen Berechnungsalgorithmus (dafür ist ein kleiner Computer nötig) und eine Steuerung (übernimmt die Insulinpumpe). Diese drei Teile müssen miteinander verbunden werden, damit ein Kreislauf entstehen kann.

Kommerzielle Produkte gibt es dafür nicht. Das in Europa am meisten verwendete System kann als Computer ein gängiges Android-Smartphone nutzen. Allerdings sind einige Veränderungen im Betriebssystem notwendig, es müssen verschiedene Programme installiert werden, die nicht als fertige App vorliegen, sondern erst von jedem Nutzer einzeln erstellt werden.

Gemeinschaftswissen für das Open-Source-Projekt

Der Grundgedanke dieser Systeme ist die Freiheit, genau das zu nehmen, was jeder Nutzer individuell für sich braucht. Grundlage dafür ist Open-Source-Software – Software mit öffentlichem Quelltext, die auch von Dritten genutzt und verändert werden kann. Es gibt dafür Hauptversionen, die von einigen Programmierern zur Verfügung gestellt werden.

Der Quelltext (also das Computerprogramm) für das Closed-Loop-System ist im Internet frei verfügbar, jeder kann hier mitprogrammieren und diese Änderungen wiederum mit anderen teilen. Dafür kann man alle Programmteile kostenlos herunterladen – es ist ein Gemeinschaftswissen.

Aber: Wie auch alles andere im Internet unterliegen auch diese Seiten keinerlei Kontrolle. Es gibt keine verantwortliche Person oder Institution, die die Angaben prüft oder kontrolliert, ob die Informationen richtig sind.

Entwickelt sich eine Zwei-Klassen-Medizin?

Während einer Diskussionsrunde hat ein Kollege die zunehmende Verbreitung selbst gebauter Systeme als Zwei-Klassen-Medizin bezeichnet. Es gibt Familien, die das nötige Know-how haben, ein Closed-Loop-System z. B. für das betroffene Kind zu bauen, und die es sich leisten können, eine mit diesem System kompatible Pumpe (nicht alle Pumpen sind geeignet) und die Computerteile selbst zu kaufen.

Und es gibt Familien, die das nicht können, die vielleicht auch nicht ausreichend geschult sind, um alle Aspekte zu hinterfragen und auch nicht die nötige Zeit investieren können/wollen – ein Closed-Loop-System ist kein Selbstläufer. Da sich das Selbstbauen eines solchen Systems jedoch außerhalb der regelhaften Versorgung durch die Krankenkassen abspielt, ist der Begriff Zwei-Klassen-Medizin in diesem Zusammenhang aber nicht ganz fair.

Der rechtliche Aspekt des Closed-Loop-Eigenbaus

Blutzuckermessgerät, Pumpe, Sensor sowie alles Zubehör sind rechtlich Medizinprodukte. Das bedeutet, sie wurden vom Hersteller zu einem bestimmten Zweck gebaut, in diesem Sinne von einer unabhängigen Stelle überprüft und mit einem CE-Kennzeichen versehen. Sie dürfen zu dem beschriebenen Zweck in den Handel gebracht werden – und zwar nur zu diesem Zweck. Der Hersteller übernimmt die Gewährleistung für sein Produkt.

Wenn jetzt ein Anwender das Gerät verändert, entspricht es nicht mehr dem Gerät, das von den Gutachtern zertifiziert wurde, und das bedeutet: Es erlöschen sämtlich Ansprüche hinsichtlich Haftung, Gewährleistung und Support – die Nutzer sind also selbst voll verantwortlich für das Gerät und für alles, was damit passiert. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Pumpe und auch das Sensorsystem in der Regel der Krankenkasse gehören und nicht verändert werden dürfen.

Für Behandler wird es doppelt schwierig. Da ein Arzt (m/w/d) eine besondere Funktion im Gesundheitswesen hat, darf er mit solch einem veränderten Gerät nicht umgehen. Würde ein Arzt aufgrund der Daten eines veränderten Gerätes Therapieempfehlungen abgeben, so würde er selbst zum Betreiber dieses Gerätes werden und unter Umständen auch für Fehler haftbar sein.

Rechtliches Dilemma der Behandlungsteams

Damit befinden sich alle Behandlungsteams in Deutschland derzeit in einem rechtlichen Dilemma: Natürlich wollen wir alle die bestmögliche Therapie für unsere Patienten und möchten nach besten Kräften bei der selbst gewählten Therapieform unterstützten. Wir dürfen aber nicht mit veränderten Geräten arbeiten, es sei denn, wir würden ein sehr hohes Haftungsrisiko eingehen.

Daher sollte vor dem Beginn der Anwendung eines selbst gebauten Closed-Loop-Systems das Vorgehen in einem vertrauensvollen Gespräch mit der behandelnden Praxis/Klinik besprochen werden und das Vorgehen besprochen werden. (Mehr über die rechtlichen Aspekten lesen Sie im Artikel von Rechtsanwalt Oliver Ebert „Loopen Was ist aus juristischer Sicht wichtig?“.)

Closed-Loop-Systeme: der weitere Weg

Auch wenn die Hoffnung auf die schnelle Marktverfügbarkeit von Teilsystemen oder fortgeschrittenen Closed-Loop-Systemen bestehen bleibt, gibt es Forschungsinitiativen, die auch die Open-Source-Modelle erforschen wollen.

Die US-amerikanische Forschungsförderungsgesellschaft JDRF hat gerade einer US-amerikanischen Non-profit-Forschungsgruppe (TIDEPOOL) mit Hilfe der wohltätigen Stiftung Helmsley Charitable Trust 6 Millionen US-Dollar zur Entwicklung eines kommerziellen Closed-Loop-Systems zur Verfügung gestellt.

Meine Hoffnung für die Zukunft

Grundsätzlich hoffe ich, dass es gelingt, in naher Zukunft durch Hersteller CE-zertifizierte und von den Krankenkassen genehmigte Systeme in den Markt zu bringen, damit Patienten und Familien zwischen verschiedenen Systemen auswählen können, um das individuell richtige System zu finden. Außerdem haben dann alle Versicherten die Chance, davon zu profitieren, unabhängig vom eigenen Einkommen.

Ich habe in diesem Artikel bewusst auf die Nennung von Namen einzelner Selbstbausysteme, Komponenten oder Websites verzichtet. Wer sich damit jetzt auseinandersetzen möchte und sich ein solches System selbst bauen will, sollte den ersten Schritt machen, die entsprechenden Websites zu finden.


von PD Dr. med. Torben Biester

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2019; 11 (1) Seite 8-10

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

  • gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 5 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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