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Was bringt langfristig bessere Werte? Die Insulimpumpentherapie oder die Injektionstherapie ICT? Eine neue Studie aus Australien, die 345 Kinder mit Pumpe mit einer Kontrollgruppe verglich, gibt beeindruckende Antworten. Professor Danne berichtet.
Die Versorgung von Kindern mit Typ-1-Diabetes mit einer Insulinpumpe ist gegenüber der intensivierten Insulintherapie mit Pen oder Spritze nicht nur mit einem geringeren Risiko für Hypoglykämien verbunden. Nach einer kürzlich online in der Fachzeitschrift Diabetologia veröffentlichte Langzeitstudie aus Australien ist die Insulinpumpentherapie auch verbunden mit einer langfristig günstigeren Blutzuckereinstellung und weniger Krankenhausaufenthalten wegen einer Ketoazidose.
Das Princess Margaret Hospital for Children in Perth in Westaustralien ist das einzige Diabeteszentrum der Region. Es kann bevölkerungsbasierte Aussagen zur Diabetesbehandlung machen, weil fast alle Kinder und Jugendlichen mit Diabetes in diesem Zentrum behandelt werden.
Für die statistische Auswertung verwendeten die australischen Kinderärzte das Prinzip einer Fall-Kontroll-Studie. Dabei wurden für 345 Kinder und Jugendliche, die zum Teil seit 1999 mit einer Insulinpumpe behandelt wurden (mittleres Alter bei Beginn der Pumpentherapie: 11 Jahre, 4 Jahre Diabetesdauer), statistische Zwillinge gesucht, die ausschließlich mit Injektionen (ICT) behandelt wurden.
Sie waren also in ihren statistischen Daten gleich bis auf den Umstand, dass die Kinder aus der Pumpengruppe zu Beginn der Pumpentherapie doppelt so häufig unter schweren Hypoglykämien litten. Eine hohe Hypoglykämieneigung gehört zu den wichtigsten Gründen für die Verordnung einer Insulinpumpe, und bereits im ersten Jahr nach der Verordnung hatte sich die Hypoglykämiefrequenz halbiert. Sie lag am Ende 30 Prozent niedriger als in der ICT-Kontrollgruppe, wo die Zahl der Hypoglykämien mit der Zeit anstieg.
Eine große Sorge bei Einführung der Insulinpumpentherapie war ein möglicherweise erhöhtes Risiko für eine diabetische Ketoazidose, also eine lebensgefährliche Blutübersäuerung als Folge des Insulinmangels. Dadurch, dass in der Insulinpumpe nur ein kurzwirksames Insulin verwendet wird, kann es bei einem unbemerkten Katheterverschluss und fehlender Stoffwechselkontrolle innerhalb kürzerer Zeit zu einem Insulinmangel kommen als bei der Injektionsbehandlung, wo langwirksame Basalinsuline verwendet werden.
Tatsächlich war die Zahl der Krankenhauseinweisungen aufgrund einer diabetischen Ketoazidose unter der Pumpentherapie aber halb so häufig wie in der Spritzengruppe. Auch mit Blick auf eine mögliche Gewichtszunahme unter Pumpentherapie sind die Langzeitergebnisse beruhigend: Gemessen am Körper-Masse-Index BMI-SDS lagen beide Gruppen am Beobachtungsende im Durchschnitt gleich.
Die zentrale Frage der von der Diabetologin Elizabeth Davis geleiteten Arbeitsgruppe war jedoch, ob die Pumpentherapie langfristig die Blutzuckereinstellung verbessert. Maßgeblicher Parameter ist hier natürlich der Langzeitblutzucker HbA1c. Mit 345 Teilnehmern und einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 3,5 Jahren ist die Studie laut Davis die größte und bisher längste zu dieser Frage.
Tatsächlich kam es unter der Pumpentherapie schon bald zu einer Verbesserung des HbA1c um 0,6 Prozent, während sich der Wert in der ICT-Gruppe langsam verschlechterte. Nach sieben Jahren (einige Patienten trugen die Pumpe bis zu 10,5 Jahre; mittlere Nachbeobachtungszeit: 3,5 Jahre) betrug der Unterschied einen Prozentpunkt, ein aus kinderdiabetologischer Sicht signifikanter Unterschied.
Nimmt man die Daten der amerikanischen DCCT-Studie bei Jugendlichen und Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes als Bewertungsgrundlage, die im Jahr 1993 der intensiven Insulintherapie gegenüber der früher üblichen Zwei-Injektionen-Behandlung zum Durchbruch verhalf, war ein Unterschied von einem Prozentpunkt mit einer Reduktion der Spätkomplikationen um 21 bis 49 Prozent verbunden, berichtet Davis.
In Davis‘ Studie konnte die Frage der Folgeerkrankungen allerdings nicht untersucht werden, da die Kinder mit Erreichen des Erwachsenenalters zu anderen Ärzten wechseln und die Klinik sie dann aus den Augen verliert. Die größte Einschränkung bei der Beurteilung der australischen Studienergebnisse ergibt sich aber daraus, dass die Studie nicht randomisiert ist – die Zuordnung zu einer Behandlungsgruppe (Pumpe oder ICT) ist also nicht nach dem Zufallsprinzip erfolgt.
Es könnte also sein, dass die Ärzte aus nicht in den Statistiken erfassten Gründen vorzugsweise Patienten mit besonders guten Aussichten auf eine erfolgreiche Blutzuckereinstellung mit einer Pumpe versorgten.
Auch in Deutschland wurde die Pumpentherapie in den letzten Jahren als mögliche Behandlungsform des Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen immer mehr akzeptiert und daher auch eingesetzt. Nach den Zahlen der DPV-Wiss-Initiative gab es in Deutschland im Jahr 1996 39 Pumpenpatienten, im Jahr 2002 war die Zahl schon auf über 1.000 angestiegen und gegenwärtig tragen mehr als 40 Prozent der etwa 25 000 Kinder und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes eine Pumpe.
In den letzten Jahren hat sich die Pumpe ganz vorrangig bei der Behandlung sehr junger Patienten durchgesetzt: Fast 80 Prozent der unter Fünfjährigen haben die Pumpe. Die Insulinpumpentherapie kann prinzipiell in jeder Altersgruppe angewendet werden. Während eine Senkung des HbA1c nicht durchgängig gefunden wird, bestätigen sich auch bei europäischen Studien häufig eine Verminderung der Blutzuckerschwankungen, eine geringere Rate schwerer Unterzuckerungen und eine höhere Therapiezufriedenheit mit der Pumpe.
Trotzdem muss vor illusionären Erwartungen an die Pumpe von Seiten des Patienten und der Familie gewarnt werden. Auch mit einer Injektionsbehandlung erreichen viele Patienten gute Ergebnisse. Manche stört es auch, dass man mit der Pumpe “nie mehr richtig nackt” ist. Auch der Behandlungsaufwand ist mit einer Pumpe eher höher als niedriger. Ohne eine verlässliche regelmäßige Bolusgabe (viele Patienten kommen im Durchschnitt auf mehr als sechs Bolusgaben am Tag, das ist häufiger als bei der Injektionsbehandlung) ist eine Pumpenbehandlung nicht erfolgreich durchzuführen.
Sicher wird diese aktuelle Studie die Akzeptanz der Pumpentherapie bei Kindern noch weiter erhöhen, aber für die Beratung von Patient und Familie ist es schön, dass es nach wie vor verschiedene Alternativen in der Diabetesbehandlung gibt.
von Prof. Dr. Thomas Danne
Kinderdiabetologe, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin „Auf der Bult“, Hannover, Vorstandsvorsitzender diabetesDE
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstra0e 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2013; 6 (3) Seite 6-7
5 Minuten
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