Loslassen ist nicht immer einfach

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Loslassen ist nicht immer einfach

Bald 10 Jahre ist es her, dass Leonie die Diagnose Typ-1-Diabetes bekam. Mittlerweile ist sie auch bereits ziemlich selbstständig geworden, was das Management ihrer Stoffwechselerkrankung angeht. Für eine Mutter, die jahrelang die Therapie des Kindes im Blick hatte, ist es da gar nicht so einfach, auch in diesem Bereich loszulassen, beschreibt Kathy ihrer Freundin Nadine.

Liebe Nadine,

wie die Zeit vergeht: Mittlerweile leben wir schon fast 10 Jahre mit der Diagnose Diabetes Typ 1. Und ich kann mich auch heute noch an den Tag der Diagnose erinnern, als ob es erst gestern gewesen wäre. Leonie war noch so klein und gerade in die Vorschule gekommen. Wir wussten nicht: Wie wird sich unser Leben entwickeln? Welche Einschränkungen kommen auf uns zu? Wir mussten so viel Neues lernen, hatten so viele Sorgen. Vor allem hat uns sehr beschäftigt, wie das Kindergarten-Team reagieren wird. So viele offene Fragen und so wenige Antworten …

Doch nach fast 10 Jahren kann ich Dir sagen, dass sich viele Sorgen in Luft aufgelöst haben und Leonie ihr Leben mit Dia-­betes die meiste Zeit ganz gut meistert. Es gibt immer wieder Höhen und Tiefen, doch im Großen und Ganzen können wir uns nicht beklagen. Mit 15 Jahren übernimmt sie jetzt schon viele Aufgaben ihres Diabetes-Managements selbst. Als Mutter bin ich nur noch dazu da, dafür zu sorgen, dass ausreichend Insulin und Pumpenzubehör etc. im Haus ist. Das heißt für mich, immer alle Kartons zu überprüfen, da gerne mal leere Kartons wieder zurück in den Schrank gestellt werden.

Alles andere macht sie alleine. Sie wechselt ihre Patch-Pumpe, sie berechnet/schätzt ihre KE selbst, sie entscheidet, ob und wie viel Korrekturinsulin sie gibt. Sie weiß, wann sie eine Sport-BE braucht und hat das alles ganz gut im Griff. Es läuft nicht immer perfekt, schließlich hat man manchmal auch einfach keinen Kopf, sich um alles im kleinsten Detail zu kümmern. Das Teenie-Leben fordert ja auch das eine oder andere von einem. Bei Rückfragen sind wir für sie natürlich immer erreichbar – dann schreibt sie gerne eine WhatsApp oder ruft kurz an: Wie viel soll ich bolen? Wie viele KE hat noch mal ein Bubble Tea?

Nadine, ich weiß, so soll es auch sein, schließlich wird sie immer erwachsener, und irgendwann wird sie alles alleine managen müssen. Doch als Mutter fällt es einem manchmal schwer, loszulassen, und so kann es immer wieder vorkommen, dass ich sie mit meinen Fragen nerve: „Hast du den Pod schon gewechselt? Hast du genug Hypo-Helfer eingepackt?“ Meist kommt dann nur ein kurzes „Ja“ oder „Nein“ oder ein „Mama, ich mach das schon“.

Liebe Nadine, und der nächste Schritt in die Selbstständigkeit ist auch schon in Sicht: Sie möchte demnächst alleine zum Termin in der Diabetes-Ambulanz gehen, und ich soll sie nur noch abholen. Schließlich ist sie ja schon groß. Als Mutter ist es schon toll zu sehen, wie sie alles so selbstverständlich meistert, und doch ist man auch ein bisschen traurig, dass man sie nicht mehr so umsorgen kann, wie man es noch gerne möchte …

Viele Grüße und bis bald
Kathy und Leonie


von Kathy Dalinger
E-Mail: kinder-mit-diabetes-typ1@web.de

Website: kinder-mit-typ1-diabetes.net
Kathy Dalinger auf der Blood Sugar Lounge

Die 14-jährige Leonie hat seit einigen Jahren Typ-1-Diabetes. Familie Dalinger hat also im Alltag schon reichlich Erfahrung mit der Erkrankung sammeln können. Ihr Wissen gibt Mutter Kathy Dalinger gerne weiter an ihre Freundin Nadine, deren Tochter erst vor kurzem die Diagnose erhalten hat.

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Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2022; 13 (1) Seite 30

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