- Eltern und Kind
Jahrestagung der Kinderdiabetologie unter Palmen
4 Minuten
Was gibt es Neues in der Kinder-Diabetologie? Prof. Thomas Danne berichtet von der ISPAD Jahrestagung 2022 – von spannender Forschung und technischem Fortschritt.
Vom 13.-16. Oktober 2022 fand die 48. Jahrestagung der internationalen Kinderdiabetologen in Abu Dhabi statt. Der Atlas der Internationalen Diabetes Föderation zeigen, warum es Zeit für diesen Ort war: Die meisten Typ-1-Diabetes Neuerkrankungen pro Jahr gibt es in Indien (22.900/Jahr von 0-19 Jahren), Deutschland ist mit 3.510 auf Platz 8, dicht gefolgt von Saudi Arabien auf Platz 10. Also höchste Zeit, die Tagung auch mal in dieser Region stattfinden zu lassen. Mehr als 1.300 Diabetes-Profis waren vor Ort mit dabei.
Neue Behandlung schon vor Diabetes-Ausbruch
Hinsichtlich der Fortschritte in der Diabetes-Therapie gab es eine vollgepackte Sitzung über Diabetesvorhersage und -prävention, die einen Einblick in einige der neuesten Forschungsergebnisse gab, die eines Tages die Behandlung von Typ-1-Diabetes verändern könnten. Viel Diskussion gab es zum Beispiel über den Einsatz des Medikaments Teplizumab bei Menschen mit Diabetes-Antikörpern bevor es bei ihnen zum Auftreten der klinischen Symptome wie großem Durst, häufigem Wasserlassen und Gewichtsabnahme kommt. Tatsächlich wurde Teplizumab am 17. November bei einer Sitzung der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zur Frühbehandlung eines Typ-1-Diabetes ab dem Alter von 8 Jahren in den U.S.A. zugelassen. Wann und ob dieses Medikament auch in Europa zugelassen wird, muss abgewartet werden.
Darm und Typ 1 Diabetes
Dr. Nordin Hanssen, eine Forscherin aus den Niederlanden, hielt einen faszinierenden Vortrag über den Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung von Darmbakterien (dem sogenannten Mikrobiom) und Diabetes. Im Laufe der Zeit hat die Vielfalt unseres Darmmikrobioms erheblich abgenommen, bei Erwachsenen in den USA um bis zu 30 %. Man geht davon aus, dass 50 % des Darmmikrobioms von der Mutter auf das Kind vererbt werden, und zwar durch vaginale Geburten und Stillen, die beide rückläufig sind, so Dr. Hanssen. Das Immunsystem hat möglicherweise daher nicht so viel Kontakt mit unterschiedlichen Darmbakterien, was zu einer mangelhaften Unterscheidung zwischen “selbst” und “nicht selbst” und damit zu einer Zunahme von Autoimmunkrankheiten führt. Tatsächlich gibt es erste Versuche mit einer Transplantation von Darmbakterien, um die Betazellfunktion zu erhalten und damit die Blutzuckerkontrolle zu verbessern.
Automatische Insulindosierung (AID) bei Kleinkindern
Dr. Marc Breton von der Virginia Universität, U.S.A., stellte die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der Tandem- Control-IQ-Zulassungsstudie “PEDAP” bei 102 Vorschulkindern im Alter von 2 bis unter 6 Jahren vor. Diese Studie ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: sie ist die erste Kleinkinder-Vergleichsstudie mit dem wissenschaftlich hochwertigsten Design, einer sogenannten “randomisierten kontrollierten Studie (RCT)” und sie zeigte, dass AID in dieser Altersgruppe sicher und wirksam ist. Diese Ergebnisse sollten die Grundlage einer Zulassung für diese Altersgruppe auch in Deutschland sein.
Die Unique-Studie – Alltagserfahrungen bei der Umstellung
Dr. Thekla von dem Berge vom Diabetes-Zentrum AUF DER BULT in Hannover stellte eine deutsche Studie unter Alltagsbedingungen vor, um vor der Markteinführung Erfahrungen mit einem neuen AID-System zu sammeln. Je 25 Jugendliche mit Diabetes wurden entweder vom Basal IQ- auf den Control IQ-Algorithmus umgestellt (“Switch-Gruppe”) oder wechselten von einer Pumpen- oder Spritzentherapie ohne Algorithmus auf den Control-IQ (“Start-Gruppe”). Alle Familien waren AID-unerfahren. Sie erhielten eine Schulung durch eine mit der AID-Therapie erfahrene Diabetesberaterin. Stoffwechselergebnisse und Fragebögen zu patientenbezogenen Ergebnissen wurden zu Studienbeginn und nach 3 Monaten erhoben. Nach der Umstellung auf ein Hybrid-AID-System profitieren alle Kinder und Jugendlichen, von einer verbesserten Stoffwechseleinstellung, auch wenn sie schon bei Beginn mit ihren Behandlungsergebnissen zufrieden sein konnten. Alle Teilnehmenden setzen ihre Diabetes-Therapie mit AID fort.
FreeLife Kid AP – Langzeitstudie aus Frankreich
Dr. Amélie Poidvin von der Universität Paris in Frankreich stellte die Zweijahresergebnisse der FreeLife Kid AP-Studie zu AID bei Kindern im Alter von 6-13 Jahren vor. So kamen 45 % der pädiatrischen Teilnehmer im Laufe der Daten-erhebung in die Pubertät (das Durchschnittsgewicht der Kohorte nahm in zwei Jahren um 10 kg zu), was sich aufgrund hormoneller und anderer Veränderungen in dieser Entwicklungsphase wahrscheinlich auf die Glukosekontrolle auswirken könnte. Nach zwei Jahren verzeichneten die Teilnehmer unverändert eine Verbesserung der Zeit im Zielbereich von fast zwei Stunden gegenüber dem Ausgangswert. Der HbA1c-Wert verbesserte sich ebenfalls um 0,5 %, von 7,7 % bei Studienbeginn auf 7,2 % nach zwei Jahren. Bemerkenswert war auch, dass es während einer mehrwöchigen AID-Unterbrechung im Studienverlauf sofort zu einer sichtbaren Verschlechterung der Zeit im Zielbereich kam, die unverzüglich mit Wiederbeginn der AID auf die gute Einstellung vor Unterbrechung zurückkehrte (“On-Off-Effekt”).
COVID-19 Infektion bei Kindern mit Diabetes
Dr. Júlia Galhardo von der NOVA Universität in Lissabon, Portugal, zeigte, dass die Stoffwechselwerte bei Kindern mit Typ-1-Diabetes vor und nach einer SARS-CoV-2-Infektion unterschiedlich waren. Ihr Zentrum begann mit der Studie, nachdem das Team zunehmend von Eltern um Hilfe gebeten wurde, weil ihre Kinder an vermehrten Hypoglykämien litten. Von Fall zu Fall stellte Dr. Galhardo fest, dass dieselben Eltern eine Woche später wieder anriefen, um der Klinik mitzuteilen, dass sich ihr Kind mit COVID-19 infiziert hatte. Das Team verglich daher zwischen Oktober 2021 und März 2022 die CGM-Daten von 158 Menschen mit Typ-1-Diabetes, die mittels PCR positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden waren. Die Forscher stellten fest, dass tatsächlich die Zeit im Unterzuckerungsbereich in dem einwöchigen Zeitraum vor der COVID-19-Infektion erhöht war. Zwei Wochen nach der COVID-19-Infektion hatten die Teilnehmer dagegen einen höheren mittleren Glukosewert. Nach Dr. Galhardo unterstreichen die Ergebnisse, wie wichtig ein CGM-Gerät für alle Kinder mit Diabetes ist.
Insgesamt belegte der Kongress, dass auf vielen verschiedenen Gebieten der Kinderdiabetologie neue Entwicklungen möglich sind, so dass man sich auf den nächsten ISPAD-Kongress in Rotterdam im Herbst 2023 schon freuen kann.
Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2022; 13 (4) Seite 6-7
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loredana postete ein Update vor 1 Tag, 13 Stunden
Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.
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tefanie3010 postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 3 Tagen, 6 Stunden
Hallo, ich bin Stefanie, die Diagnose Typ 1, habe ich vor drei Monaten bekommen.
Ich merke wie es mir aktuell mit der Diagnose eher schlechter, als besser geht und meine Depression wieder da ist und ich auch eine neue Therapie starten werde. Ich habe aber das Gefühl, dass mich niemand Freundeskreis verstehen kann, weil niemand weiß, wie sehr diese Diagnose das Leben durcheinander bringt und ich auf so vieles aufpassen muss. Vor zwei Wochen hatte ich meine Schulung, tatsächlich fällt mir der Umgang mit dem Diabetes eher sogar schwerer. Eine Leichtigkeit (ist auch zu viel verlangt) ist nicht eingetreten. Sicherheit nur etwas.
Es gibt bei mir leider keine Selbsthilfegruppen vor Ort, darum habe ich mich nun entschieden, den Diabetes Anker beizutreten und hoffe auf Verständnis von “Gleichgesinnten”
Viele Grüße-
lena-schmidt antwortete vor 1 Tag, 12 Stunden
Hallo Stefanie, schön ,dass du da bist. Wir treffen uns zum virtuellen Austausch nächste Woche Donnerstag. Vielleicht hast du ja Zeit und kannst dich einwählen 🙂 Ich freue mich, wenn wir uns dort sehen. Liebe Grüße Lena
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moira antwortete vor 1 Tag, 10 Stunden
Hallo Stefanie! Ich weiß noch wie es nach meiner Diagnose war – es dauert bis da von Leichtigkeit die Rede sein kann. Und das Umfeld tut sich oft sehr schwer das alles zu verstehen. Es wird besser aber es braucht Zeit. Alles Gute
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tefanie3010 antwortete vor 17 Stunden, 58 Minuten
@lena-schmidt: Hallo Lena, ich habe angemeldet und steht auch fest im Kalender.
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tefanie3010 antwortete vor 17 Stunden, 56 Minuten
@moira: Danke dir, ja es ist nicht ganz leicht damit klarzukommen und du hast recht, das Umfeld stellt mir Unmengen an Fragen, aber die kann ich aktuell selbst nicht beantworten, weil ich selbst genügend habe und andere Prios. Am schlimmsten empfinde ich die gutgemeinten “Ratschläge”.
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