Weltkindertag: Appell für Gesundheitsförderung und -fürsorge an KiTas und Schulen

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Weltkindertag: Appell für Gesundheitsförderung und -fürsorge an KiTas und Schulen

Anlässlich des Internationalen Weltkindertages am 1. Juni sprechen ich mehrere Diabetes-Fach- und Patientenverbände dafür aus, eine bundeseinheitliche gesetzliche und finanzielle Verpflichtung zur Gesundheitsförderung und -fürsorge an KiTas und Schulen zu implementieren.

In Deutschland sind mehr als 17.000 Kinder unter 14 Jahren von einem autoimmunbedingten Typ-1-Diabetes betroffen. Sie sind normal leistungsfähig und belastbar. Dennoch benötigen Betroffene – je jünger desto mehr – kompetente Unterstützung im Umgang mit der Insulintherapie und der Kontrolle der Stoffwechsellage in der Schule oder Kindertageseinrichtung (KiTa). Denn sie können das komplexe Management der Erkrankung erst etwa ab dem 12. Lebensjahr verstehen und selbst übernehmen.

Kinder mit Diabetes in KiTa und Schule häufig benachteiligt

An deutschen Schulen gibt es jedoch – anders als in vielen anderen Ländern – nach wie vor kein eigenes gesundheitsbezogenes Personal und keine bundeseinheitliche Gesundheitsförderung. Chronisch erkrankte Heranwachsende mit einem Typ-1-Diabetes sind aufgrund dessen oft benachteiligt und werden zudem auch häufiger vom Regelschulbesuch ausgeschlossen als gesunde Gleichaltrige.

Dieses Versorgungsdefizit an der Schnittstelle zwischen Bildungs- und Gesundheitssystem muss behoben werden, mahnen anlässlich des Internationalen Kindertags am 1. Juni 2021 die Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Diabetologie (AGPD) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), die gemeinnützige Gesundheitsorganisation diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe und die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH-M), Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.

Die Verbände fordern ein bundesweites Gesetz und konkrete Finanzierungsmöglichkeiten, um das bestehende Recht von Kindern und Jugendlichen mit einer chronischen Erkrankung wie Typ-1-Diabetes auf uneingeschränkte Teilhabe an Bildung umzusetzen sowie die Gesundheit aller Heranwachsenden zu fördern.

Keine bundeseinheitliche Regelung, die Versorgung sicherstellt

„Der Rechtsanspruch für Unterstützungsleistungen, um eine angemessene Schulbildung zu sichern, ist unbestritten und ergibt sich ganz klar aus dem Grundgesetz sowie der UN-Menschenrechtskonvention“, sagt Karina Boß, diabetesDE-Vorstandsmitglied. „Die konkrete Umsetzung in KiTa und Grundschule ist aber nach wie vor in hohem Maße defizitär“, weiß die Diabetesberaterin und Medizinpädagogin aus der Beratung betroffener Familien.

„Nach wie vor gibt es keine bundeseinheitliche Regelung, welche eine passende Versorgung verlässlich sicherstellt“, ergänzt Boß. Zudem überschneiden sich die Zuständigkeitsbereiche bei Kindertageseinrichtungen beziehungsweise Schulen, Krankenkassen, Gesundheits-, Sozial-, Schul- und Jugendämtern.

„Häufig verzweifeln Eltern an den Ablehnungen dieser Institutionen, da sie jeweils auf die anderen verweisen“, berichtet auch Norbert Kuster, Vorsitzender des Landesverbandes NRW der Selbsthilfeorganisation DDH-M. Zwar haben einige Bundesländer Modellvorhaben wie „Diabetes in Schule und KiTa“ auf den Weg gebracht.

Konkrete Forderungen zur Gesundheitsförderung und -fürsorge

„Wir fordern jedoch eine bundesweite einheitliche gesetzliche Regelung zur Gesundheitsfürsorge von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes Typ 1 in KiTa und Schule“, erklärt Privatdozent Dr. med. Thomas Kapellen, Sprecher der AGPD und Chefarzt der MEDIAN Kinderklinik „Am Nicolausholz“ in Bad Kösen. „Dazu gehört auch, die Betreuungspersonen der jeweiligen Kinder in den Bildungseinrichtungen unter Einbindung der Behandelnden und Erziehungsberechtigten entsprechend fortzubilden. Denn nur so können sie die jungen Betroffenen bei der Therapie begleiten und unterstützen“, betont der Kinderdiabetologe.

Des Weiteren müssten für alle Kinder und Jugendlichen strukturierte Gesundheitsförderungsmaßnahmen an Bildungseinrichtungen bundeseinheitlich etabliert werden, sind sich diabetesDE, AGPD und DDH-M einig. Denn 13 Prozent der Kinder hierzulande haben Übergewicht, mehr als sechs Prozent sogar Adipositas. Dies kann die spätere Entstehung eines Typ-2-Diabetes fördern.

„Aus unserer Sicht müssen Konzepte zur Gesundheitsförderung in Schulen Verhaltens- und Verhältnisprävention beinhalten“, mahnen die Verbandsvertreter. Sie sprechen sich für die Aufnahme von Themen zur Prävention und Gesundheitsförderung in den Rahmenlehrplan aller Schulen, den Zugang zu kostenfreien Trinkwasserspendern sowie kostenfreie und niederschwellige Sportangebote an Schulen für alle Kinder und Jugendlichen aus.

Literatur
  • [1] Tannen A, Adam Y, Ebert J, Ewers M (Hg.) (2017): Schulgesundheitspflege an allgemeinbildenden Schulen: Teil 1 – Analyse der Ausgangslage, Working Paper No. 18-02 der Unit Gesundheitswissenschaften und ihre Didaktik. Berlin: Charite – Universitätsmedizin Berlin
  • [2] Heinrich-Rohr M., Boss K.; Wendenburg J. et. al., Unzureichende Versorgung gefährdet Inklusion von Kindern mit Diabetes mellitus Typ 1, Mai 2019 Diabetologie und Stoffwechsel 14 (05): 380-387. DOI: 10.1055/a-0970-8886
  • [3] Dehn-Hindenberg A., Lange K. et. al. Eltern von Kindern mit Typ-1-Diabetes: Folgen für Berufstätigkeit, psychosoziale Belastungen und Bedarf an Unterstützungsleistungen – Ergebnisse der AMBA-Studie, May 2019 Diabetologie und Stoffwechsel 14, DOI: 10.1055/s-0039-1688306, Conference: Diabetes Kongress 2019 – 54. Jahrestagung der DDG
  • [4] Neu A, Bürger-Büsing J, Danne T, et al. Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter 2018;13: S131–S143. Keine DOI
  • [5] Hiermann P, Wendenburg J, von Sengbusch S, et al. Wer schult die Betreuungspersonen von Kindern mit Typ-1-Diabetes in Kindertagesstätte und Schule und wer finanziert diese Schulungen? Ergebnisse und eine Stellungnahme zur Situation in Deutschland. Diabetologie und Stoffwechsel 2016; 11:350–356DOI: 10.1055/s-0042-116311
  • [6] Libuda L, Alexy U, Sichert-Hellert W, Stehle P and Kersting M. Pattern of beverage consumption and long-term association with body weight status in German adolescents – Results from the DONALD Study. Br J Nutr 2008, 99: 1370-1379.
  • [7] Schwartz AE, Leardo M, Aneja S, Elbel B: Wirkung einer schulischen Wasserintervention auf den Body-Mass-Index für Kinder und Adipositas. JAMA Pediatr 2016;170:220-226.
  • [8] von Philipsborn P, Hauck C, Gatzemeier J et al. (2017) Süßgetränke und Körpergewicht: Zusammenhänge und Interventionsmöglichkeiten. Adipositas – Ursachen, Folgeerkrankungen, Therapie 11(3):140-145
  • [9] Kolip, P., Greif, N. (2016): Evaluation Programm Klasse2000. Zusammenfassender Abschlussbericht, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften

von Redaktion Diabetes-Anker

mit Materialien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe | Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH-M), Landesverband NRW

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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