- Eltern und Kind
Leon: „Mein erstes Jahr mit Diabetes“
5 Minuten
Die Diagnose Diabetes bekam Leon vor etwa eineinhalb Jahren, da war er elf. „Mittlerweile kann ich damit leben und weiß auch damit umzugehen“, sagt er – und erzählt im Diabetes-Eltern-Journal seine Geschichte.
Vor einigen Wochen erreichte die Redaktion ein Brief, darin schilderte der zwölfjährige Leon sein erstes Jahr mit Diabetes. Sein Text hat uns so gut gefallen, dass schnell klar war: Der kommt ins nächste Heft! Leon lebt mit seiner Familie in Osterholz-Scharmbeck (Niedersachsen), geht aufs Gymnasium und möchte später gerne Journalist werden.
Ein Jahr mit Diabetes hat ihm gezeigt: Es gibt schlimmere Krankheiten. Er sagt, er hat keinen Grund zu trauern – und seine Eltern, so hofft er, auch nicht. “Es ist so, wie es ist – wenn es so sein soll, habe ich nichts dagegen”, sagt er heute.
Plötzlich starker Durst und Harndrang
Ich bin eigentlich jemand, der relativ wenig trinkt – doch ab Anfang Februar 2012 änderte sich das: Ich trank plötzlich mehr als zwei Liter pro Tag und musste ständig auf die Toilette. Meine Mutter fand das äußerst seltsam. Könnte ich Diabetes haben? Allerdings haben wir diesen Gedanken erst einmal gleich wieder verworfen. Meine Mutter kannte die Diabetes-Symptome aber noch von früher: Als sie ein Kind war, haben ihre beiden Onkel auch Diabetes bekommen.
Sie konnte sich noch genau erinnern, wie es damals war: Ein Onkel hat immer viel Durst gehabt; bei ihm wurde Diabetes festgestellt. Nach etwa einem Jahr war es bei seinem Bruder genauso. Er ging zum Arzt – und es war auch Diabetes! Meiner Mutter sind diese Gedanken wie Papier an Klebstoff hängen geblieben.
Verschwommenes Sehen im Französischunterricht
Es war ein ganz gewöhnlicher Freitag, wir hatten eine Englischarbeit geschrieben. Schon morgens hatte ich mich sehr schlapp gefühlt und konnte alles nur sehr verschwommen sehen. Ich dachte, es wäre eine Erkältung der schlimmeren Sorte, aber da hab‘ ich mich wohl getäuscht. Die Englischarbeit war der Horror. Mir ging es sehr schlecht.
In der letzten Stunde hatten wir Französisch. Ich saß in der vorletzten Reihe und konnte das Gesicht meiner Lehrerin sehr schlecht erkennen. Zum Schluss hat sie uns “ein schönes Wochenende” gewünscht. Von wegen: Das Wochenende und auch die nächsten Wochen waren gelaufen. Als meine Mutter mich abholte, habe ich ihr natürlich gesagt, dass ich immer noch sehr verschwommen sehe. Sie hat gemeint, dass es wohl morgen wieder weg sein würde – aber gedacht hat sie etwas anderes.
Dann Gewissheit: Diagnose Diabetes
Als sie an diesem Tag von der Arbeit kam, fuhren wir dann doch zum Kinderarzt. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht einmal, was Diabetes genau ist.
Wir beide hielten es für relativ unwahrscheinlich, dass es ausgerechnet mich treffen würde. Der Arzt hat zweimal einen Blutzuckertest bei mir gemacht. Der Wert: 414 mg/dl (23 mmol/l). Diagnose: Diabetes! Wir mussten sofort ins Krankenhaus fahren. Ich fing an zu weinen, denn ich wusste, das würde mein Leben für immer verändern.
Im Krankenhaus wurde mir gleich Blut abgenommen – was ich wirklich gar nicht mag. Ich war so glücklich, das überstanden zu haben, dass ich fröhlich zu meinen Eltern sagte: “Das Schlimmste habe ich jetzt schon hinter mir!” Na ja, wie unrecht ich hatte, könnt ihr euch denken. Meine Mutter und ich wurden auf ein Zimmer gebracht. Es kam eine Ärztin rein, sie sagte, dass wir nicht alleine sind und dass es nicht so schlimm ist, wie es in diesem Moment scheint.
Die erste Basisspritze
Ich wollte jetzt einfach nur noch schlafen – es war schon nach 21 Uhr. Aber erst musste ich noch das erste Mal eine Basisspritze überstehen. Die Krankenschwestern sind in der Nacht stündlich reingekommen, um meinen Blutzucker zu messen. Ich hatte Angst vor den Ergebnissen, Angst vor einem zu hohen oder einem zu niedrigen Wert, denn was man manchen muss, wenn der Blutzucker zu hoch oder zu niedrig ist, wusste ich ja noch nicht.
Ich war dann zwei ganze Wochen im Krankenhaus. Mein Vater ist jeden Morgen zu uns ins Krankenhaus gekommen, um an den Schulungen teilnehmen zu können.
Nächste Seite: Leon lernt, sich selbst zu spritzen, freut sich über viel Zuspruch und gewinnt Zuversicht. Heute, ein Jahr später, kommt er gut mit seinem Diabetes zurecht.
Zunächst Angst, selbst zu spritzen
Es dauerte einige Tage, bis ich selbst versucht habe, mich zu spritzen. Ich habe es versucht und versucht, aber ohne Erfolg. In den Bauch schon gar nicht, da hatte ich Angst. Ein, zwei Tage später kam meine Diabetesberaterin Beate zu uns rein und sagte, dass ich nun spritzen solle. Ich habe mich wieder nicht getraut, aber dann kam der entscheidende Ansporn von meiner Mutter: Ich würde schon eins von meinen Geburtstagsgeschenken bekommen, wenn ich mich selbst spritzen würde.
Ich habe am 26. Februar Geburtstag, und wir hatten gerade den 23. Dieses Angebot konnte ich nicht ablehnen. Zwar habe ich noch mindestens fünf Minuten gebraucht, aber dann: Zack, Nadel ins Bein, alle glücklich.
Ich bin nicht allein!
Am 25. Februar war ich überglücklich, denn viele Kinder aus meiner Klasse haben mich im Krankenhaus besucht. Erst waren es nur drei Mädchen, mit denen ich mich sehr gut verstehe, nach 20 Minuten kamen die nächsten Besucher. Ich habe laute Stimmen gehört, und dann klopfte es, und fast der ganze Rest der Klasse kam herein. Sie haben mir eine Karte mitgebracht, auf der alle unterschrieben haben, außerdem einen großen Stoffpinguin, den ich Pingu taufte.
Es war wirklich sehr schön, das Gefühl zu haben: “Hey, Leon, du hast gute Freunde, die hinter dir stehen und dir wahrscheinlich immer helfen, wenn du Hilfe brauchst!” Als alle wieder weg waren, kam ein Mädchen rein. Julia lag auch im Krankenhaus und hatte kurz nach mir die Diagnose Diabetes verkraften müssen. Es war schön, mit einem Menschen reden zu können, der mich genau verstand.
Wunderschöner Tag mit meiner ersten Überraschungsparty
An meinen Geburtstag durfte ich dann von morgens bis abends raus aus dem Krankenhaus. Ich habe die Geschenke ausgepackt und mich natürlich sehr gefreut, außerdem kamen überraschend ein paar Freunde aus meine Klasse. Sie hatten einen Kuchen gebacken – das war ein bisschen unpraktisch, weil wir ja noch nicht so gut mit dem Diabetes umgehen konnten. Trotzdem haben wir ihn geschätzt und gegessen. Es war ein wunderschöner Tag mit meiner ersten Überraschungsparty.
Lernen, alleine mit dem Diabetes zurechtzukommen
Am 27. Februar wurde ich entlassen und war froh, endlich aus der Klinik herauszukommen. Eine Woche war ich dann noch zu Hause, weil wir lernen mussten, alleine mit dem Diabetes zurechtzukommen. Danach war es schön, wieder in der Schule zu sein, wieder mit meinen Freunden zu reden, zu lachen und vor allem den ganzen Diabetes-Wirrwarr ein bisschen zu vergessen. In der großen Pause habe ich dann gemessen – aber unter dem Tisch, weil ich nicht groß auffallen wollte. Das will ich auch heute noch nicht.
Nun habe ich bereits über ein Jahr lang Diabetes, obwohl es sich so anfühlt, als ob ich erst gestern gelernt hätte, zu spritzen und KEs zu berechnen. Aber all dieses Zeug kann ich mittlerweile schon sehr gut. Ich bin sehr froh, dass ich diese Zeit überstanden habe, und auch wenn mich der Diabetes mein Leben lang begleiten wird, weiß ich, dass ich nicht alleine bin: Es gibt viele Menschen auf der Welt mit Diabetes.
Danke an meine Eltern, meine Freunde und an Julia!
Zu guter Letzt möchte ich mich bedanken: Ich danke vor allem meinen Eltern, die mir immer geholfen haben, ich danke meiner Klasse, die mir gezeigt hat, dass ich wahre Freunde habe, und ich danke Julia, die mir das Gefühl gegeben hat, dass ich nicht alleine bin.
von Leon
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0,
Fax: (0 61 31) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2013; 6 (2) Seite 16-17
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 4 Tagen, 20 Stunden
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 6 Tagen, 15 Stunden
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 4 Tagen, 15 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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