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Sie haben rechtliche oder soziale Fragen bezüglich Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Unser Rechts-Experte Oliver Ebert gibt Ihnen in der Rubrik Nachgefragt Antwort.
Die Frage von Martina H.: Unsere Tochter Madita ist neun Jahre alt; vor knapp drei Jahren haben wir die Diagnose Typ-1-Diabetes bekommen. Ende August steht nun die erste Klassenfahrt an, an der unsere Tochter natürlich teilnehmen möchte und auch soll. Die Schule erwartet von mir als Mutter, dass ich als Begleitperson mitfahre, da keiner die Verantwortung übernehmen möchte. Außerdem ist keiner in der Lage, den Katheter zu wechseln, die Pumpe neu zu befüllen oder zu spritzen.
Dem Wunsch der Schule möchte ich gerne entsprechen, aber jetzt stellt sich mir die Frage, ob ich fünf Tage Jahresurlaub “opfern” muss, die ich eigentlich auch für die Ferien. Die Krankenkasse meint, sie muss nicht für mich “einspringen”. Wir erwarten nicht, dass die Kosten übernommen werden, aber es geht doch um die Betreuung eines kranken Kindes, das zwar in dem Moment nicht akut krank, aber chronisch krank ist.
Meine Frage: Gibt es die Möglichkeit einer Kostenübernahme oder eines Zuschusses von irgendeiner Stelle, und wenn ja, von welcher?
Die Antwort von Oliver Ebert: Eine Erstattung der Übernachtungskosten oder des Urlaubsausfalles ist leider nicht vorgesehen. Hinzu kommt, dass mit einer solchen Schulbegleitung unterschiedliche Aufgaben verbunden sind, für die jeweils ein anderer Träger zuständig ist.
Für die medizinischen Leistungen (z. B. Blutzuckermessen oder Insulinspritzen) ist die Krankenkasse zuständig. Dort kann eine entsprechende Hilfeleistung beantragt werden; in der Regel kommt dann ein Pflegedienst. In Ihrem Fall hilft das aber wenig.
Für die sonstigen Tätigkeiten (z. B. Überwachungsleistungen oder Begleitung) können Sie einen Antrag auf Integrationshilfe gem. §§ 53, 54 SGB XII stellen (beim zuständigen Integrationsamt). Diese staatliche Eingliederungshilfe soll grundsätzlich sicherstellen, dass eine Schulteilnahme mit Freizeitaktivitäten gewährleistet ist; sie kann aber nicht für jegliche Freizeitgestaltung aufkommen.
Leistungen der Eingliederungshilfe sind vornehmlich Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen (einschließlich der Vorbereitung hierzu) sowie Hilfen zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule.
Wird der Antrag bewilligt, könnte z. B. eine Begleitperson oder ein Pflegedienst dauerhaft oder regelmäßig nach Madita schauen. Diese Integrationshilfe soll es Kindern ermöglichen, einen Regelkindergarten/eine Regelschule zu besuchen und umfasst auch die Übernahme der Kosten für Begleitpersonen bei Schulausflügen. Erfahrungsgemäß gibt es aber oft Schwierigkeiten, wenn Eltern selbst die Begleitung übernehmen wollen.
Die Zuständigkeiten gegeneinander abzugrenzen, ist nicht einfach, und Eltern werden oft von einer Stelle zur anderen geschickt. Häufig fühlen sich die Ämter nicht zuständig und versuchen, Anträge “abzuwimmeln”. Die Integrationsämter verweisen dann gerne auf eine vermeintliche Zuständigkeit der Krankenkasse und umgekehrt. Das stimmt so pauschal aber nicht. Schwierigkeiten kann es auch geben, weil die Begleitperson in der Regel sowohl für Überwachungsaufgaben (Zuständigkeit: Integrationsamt) als auch zum Messen/Spritzen und/oder zur Nahrungsverabreichung (Zuständigkeit: Krankenkasse) benötigt wird. Im Zweifel sind auch beide Träger anteilig zuständig.
Gerade für solche Fälle bietet sich mit dem trägerübergreifenden persönlichen Budget gem. § 57 SGB XII eine Alternative an, die noch recht unbekannt ist: Dabei werden Eingliederungs oder Rehabilitationsleistungen nicht als Sachleistung von der Behörde zugewiesen, sondern es gibt Geld oder Gutscheine und man kann sich so die benötigten Leistungen selbst und eigenverantwortlich einkaufen.
Dabei ist auch eine Abwicklung trägerübergreifend, d. h. aus “einer Hand” möglich: Wird ein “trägerübergreifendes Persönliches Budget” beantragt, übernimmt eine einzige Behörde (bzw. ein Kostenträger) die Koordination und Abrechnung mit den anderen Kostenträgern. Die Betroffenen haben nur einen Ansprechpartner, der sich um alles kümmert. Im Klartext: Man stellt den Antrag nur bei einer zuständigen Stelle, die dann intern die Zuständigkeitsverteilung abklären muss.
Um ein persönliches Budget zu erhalten, muss keine Schwerbehinderung vorliegen – den Antrag kann jeder behinderte oder von Behinderung bedrohte Mensch stellen, egal, wie schwer die Behinderung ist. Allein die chronische Krankheit reicht aus, um für Kinder mit Diabetes ein Budget zu beantragen, etwa für Einzelfallhilfe, Sozialassistenz (Jugendamt) oder Ferienbetreuung (Jugendamt).
Voraussetzung ist natürlich, dass eine Begleitperson wirklich erforderlich ist – dies müssen Sie als Eltern nachweisen, und es hängt vom tatsächlichen Einzelfall ab. Die Schule bzw. der behandelnde Arzt kann Sie dabei mit einer Bestätigung unterstützen, die bescheinigt, dass die erforderlichen Betreuungsmaßnahmen nicht geleistet werden können und daher eine Betreuungsperson als notwendig erachtet wird.
von RA Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte Stuttgart/Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de
,
Internet: www.diabetes-und-recht.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2016; 9 (3) Seite 26-27
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