Neue Richtlinien zur Begleitperson für Kinder verunsichern

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Neue Richtlinien zur Begleitperson für Kinder verunsichern

Die Fortschritte in der Medizin und Technik, insbesondere moderne Hilfsmittel wie kontinuierliches Glukose-Monitoring (CGM) und Insulinpumpen, tragen dazu bei, dass im Vergleich zu früher ein Diabetes deutlich besser und risikoärmer gemanagt werden kann. Auch Kinder und Jugendliche bekommen aufgrund des Diabetes so immer seltener Probleme in Kindergarten bzw. Schule. In den meisten Fällen sind Lehrkräfte bzw. Betreuungspersonal engagiert und nach Kräften bemüht, eine reguläre Teilnahme zu ermöglichen.

Allerdings gibt es Ausnahmen, denn Personal in Kindergärten und Lehrkräfte sind nicht verpflichtet, medizinische Maßnahmen zu übernehmen. In solchen Fällen wird eine Begleitperson benötigt, welche während des Unterrichts bzw. auf Klassenfahrten diese medizinischen Maßnahmen durchführt bzw. auf das Kind zusätzlich aufpasst.

Eine solche Begleitperson bei Kindern mit Diabetes wurde von Gerichten bislang als Leistung der häuslichen Krankenpflege angesehen ("Sicherungspflege" in Form der speziellen Krankenbeobachtung, § 37 Absatz 2 Satz 1 SGB V), die von Ärztin oder Arzt formlos oder mit dem Formularvordruck 12 (

Für Unruhe sorgt aktuell eine Änderung der Richtlinien zur häuslichen Krankenpflege. Einige Eltern haben schon ein Schreiben der Krankenkassen erhalten, dass es nun keine gesetzliche Grundlage mehr für eine solche Kassenleistung gäbe und man sich künftig an das Sozialamt wenden solle. Hier sollten sich Eltern auf jeden Fall wehren.

Neuregelungen greifen seit 01.11.2023

Die Voraussetzungen sowie der Umfang dieser verordnungsfähigen Leistungen ergaben sich bis zum 31.10.2023 aus der "Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie" (HKP-RL). Allerdings ist dort auch geregelt, dass "Verordnungen von Leistungen der außerklinischen Intensivpflege bei besonders hohem Bedarf an medizinischer Behandlungspflege, bei denen die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft im Sinne des § 37c Absatz 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist", spätestens ab 01.11.2023 nach den Richtlinien über die Verordnung außerklinischer Intensivpflege erfolgen müssen. Zudem wurde in der HKP-RL die bisherige Nummer 24 des Leistungsverzeichnisses gestrichen, welche die "Spezielle Krankenbeobachtung" regelte.

Manche Krankenkassen stellen plötzlich Übernahme der Behandlungspflege ein

Vor diesem Hintergrund stellen manche Krankenkassen nun plötzlich die Übernahme der Behandlungspflege in Schule und Kindergarten mit der Begründung ein, dass es keine gesetzliche Grundlage für die Übernahme dieser Kosten (mehr) gäbe. Andere Krankenkassen verlangen eine (neue) ärztliche Verordnung von Leistungen der außerklinischen Intensivpflege auf speziellen Rezeptformularen (Muster 62B und 62C, www.kbv.de/html/60923.php). In diesem Fall ist jedoch eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zwingend vorgeschrieben. Die dortigen Untersuchungs-Richtlinien sind aber derzeit (noch) nicht auf die spezielle Situation von Kindern mit Diabetes in Kindergarten und Schule abgestimmt. Eltern müssen daher damit rechnen, dass die Begleitperson nun abgelehnt wird, weil der MDK keine Notwendigkeit einer ständigen pflegerischen Bereitschaft sieht.

Meine Einschätzung: Rechtslage hat sich nicht wesentlich geändert

Nach meiner Einschätzung ist dies jedoch nicht rechtmäßig. Zunächst dürfte fraglich sein, ob es sich bei der benötigten speziellen Krankenbeobachtung tatsächlich um Leistungen einer außerklinischen Intensivpflege handelt, denn hier bestehen doch erhebliche Unterschiede. Es wäre dann aber weiterhin die HKP-RL anwendbar. Die dortige Streichung der "Speziellen Krankenbeobachtung" kann meiner Auffassung nach jedoch nicht dazu führen, dass die Krankenkasse die Leistungen nicht erbringen darf. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stellt die HKP-RL keinen abschließenden Leistungskatalog dar: Wenn Maßnahmen der Behandlungspflege im Einzelfall erforderlich und wirtschaftlich sind, besteht auch außerhalb des Leistungsverzeichnisses der HKP-RL eine Leistungsverpflichtung der Krankenkassen (vgl. Urteil vom 26.01.2006, Az. B 3 KR 4/05 R). Der Gemeinsame Bundesausschuss, der für die Richtlinien verantwortlich ist, hat in seinen tragenden Gründen für die Änderungen daher auch klargestellt, dass die spezielle Krankenbeobachtung im Sinne der bisherigen Regelungen weiterhin erforderlich und wirtschaftlich sein kann und in diesem Fall auch weiterhin verordnet und von den Krankenkassen erbracht werden darf.

Tipps zur Vorgehensweise

Ich empfehle, bei der Antragsstellung zunächst wie bislang zu verfahren: Die Ärztin oder der Arzt sollte eine Verordnung über die spezielle Krankenbeobachtung auf Grundlage der HKP-RL ausstellen. Zur Begründung sollte angeführt werden, dass für die Zeit des Kindergarten- bzw. Schulbesuchs eine ständige Begleitung aus medizinischer Sicht zwingend erforderlich ist, um die ordnungsgemäße Durchführung der Insulintherapie sowie die Überwachung der Stoffwechsel-Situation zu gewährleisten. Dazu sollte eine schriftliche Bestätigung von Kindergarten bzw. Schule vorgelegt werden, aus der hervorgeht, dass die erforderlichen medizinischen Maßnahmen bzw. eine Beobachtung des Kindes von dort nicht geleistet bzw. gewährleistet werden können. Weiterhin empfehle ich, eine detaillierte Stunden-Aufstellung einzureichen, aus denen sich die Zeiten ergeben, für welche die Hilfe benötigt wird.

Wird der Antrag von der Krankenkasse abgelehnt, weil eine Verordnung von "Außerklinischer Intensivpflege" unter Verwendung der Vordrucke Muster 62B und 62C erforderlich sei, würde ich hiergegen sofort Widerspruch einlegen. Für alle Fälle sollte der Arzt dann aber gleich die geforderte Verordnung für Außerklinische Intensivpflege ausstellen. Da es relativ lange dauern kann, bis die Krankenkasse den Widerspruch bearbeitet, könnte eine einstweilige Anordnung beim Sozialgericht beantragt werden. Es empfiehlt sich, hierzu anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.


Kontakt:

Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart

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