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Sie haben rechtliche oder soziale Fragen bezüglich Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Unser Rechts-Experte Oliver Ebert gibt Ihnen in der Rubrik Nachgefragt Antwort.
Unsere Tochter Leonie (13 Jahre) ist in ihrer Schule gut aufgehoben, und die Lehrerinnen und Lehrer kümmern sich sehr engagiert. Nun stehen aber – wenn die Corona-Situation es zulässt – nächstes Jahr längere Klassenfahrten an. Die Schulleitung hat uns mitgeteilt, dass man während solcher Ausflüge den zusätzlichen Aufwand fürs Messen und Spritzen nicht übernehmen will. Das Risiko sei zu groß, und die Lehrer könnten nicht garantieren, dass sie den Diabetes von Leonie immer im Auge behalten können. Nun denken wir darüber nach, einen Antrag auf eine Begleitperson zu stellen, die mitfährt und auf Leonie aufpasst.
Allerdings sind wir etwas verunsichert: Seit einiger Zeit scheinen die vormaligen Regelungen (§§ 53,54 SGB IX) für die Eingliederungshilfe aus dem Sozialgesetzbuch verschwunden zu sein. Gibt es denn wirklich keinen Anspruch auf eine Begleitperson mehr?
Christina L. aus Berlin
Ich kann sie beruhigen: Im Zuge des Bundesteilhabegesetzes wurden zahlreiche Gesetze neu geordnet und die Systematik geändert. Die vormaligen Regelungen der §§ 53,54 SGB IX (SGB: Sozialgesetzbuch) wurden nicht abgeschafft, sondern überarbeitet und finden sich nun u. a. in den §§ 112, 113 SGB IX.
Leistungen der Eingliederungshilfe gibt es also weiterhin. Diese werden auch benötigt, damit Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt Schul- und Bildungsangebote wahrnehmen können. Relevant ist dabei auch eine weitere Fallgruppe der Eingliederungshilfe: die „ Leistungen zur sozialen Teilhabe“. Mit diesen Leistungen soll Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht oder erleichtert werden.
Der Anspruch auf eine Begleit-/Assistenzperson für die Schule kann sich aus beiden Leistungsgruppen zusammensetzen. Unterstützung wird also einerseits gewährt, wenn eine Assistenz erforderlich ist, um den Schulbesuch überhaupt möglich zu machen – beispielsweise weil die Schule nicht die zusätzlich erforderliche Aufsicht sicherstellen kann. Das ist bei Leonie zwar glücklicherweise nicht der Fall, allerdings steht aber ja ihre Teilnahme an der Klassenfahrt auf dem Spiel.
Wenn eine Begleitperson nötig ist, damit Leonie nicht ausgegrenzt wird und trotz ihrer Behinderung zusammen mit den übrigen Schülern den Ausflug machen kann, dann hat sie Anspruch auf entsprechende Unterstützung. Es ist übrigens nicht zwingend erforderlich, dass dazu ein Grad der Behinderung amtlich festgestellt wird: Diabetes ist eine chronische Erkrankung und zählt deswegen als Behinderung.
Sie können daher für Leonie bei der zuständigen Integrationsbehörde (am besten schriftlich) gemäß §§ 112, 113 Abs.2 Nr. 2 SGB IX für die Klassenfahrten eine Begleitperson als Leistung der sozialen Teilhabe beantragen. Alternativ kann die Unterstützung mit Ihrer Zustimmung gemäß § 116 SGB IX auch als pauschale Geldleistung gewährt werden, damit Sie als Eltern selbst eine Begleitperson beauftragen und bezahlen können.
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Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2020; 12 (4) Seite 19
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